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Eröffnung mit der „Zauberflöte4'

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„Festvorstellung der Staatsoper zur Eröffnung des Theaters an der Wien“ stand in goldenen Lettern auf dem Programmzettel, den man am Abend des 30. Mai erwartungsvoll aufschlug. Denn ein „großer Augenblick“ der Wiener Theatergeschichte stand unmittelbar bevor — und der Platz, auf dem man saß, war 750 Schilling wert (die teuersten Karten kosteten 1000). Man war nicht nur erwartungsvoll, sondern auch freundlich gestimmt: das mit ebensoviel Geschmack wie Pietät erneuerte Haus, die glückliche Wahl des Eröffnungswerkes, ein festlich erregtes und gewan-detes Publikum, Karajan am Pult der Philharmoniker — es würde gewiß ein großer Abend werden.

In optisch-szenischer Hinsicht hatte diese neue „Zauberflöte“ ihre letzte Vorgängerin von 1958 als Konkurrenz nicht zu fürchten, auch die der Salzburger Festspiele mit den wenig adäquaten Bühnenbildern und Kostümen von Kokoschka nicht. Anders war's mit dem musikalischen Teil der Neuinszenierung bestellt. Da waren, seit der Jahrhundertwende, Mahler und Schalk, Knappertsbusch, Moralt und Krips am Pult gestanden (um nur die Premierendirigenten zu nennen), also eine großartige Phalanx bedeutender Mozart-Interpreten, denen gegenüber man sich nun zu behaupten hatte. Da?e<?en kam K a r ajan; einfach nicht auf. Dieses •' ganze Genre der symbolträchtigen und' zugleich naiven Märchen- und Zauberoper mit der anmutig-feierlichen Musik scheint ihm nicht zu liegen. Denn obwohl nichts falsch und völlig verfehlt war, blieb als Gesamteindruck: lustlos. Gewiß, da saß kein „normales“ Publikum vor der Bühne — viele Ausländer, gesellschaftliche Snobs und amusische Ehrengäste: aber so einen flauen Applaus hat es in Wien bei einer

„Zauberflöten“-Premiere wohl selten gegeben.

Dabei war an Sängern allerlei aufgeboten: Gottlob Frick (Sarastro), Ingeborg Hallstein (Königin der Nacht), Wilma Lipp (Pamina), Nicolai Gedda (Tamino), Erich Kunz (Papageno), Graziella Sciutti (Papa-gena), Gerda Scheyrer, Grace Hoffman und Hilde Rössel-Majdan (Damen), Eberhard Wächter (Sprecher) und drei Wiener Sängerknaben. Sie alle wurden von Rudolf Hartmann als Regisseur recht sinnvoll und mit Geschmack, wenn auch nicht eben sehr dynamisch geführt. Mehrere Szenen ließ der Regisseur, um für kompliziertere Verwandlungen Zeit zu gewinnen, vor einem Zwischenvorhang spielen: in vielen Bildern wurden Praktiken des alten barocken Zaubertheaters lebendig: Sarastro wurde von hinten in einem Wagen hereingeschoben; statt der beiden Geharnischten sah man linke und rechts zwei mächtige (bühnenhohe) orientalisch-archaische Gestalten: im Vorhof des Prüfungstempels durften die beiden steinernen Löwen, sobald Papageno 6ie berührt, mit grünen, elektrischen Augen blinken und anderes mehr.

Am besten schien das Szenische geglückt. Die phantasievollen, dabei märchenhaft-einfachen Bühnenbilder von Schneider-Sie mssen sahen aus, als wären sie aus einem wohlerhaltenen alten Dekorationsfundus hervorgeholt. Das paßte gut zum Stil des Werkes und des Hauses (lediglich der Wasser- und Feuerzauber in der Prüfungsszene war, obwohl technisch interessant, zu stilisiert geraten: hier hätte echtes Wasser rauschen und lebendiges Feuer züngeln müssen I). Sehr dekorativ und richtig war auch der den Charakter der Guckkastenbühne betonende gleichbleibende Bühnenrahmen, der dem Querschnitt einer Moschee glich. — Charlotte F1 e m m i n g sind viele schöne märchenhaft-phantastische Kostüme geglückt, am besten die Tiere, am wenigsten Sarastro, der wie der Kaiser aus der „Frau ohne Schatten“ gewandet war.

Über die Akustik des Hauses möchte der Referent nach dieser ersten Aufführung noch nichts Verbindliches sagen. Sie schien im ganzen gelungen, eher weich als hart, und zeigte, von seinem Platz aus (2. Reihe Parterre Mitte, knapp unterhalb des ersten Ranges) die Tendenz, die tiefen Töne zu dämpfen bzw. zu verschlucken. Darunter hatte vor allem der Baß Gottlob Fu leieh. während “dl zweite Arie Ingers-? HaMsteins, der> Sopran Wilma Lipps hnd der helle Tenor Nicolai Geddas am besten klangen. — Am meisten störte (und ermüdete) die Dunkelheit auf der Bühne, dieses Modelaster fast aller zeitgenössischer Regisseure, das hoffentlich nicht auch im Theater an der Wien chronisch werden wird. (Näheres über das neue Haus und &#171;eine Ausgestaltung in der Festwochen-Sonderbeilage dieser Nummer.)

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