Es ist riskant, Klartext zu reden"

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Gabi Waldner, Moderatorin der diesjährigen "Sommergespräche" auf ORF 2, und "profil"-Chefredakteur Herbert Lackner über Karl-Heinz Grassers Rhetorik, Bruno Kreiskys Bildung, Wolfgang Schüssels

Fragen-Unlust und schlechte journalistische Manieren.

Die Furche: Frau Waldner, als Ziel Ihrer "Sommergespräche" mit den Spitzenkandidaten der Parlamentsparteien haben Sie formuliert: "Ich will ganz einfach auf eine Frage auch eine Antwort haben." Sind Sie froh oder bedauern Sie es, dass nicht auch Karl-Heinz Grasser zu Ihnen kommt?

Gabi Waldner: Jeder Interviewpartner ist auf seine Art eine Herausforderung. Aber wenn Sie Karl-Heinz Grasser unbedingt von mir eingeordnet haben wollen, dann ist er ungefähr in der Kampfklasse eines Wolfgang Schüssel. Beide tendieren zu längeren, ausführlichen Antworten. Da muss man halt dagegenhalten ...

Herbert Lackner: Grasser sagt wie jeder Politiker dieser Preisklasse nur das, was er sagen will - nicht mehr. Besonders ist er nur deshalb, weil die Fragen speziell sind, die man ihm stellt: Warum müssen Sie alles umsonst haben? Warum muss ein Finanzminister alles gratis bekommen? Dazu kommt, dass er nur das zugibt, was man ihm beweisen kann. Sonst sagt er einfach: Das stimmt nicht. Das ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Aber wahrscheinlich gibt es keinen Politiker, der beim ersten Anwurf weinend zusammenbricht.

Waldner (lacht): Da fällt mir auf die Schnelle auch keiner ein. Das Spezielle bei Grasser ist sicher auch die Kombination aus einer gewissen Freundlichkeit, die wahrscheinlich sogar natürlich ist, gepaart mit einem Schwall an Informationen, mit denen er auch etwas zu verschleiern versucht. Sonst ist bei Grasser nichts wahnsinnig Aufregendes versteckt.

Die Furche: Auch kein Training in nlp, also in Neuro-Linguistischem Programmieren?

Waldner: Das kann ich nicht beurteilen - und es interessiert mich auch nicht.

Die Furche: Viele kritisieren, dass die Verschleierungstaktiken im Politsprech zugenommen hätten. Ist das so - oder gab es diese rhetorischen Luftblasen schon immer?

Waldner: Ich kann nur aus einem Erfahrungszeitraum von zehn Jahren sprechen, aber ich habe nicht das Gefühl, dass es wahnsinnig schlimmer geworden ist. Es hat immer Leute gegeben, die sich auf Grund ihrer Persönlichkeit, ihres Engagements oder ihres Mutes getraut haben, Aussagen zu treffen - und später auch hinter diesen Aussagen gestanden sind. Und es hat immer andere gegeben, die wenig Lust haben, etwas preiszugeben - sei es, weil sie sich nicht festlegen wollen, sei es, weil sie sich ihre Karriere parteiintern nicht verbauen wollen.

Lackner: Die Form des politischen Interviews gibt es ja erst seit rund 35 Jahren, Bruno Kreisky hat so richtig damit angefangen. Diejenigen Politiker, die besser damit zurechtkommen, sind meistens auch die gebildeteren: Wenn der Kreisky nicht direkt auf eine Frage antworten wollte, dann hat er eben begonnen zu erzählen - "Wie ich damals Bertolt Brecht traf" oder so. Das hat die Journalisten so unterhalten, dass sie die eigentliche Antwort auf ihre Frage nach dem Krankenanstaltenzusammenarbeitsfonds gar nicht mehr hören wollten. Unter den weniger gebildeten Politikern gibt es hingegen häufig solche, die sich in die Phrase retten: Die ist ja wie ein Schutzmantel, hinter dem man sich gut verstecken kann.

Waldner: Grundsätzlich stimme ich dem zu - wobei ich auch ein wenig widersprechen muss: Ich halte nämlich Alfred Gusenbauer für einen sehr gebildeten Politiker, der sich trotzdem gern in die Phrase rettet.

Lackner: Ich sage auch nicht, dass die Bildung das einzige Kriterium ist, aber ein gebildeter Politiker hat es zumindest leichter, weil er interessant sein kann, auch wenn er nichts sagt. Dazu kommt noch, dass es für Politiker auch riskant ist, Klartext zu reden. Österreich ist ein winziges Land, in dem wenig los ist. Ein einziger Sager, der ein bisschen gegen den Strich geht, wird von unsereinem sofort aufgeblasen. Darum sind Politiker natürlich vorsichtig und werden immer vorsichtiger, wenn sie eine schlechte Erfahrung gemacht haben. Ich erinnere nur an das berühmte Hintergrundgespräch des damaligen Außenministers Wolfgang Schüssel in Brüssel mit der "richtigen Sau" ...

Die Furche: Können Sie Politiker nennen, die sich erfreulich worthülsenlos ausdrücken?

