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Ismael Kadares führt in "Die Brücke mit den drei Bögen" ins Albanien des 14. Jahrhunderts.

In Eile lege ich diese Chronik nieder, denn wir leben in düsteren Zeiten, und mehr denn je liegt die Zukunft im Finstern. Seitdem die Brücke ihnen soviel Schrecken brachte, haben Menschen und Tage sich wieder ein wenig beruhigt, doch am Horizont zieht neues Unheil auf. Es ist das Türkenreich. Schon werfen seine Minarette ihren Schatten auf uns." Eine Chronik, verfasst von einem Mönch, in einer Gegend, in der sich Düsteres zusammenbraut: Albanien, 14. Jahrhundert. Ismail Kadares (1993 auf französisch erschienener) Roman "Die Brücke mit den drei Bögen" ist jetzt als zweiter Band der geplanten deutschen Werkausgabe im Ammann Verlag (Zürich) erhältlich. Im ersten Buch Kadares, das der Ammann Verlag neu übersetzen ließ, "Der zerrissene April", ging es um die zerstörerische Tradition der Blutrache in den Bergen Albaniens. Kadare hatte dort klar konturierte Gestalten geschaffen, die - jenseits seines historischen Interesses - packend und lebendig hervortraten.

"Die Brücke mit den drei Bögen" besitzt zwar eine spannende Handlung und eine Mordgeschichte, aber keine lebendigen Figuren. Hier siegt das Interesse an der Geschichte seines Landes über den Erzähler. Alte Lebensformen prallen auf Fortschrittsgedanken. Wo seit Menschengedenken eine Fähre die Ufer eines reißenden Flusses verband, soll eine Brücke entstehen. Doch im Land der Skipetaren, so Kadare, lässt sich ein "böses Wasser" nicht zähmen, es sei denn, man bringt ihm ein Menschenopfer.

Freiwilliges Menschenopfer

Der Brückenarchitekt, Vertreter einer dem Fortschritt zugetanen Zeit, ist der dauernden Sabotageakte gegen sein Bauwerk müde und lässt das Menschenopfer zu. Freiwillig sollte es sein; in Wirklichkeit ist es ein Mord, denn den Angehörigen winkt eine ansehnliche Summe für den Geopferten, der in die Brücke eingemauert wird. Der Streit um das Blutgeld ist unausweichlich.

Während die Albaner also in ihren uralten Traditionen von Blutopfern und Balladen gefangen sind, erfährt der Ich-Erzähler, der Mönch Gjon, von einer Ungeheuerlichkeit: An der Grenze zu Albanien hat "der erste Verwünscher des türkischen Reiches" Europa verflucht. Bald darauf folgt jenes Ereignis, "das die Zeit in zwei Teile schneidet": Türkische Reiter fallen im kalten Nebel über die Brücke ins Land ein, Blut fließt: "Alle starrten auf die Stelle. Wir hatten ihre asiatischen Gewänder gesehen, ihre Musik gehört, und nun sahen wir ihr Blut ... Es war das einzige, das wie das unsere aussah."

Das Raunen der Geschichte

Ismail Kadare, der 1936 in der südalbanischen Stadt Gjirokastra geborene Schriftsteller, der seit mehr als zehn Jahren in Paris lebt, liebt das Raunen der Geschichte: Vorboten kündigen in diesem Roman Unheil an, Beschwörungen sollen es aufhalten, auch eine altertümelnde Sprache dient dem Zweck: "Die Zeiten sind finster, bald wird die Nacht anbrechen, und dann ist es zu spät, zu spät für alles. Du darfst nicht zu Asien werden, mein schönes Albanien!", lässt Kadare den Mönch am Schluss ausrufen. Kadare wurde schon oft als Rhapsode bezeichnet. Zweifellos hat ihn die Besessenheit von der Geschichte seines Landes einen unverwechselbaren Ton finden lassen. Nur macht der Ton noch keinen großen Roman.

Die Brücke mit den drei Bögen

Roman von Ismail Kadare

Aus dem Alban. von Joachim Röhm

Ammann Verlag, Zürich 2002

220 Seiten, geb., e 19,50

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