Fairness erzieht zum Frieden

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die furche: Pater Maier, wie wird man Olympiakaplan?

Pater Bernhard Maier: Das war ein Auftrag der Bischofskonferenz, zu dem ich zufällig kam, da mein Vorgänger, Kaplan Pechtl, sehr jung mit 42 Jahren gestorben ist. Das war 1981. Meine Ordensoberen haben unter der Bedingung zugestimmt, dass ich der eigenen Schule nicht verlorengehe.

die furche: Beschränkt sich Ihre Tätigkeit auf die Begleitung des Teams zu Großereignissen?

Maier: Natürlich sind die Großereignisse - Olympia und die Weltmeisterschaften - oft der Anlass zu Bekanntschaften und in der Folge zu verschiedenen Diensten geworden. Ich habe nicht gewusst, dass es zwischen den Großereignissen so viel Kontakt geben wird. Ob Taufe, Hochzeit oder Begräbnis, man trifft immer wieder einen ganzen Mannschaftsteil, auch bei vielen Feiern.

die furche: Sehen Sie im Sport das, was er immer zu sein vorgibt: eine Völker verbindende Angelegenheit?

Maier: Ja, aber mit Vorbehalt. Ich kann diese Euphorie, dass der Sport aktiv Frieden stiftend ist, nicht mitmachen. Das ist übertrieben. Ich halte mich da eher an das Zweite Vatikanum, dass der Sport Anlass ist für Frieden stiftende Begegnungen. Ich habe selbst ausführlich beschrieben, wo ich die Vor- und Nachteile sehe, worauf man sich beschränken sollte: Den sportlichen Wettkampf fair zu gestalten durch die Regel, das ist für mich die erste Friedenserziehung, damit diese Auseinandersetzung tatsächlich eine Verbindung unter den Menschen wird, nicht eine Entzweiung. Denn manchmal ist dies der Fall, das muss man ganz ehrlich sagen.

die furche: Haben auch andere Teams Geistliche mit, auch solche anderer Konfessionen und Religionen?

Maier: Es gibt nur wenige Nationen, die eigene Seelsorger mithaben, das hängt von der Beziehung zwischen Kirche und Staat beziehungsweise Kirche und Sport ab.

die furche: Die bevorstehenden Winterspiele finden im Mormonenstaat Utah statt. Bereiten Sie sich besonders auf dieses Umfeld vor?

Maier: Ja, natürlich, erstens weiß man als Lehrer von der Schule einiges, aber ich bereite mich auch noch gezielt darauf vor, weil ich ja unseren Sportlern bei einem allfälligen Gottesdienst einiges erklären möchte über die Eigenart dieser Religion. Natürlich versuche ich den Sportlern, die ich begleite, auch eine Einführung in den kulturellen und religiösen Hintergrund des jeweiligen Landes zu geben. Beim Sportler soll sich ja auch der Horizont weiten, er soll nicht nur an den Sport denken, sondern auch ein bisschen etwas anderes mitnehmen.

die furche: Wird sich das Mormonentum Ihrer Meinung nach bei den Winterspielen stark bemerkbar machen?

Maier: Nach dem, was ich von Funktionären gehört habe, die in der Vorbereitung dort waren, ganz intensiv. Ich könnte mir vorstellen, dass sie das von der Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und vom religiösen Angebot her sehr intensiv machen. Das ist mein jetziger Eindruck von der Ferne. Zum Beispiel habe ich auch gehört, dass sie mit Alkohol unheimlich zurückhaltend sind, auch in öffentlichen Restaurants kommt man - was für unsere Leute ungewöhnlich sein wird - nur schwer zu diesen Genüssen des Lebens. Ich habe den Eindruck, dass aufgrund dieser Intensität des Mormonenglaubens auch die Katholiken der Region und andere sehr intensiv arbeiten. Nie habe ich zuvor erlebt, dass per E-Mail die katholische Kirche unser ÖOC angefragt hat, ob es einen Kaplan gebe. Die haben mich dann informiert, sich mit mir in Verbindung gesetzt, gefragt, ob ich ein Auto brauche, was mir noch nie passiert ist. Sydney war super in jeder Beziehung, aber das religiöse Angebot war das bescheidenste, was ich - außer in Sarajewo - bisher erlebt habe.

die furche: Wer bezahlt Ihre Olympia-Reise?

Maier: Ich fahre auf Kosten der Bischofskonferenz und der Diözese, aber ich habe auch schon echte Unterstützung seitens des ÖOC erfahren, was Einkleidung oder Notfälle betrifft. Bischof Krenn springt als Sportbischof auch ein, wenn es im Letzten fehlt, und das Bundesministerium gibt auch immer wieder eine Subvention.

die furche: Was spielt in Ihren Gesprächen mit den Sportlern die Hauptrolle? Sportethische Fragen?

Maier: Nein, der ganz normale Alltag: Wie geht es dir? Ich versuche ja für den Gottesdienst, den ich immer vorbereite pro Gruppe, beim Training dabeizusein, mehr als beim Wettkampf. Wo die Ski gewachselt werden, stelle ich mich dazu, oder am Abend im Österreicherhaus, wo es lustig und entspannter zugeht. Da sitze ich mittendrin, also ich bin im Alltag der Leute. Und da ergibt sich vieles.

die furche: Sind Sie eher ein Anbietender, nämlich von Zeiten für Gespräche oder Gottesdienste, oder mehr ein Nachgehender, der auf Gruppen, die er noch nicht so gut kennt, zugeht?