Lackner: Ein Teil des Erfolgs von Jörg Haider ist darauf zurückzuführen, dass er keine solche Phrasen-Sprache verwendet hat, sondern eine handfeste, im Diesseits handelnde. Er hat oft die größten Sauereien von sich gegeben, aber es waren Sauereien, unter denen man sich etwas vorstellen konnte.

Waldner: Richtig. Jörg Haider hat sich nie in einen Nominalstil gerettet, um zu verschleiern, er hat auch nicht geredet wie ein Fleisch gewordener Gesetzestext, sondern er redet aktiv, verwendet wenig Passiv - und die Leute verstehen das. Für uns Journalisten ist das auch angenehm, weil ein Interview mit Jörg Haider immer noch Sager liefert.

Die Furche: Gleichzeitig sind Interviewpartner wie Jörg Haider in ihrem Redeschwall schwer zu stoppen. Sogar Armin Wolf hatte Ende Juni im Rahmen einer zib2-Debatte mit Alexander van der Bellen Mühe, ihn zu bremsen ...

Waldner: Es überrascht mich sehr, dass Sie das sagen, weil ich Armin Wolf für einen hervorragenden Interviewer halte und für jemanden, der auch hervorragend intervenieren kann. Aus meiner Erfahrung lässt sich Jörg Haider sogar sehr gut unterbrechen - wie auch Andreas Khol, der meistens zu klaren Aussagen neigt. Ganz, ganz ungern unterbrechen lässt sich hingegen Wolfgang Schüssel. Wenn man den unterbricht, dann hält er nur kurz inne und redet genau dort weiter, wo man ihm ins Wort gefallen ist.

Lackner: Ich sage deshalb auch oft: Wolfgang Schüssel gibt keine Interviews, sondern er hält Reden, die zu seinem Missbehagen manchmal durch Fragen der Journalisten unterbrochen werden.

Die Furche: Sie, Frau Waldner, waren im Rahmen eines "Im Journal zu Gast"-Interviews einmal so hartnäckig, dass es zu einer nachhaltigen Verstimmung mit Schüssel gekommen sein soll ...

Waldner: Meine Güte, das liegt Jahre zurück. Im Übrigen waren wir zu zweit damals. Irgendwann ist die Stimmung dann fast gekippt - und das war's. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Furche: Karl-Heinz Grasser hat bei Ihrem ehemaligen Kollegen Harald Waiglein sogar einmal das Studio verlassen - mit den Worten "Na gut, dann lass ma das Interview ..."

Waldner: Ja, das kann passieren, auch Politiker sind Menschen und schmeißen die Nerven weg.

Lackner: Im profil der früheren Jahre war es übrigens üblich, Interviews mit wahnsinnig provokanten Fragen einzuleiten, etwa: "Herr Minister, welche tausend Teufel reiten Sie, dass Sie überhaupt noch da sitzen und nicht schon längst auf der Anklagebank?" Als ich Chefredakteur geworden bin, habe ich das abgestellt, denn auch wenn man kritischen Journalismus betreibt, muss man die Manieren wahren. Und wenn Journalisten nicht die Manieren wahren, dann haben Politiker auch das Recht zu sagen: Jetzt reicht es mir, ich geh'.

Waldner: Ich kenne auch einige junge Kollegen, die glauben, dass man kritische Fragen gegenüber Politikern am besten dadurch hervorstreicht, dass man eine ganz schlechte Atmosphäre schafft. Das führt zu keinem guten Ende - denn ein Interview ist ein Geben und Nehmen. Man kann sehr kritisch sein und trotzdem höflich bleiben. Das ist die hohe Kunst - und das bringt auch mehr: Wenn sich ein Politiker bei einem Interview wohl fühlt, dann wird er auch mehr sagen. Wenn er hingegen merkt: Hoppla, jetzt geht's darum, dass ich hingerichtet werde, dann wird er sich eher zurückhalten. Ein Interview ist also eine Gratwanderung zwischen Gute-Stimmung-Machen und trotzdem alles hinterfragen.

Die Furche: Aber kann zu viel gute Stimmung nicht auch dazu führen, dass Interviewer weniger hartnäckig nachhaken - etwa bei Gesprächen mit Alexander Van der Bellen?

Waldner: Politiker sind Menschen, und Interviewer sind auch Menschen. Natürlich finde ich manche sympathischer als andere, aber mein Job ist es, professionell mit beiden umzugehen. Ich darf mich nicht einlullen lassen von jemandem, der nett ist, genauso wenig wie ich jemanden, der mir unsympathisch ist, anders behandeln darf.

Lackner: Es geht auch gar nicht anders, denn nach einer gewissen Zeit kennt man alle Interviewpartner. Wobei ich schon glaube, dass es schwer ist, den Grünen harte Fragen zu stellen - einfach deshalb, weil sie noch nie in einer Bundesregierung waren und man ihnen schwer vorhalten kann, dies oder das verbockt zu haben.

Die Furche: Ein lohnendes Ziel für solche Vorhaltungen ist derzeit zweifellos der ögb ...

