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Schon des Jungen, zur Zeit der Abfassung des „Florian Geyer“ kaum mehr als 30jährigen Gerhart Hauptmanns spezifische Größe und Begrenzung wird an dieser „Tragödie des Bauernkrieges“ erkennbar. Groß zunächst einmal Wurf und Vorhaben: die die Gegenwart bedingende deutsche Vergangenheit vom plebejischen Standpunkt aus zu bannen und zu deuten. Goethes „Götz“ war das Werk eines genialisch Einzelnen, persönliche Gewissenstragödie und stürmischer Kulissenreißer in einem gewesen. Hier aber sollte, wie in den „Webern“, das Volk, hier sollten die „kleinen Leute“, auf deren Rücken die Herren vom Stande und von der gelehrten Theologie ihre Fehden austrugen, zu perspektivebestimmenden Haupthandelnden und Hauptleidenden werden. Und groß ist Hauptmann dort, wo er diesen kreatürlichen Mutterboden seiner Dichtung berührt: in der Erzählung der alten Frau von der sinnlosen Marter ihres Sohnes, in den Szenen der lastenden Angst, des einsamen Sterbens des Feldschreibers Löffelholz und in mancher anderen Episode (etwa auch in der leider gestrichenen des Betteljuden). Dort aber, wo er historische Zusammenhänge intellektuell einsichtig machen will, wo er monumentale Aussage versucht und dabei die Klassikernachfolge anstrebt, erreicht er bestenfalls Wildenbruch, wird er hohltönend, altertümelnd, nahezu unerträglich.

Man soll dieses Stück dennoch heute spielen. Man soll die nationalgeschichtliche Sinndeutung der für Österreich wie Deutschland gleichermaßen einen Wendepunkt markierenden gescheiterten Bauernrevolution (sie loderte zu Vöcklabruck im gleichen Jahre auf wie zu Sindelfingen) nicht nur den Marxisten überlassen und sich beim Blick auf dieses 16. Jahrhundert mit sentimentalen Abgesängen auf Karl V. zufrieden geben. Aber man muß dazu' ein geistig-erzieherisches Konzept besitzen. Heinz Hilperts Regie besaß es ebenso wenig wie Lois E g g s atmosphäreloses Bühnenbild, das wirkte, als wäre es aus dem ominösen Fundus zusammengestellt worden. Ein solches Konzept kann nicht nur im wilden Streichen des überwuchernden Textes bestehen. Man hätte den echten Hauptmann in den kreatürlichen Szenen viel farbiger, viel intensiver zur Geltung bringen müssen. Beim historischen Rahmen aber hätte man vor allem für ein Minimum an Verständnis sorgen sollen: durch rechte Profilierung und Gliederung jener Textstellen, die zur Einführung in die verwik-kelten Parteienfronten unerläßlich sind, durch übersichtliches Arrangement der ineinander verzahnten Frontgruppen, durch besonders peinliches Achten auf Wortdeutlichkeit und Zuschauerkontakt. Auch ein historischer Übersichtsartikel im Programmheft wäre dringend vonnöten gewesen (unter Umständen mit einer Zeittafel). Das alles geschah nicht, wurde vergessen, vernachlässigt, vielleicht auf Grund einer anderen, leider aber in keiner Weise erkennbaren Auffassung nicht einmal gewollt.

Ein Schauspieler wie Wilhelm Bor-c h e r t, der vor Jahr und Tag als Pri-mislaus am Volkstheater bewiesen hatte, daß er zu den heute so Seltenen gehört, die heldisch und intelligent zugleich zu sein vermögen, blieb sich selbst überlassen. Sein Florian Geyer stand in keinem wahrnehmbaren Spannungs Verhältnis zur Masse, die als Phänomen ebenfalls ungestaltet blieb. Nicht jede Schauspielerin ist eine solche Persönlichkeit wie Alma S e i d 1 e r, die keinen Regisseur braucht, um in einem einzigen Auftritt gleich ein ganzes Stück mitzuspielen; nicht jeder weiß seine Gestalt so klar zu profilieren wie Achim B e n n i n g als „Schwarmgeist“ Karlstadt. Schade um diesen Abend: Der Anlaß hätte, gerade am Burgtheater, etwas mehr an geistiger Vorbereitung, historischer Durchdringung und konzentrierter Hingabe erfordert.

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