Maier: Viel mehr nachgehend, schon auch gezielt anbietend, aber nicht aufdringlich, denn Gottesdienste anbieten kann man erst, wenn man sich halbwegs kennt, eine menschliche Beziehung hat. Man kann nicht so mit der Tür ins Haus fallen, das geht nicht. Ein ganz großer Teil der Arbeit ist es, den persönlichen Kontakt zu pflegen. Wenn man schon so lange dabei ist, ist es natürlich viel leichter als am Beginn. Die meisten Sportler kennt man, und den anderen Teil muss man möglichst schnell kennen lernen. Da sind Einkleidung und Verabschiedung in Wien wichtige Momente, dann die Flugreise, dass man möglichst schnell an die Neuen herankommt.

die furche: Man sagt, der Sport sei kommerzieller, brutaler geworden, es gehe mehr denn je um das Siegen um jeden Preis. Ein paar Hundertstel Rückstand können Verluste bei Werbeverträgen in Millionenhöhe ausmachen. Merkt man davon etwas bei Ihrer Tätigkeit?

Maier: Nein. Alle wollen ihren Sport betreiben, aufgestellt werden und die Medaille haben. Das Geld steht da nicht im Vordergrund. Meine Aufgabe ist sicher nicht primär, das kritisch zu hinterfragen, sondern die Sportler zu begleiten, bei ihrem Wettkampf zu unterstützen, mich um Verletzte und Kranke zu kümmern. Die Sportler können natürlich in meinen Büchern, die ich ihnen schicke, nachlesen, dass ich auch manches kritisch sehe.

die furche: Finden Sie, dass unerlaubte Übergriffe, etwa in Form von Doping, zunehmen?

Maier: Zunehmen sicher nicht, aber dass man es ausrotten kann, so optimistisch bin ich nicht. Die Kontrollen werden jedenfalls strenger, auch während der Trainingsphase. Dopen ist sicher nicht so einfach wie früher, es ist schon sehr, sehr riskant. Aber natürlich gibt es neue Mittel, die noch schwer nachweisbar sind.

die furche: Missbraucht die Politik nicht manchmal den Sport?

Maier: Abgesehen von einzelnen Ländern, wo das deutlich ist, eher nicht, vielleicht subtil. Ich glaube schon, dass es den Politikern aller Couleurs mehr um den Sport, die Leistungen und die Erfolge geht. Natürlich sonnt man sich auch gern in Erfolgen, aber das steht nicht primär im Vordergrund.

die furche: Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgabe?

Maier: Meine Rolle ist ganz eindeutig Seelsorger. Das wissen die alle, so präsentiere ich mich, ich bin nichts anderes, und ich versuche, Ihnen die Hilfen unseres christlichen Glaubens zu geben, während der Spiele und darüber hinaus. Und wer es nicht will, dem dränge ich mich sicher nicht auf.

die furche: Stellt man Ihnen auch häufig kritische Fragen, was die Kirche und ihre Lehren betrifft?

Maier: Eher im Gegenteil. Ich wundere mich da auch. Die Sportlergemeinde hat kein besonderes Interesse an innerkirchlichen Problemen, wirklich nicht. Diese Fragen kommen nicht. Die haben ihren Kopf und ihre ganze Kraft und Energie für ihre ohnehin sehr schwierige, oft mit hohem Risiko und hoher Anstrengung verbundene Betätigung. Natürlich gibt es das eine oder andere Kirchenkritische, aber eher das Gegenteil, dass ihnen zum Beispiel der Bischof Krenn mit seiner eindeutigen und klaren Haltung sehr gut gefällt.

die furche: Also kreisen die Gespräche mehr um Gott als um die Kirche?

Maier: Ja. Sie fühlen sich nicht unkirchlich, aber ich spüre eine gewisse natürliche Offenheit, auch aufgrund ihres riskanten Jobs, für die Dimension Gott und Glaube, Glück und Unglück, Gefahr und so weiter. Da kann ich ganz von diesem Punkt her ansetzen. Das Kirchenkritische hat da keine besondere Bedeutung. Abgesehen davon bin ich selbst eher ein kirchlicher und konservativer Mensch und Seelsorger und habe nicht übermäßig viel Verständnis für Uneinigkeit unter oder Kritik an den Bischöfen.

die furche: Kann diese Sympathie für klare Haltungen damit zusammen hängen, dass Sportler auch für ihren Bereich schätzen, dass es klare, für alle gleich geltende Regeln gibt?

Maier: Es kann schon sein, dass klare Strukturen auch in diesem Bereich ganz wichtig sind. Aber ich glaube eher, dass sie für so innerkirchliche Spompernadeln wenig Verständnis haben, wie sie auch mir oft reichlich dumm und unsolidarisch vorkommen. Echte Probleme ja, aber dieses unsolidarische Agieren, wie es oft innerkirchlich bei uns erlebbar ist, das ist für sie kein Problem, keine Frage, weil es sie nicht interessiert.

Das Gespräch führte Heiner Boberski.

Zur Person

P. Dr. Bernhard Maier, Jahrgang 1950, ist Direktor des Don-Bosco-Gymnasiums in Unterwaltersdorf/Niederösterreich. 1978 hat er seine beiden Studien (Theologie und Leibeserziehung) abgeschlossen und die Priesterweihe erhalten. Er ist außerdem staatlich geprüfter Faustball-Trainer und Verfasser von Fachwerken über Sportethik und Behindertensport.

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