Lackner: Meine Erfahrung ist, dass es sehr schwer ist, Gewerkschafter zu interviewen. Die sprechen nämlich eine Sprache, die an das Deutsche angelehnt ist aber doch nicht deutsch ist. Wenn man hier nicht eingehört ist, kann man sich nur schwer etwas darunter vorstellen. Die verstecken sich hinter einer Verteidigungssprache - nicht nur bei der Bawag-Affäre, sondern auch bei weniger dramatischen Situationen. Vielleicht ist ja der Schock, der jetzt eingetreten ist, heilsam. Einige Interviews, die ich mit dem Herrn Hundstorfer oder dem Herrn Haberzettl gelesen habe, deuten jedenfalls darauf hin, dass die Leute nicht mehr nach jeder ansatzweise kritischen Frage sofort auf die Gremien verweisen.

Die Furche: Vorsicht scheint aber oft berechtigt: Schließlich haben Interviewer auch die Möglichkeit, ihre Gesprächspartner aufs Glatteis zu führen - wie Armin Wolf in den "Sommergesprächen" 2005, als er Heinz-Christian Strache zu einem Text auf dessen Homepage gratulierte, wissend, dass er von jemand anderem stammt ...

Lackner: Dazu muss man aber erst einmal so jemanden haben wie den Heinz-Christian Strache. Der ist schon ein Unikat...

Waldner: Ich will jedenfalls niemanden aufs Glatteis führen, ich will Personen und Positionen hinterfragen. Und dazu muss man sich wappnen und überlegen, wie ein Interviewpartner ausweichen wird. Da hilft nur Recherche, Recherche, Recherche. Man kann sich nicht für alles oder für jede Eventualität wappnen - aber für immerhin 95 Prozent.

Lackner: Zugleich müssen wir uns aber dessen bewusst sein, dass wir auch Teil der Unterhaltungsindustrie sind.

Die Furche: Intelligent unterhalten soll auch die Diskussionsreihe "Im Klartext", die Sie, Frau Waldner, ein Mal monatlich im Radiokulturhaus als "Beitrag zur Förderung der Streitkultur in Österreich" moderieren. Wie gut unterhalten Sie sich im Gegenzug beim Polittalk "Offen gesagt" im ORF-Fernsehen?

Waldner: Ich schau relativ wenig fern.

Lackner: Also ich glaube, dass diese Sendung ein bisschen unter ihrem Wert gehandelt wird. Es ist modern geworden, Offen gesagt als besonders schlecht und verunglückt zu bezeichnen, aber wenn ich auf die ard zu Sabine Christiansen schalte, dann sprüht das auch nicht vor Leben. Dagegen ist Offen gesagt oft ein wahrer Quell der Freude ...

Die Furche: Welches eigene Interview haben Sie bisher in Ihrer Karriere als Quell der Freude erlebt?

Waldner: Ich habe es zumindest als persönlichen Erfolg betrachtet, als Erich Foglar, der kurzzeitige ögb-Finanzchef, bei mir Im Journal zu Gast war. Herr Foglar ist ein sehr nüchterner Mensch, der sehr wenig spricht - eigentlich hat er die meiste Zeit auch nur geknurrt. Dass er dann am Schluss des Interviews sogar gelacht hat, habe ich als Erfolg für mich gewertet.

Lackner: Ich gehe mittlerweile an Politiker-Interviews ohne übertriebene Erwartungen heran. Da werde ich selten überrascht. Bei anderen Interviews, etwa bei den Sommergesprächen mit Nichtpolitikern für das profil, wird man hingegen oft überrascht. Die positivste Überraschung in diesem Rahmen war das Interview mit Udo Jürgens, der sich als wirklich politischer, gebildeter Mensch entpuppt hat.

Die Furche: Und welches Interview halten Sie für Ihr verpatztestes?

Lackner: Ich habe Ende der achtziger Jahre eine völlig verunglückte Pressestunde mit Erhard Busek gehabt, der damals ein kritischer Geist innerhalb der övp, aber noch nicht Parteiobmann war: Bei allem, was ich ihm bezüglich övp vorgehalten habe, hat er nur gesagt: Ja, da haben Sie Recht, ich ärgere mich auch so furchtbar! Da war ich wirklich froh, als die Stunde vorbei war.

Waldner: Mir fällt irgendwie nichts völlig Verunglücktes ein. Ich hoffe nur, dass es nicht im August zum ersten Mal passiert ...

Die Furche: Sind Sie in Ihren Fragen völlig frei?

Waldner: Ja. Wobei ich mich immer frage, warum das so erstaunlich ist. Glauben Sie wirklich, dass jemand der Ingrid Thurnher, dem Armin Wolf oder mir irgend welche Fragen vorschreibt? Nein, ich habe noch jede Frage selbst formuliert.

Das Gespräch moderierten Doris Helmberger und Otto Friedrich.

TV-TIPP:

Die von Gabi Waldner geleiteten

Sommergespräche finden ab

18. August jeweils Freitag, 21.15 und Dienstag, 21.05 auf ORF 2 statt.

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