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Familienrecht und Eher echt in evangelischer Sicht

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Die Neuordnung des Familienrechts, insbesondere aber des Eherechts, ist nötig. Zur Zeit noch bestehende Bestimmungen gelten als überholt. Die Lage ist eine andere geworden.

Darüber sind sich alle einig. Der Zeitpunkt scheint dem einen günstig, dem anderen nicht. In der Tat: es kommt immer darauf an, wer die Hand an der Klinke hat. Aber der Entschluß, aufzuschließen, ist nicht leicht, wenn so viel um die Aufschlüsselung gestritten wird. Man sagt, die Zeit ist noch nicht reif, und meint den subkutanen Kampf um jene seltsame künstliche Gestalt, Proporz genannt, diesen modernen Prinz Juan d’Austria. Und auch der Herr Minister, der das Verdienst hat, einem schwierigen Problem Mut gemacht zu haben, daß es ein paar Schritte in der Öffentlichkeit geht, meint nicht, was er sagt. „Nicht die Gesetze sollen das Leben, sondern das Leben soll die Gesetze bestimmen.“ (Siehe „Die Zukunft“ 1951, Seite 327.) Das klingt eher wie der Fundamentalsatz einer eben gründlich zugrunde gegangenen Vergangenheit als das rechtsphilosophische Bekenntnis einer neuen Zeit.

Es würde interessieren, was das für ein „Leben ist, nach dem sich die Gesetze richten sollen, damit das Leben der Mitlebenden und der künftigen Geschlechter wieder nach diesen Gesetzen gerichtet wird. Die evangelische Christenheit respektiert „das Leben“, aber noch mehr Gottes Gebote und die Offenbarung Gottes in Christus. Gerade darum ist sie kritisch gegen jeden schwärmerischen oder zügellos naturalistischen Begriff des Lebens und sieht sehr nüchtern die neuen Entwicklungen, sie sieht die Not auch in der Ehefrage, sie sieht das Unrecht bei den Menschen, und sie sieht es bei den Gesetzen, die sich nach den Menschen lichten. Nicht um Wünsche geht es und um Gutdünken, sondern um Grundsätze; nicht um weltanschauliche Überzeugungen, sondern um Gottes Weisungen für unser Leben in dieser Welt, denen die evangelischen Christen in der Gesetzgebung Respekt bezeugt sehen wollen.

Es scheint nützlich, einige von diesen Grundsätzen auszusprechen, um dann erst die legislativen Folgerungen zu prüfen.

Die Familie ist die kleinste Einheit, in der die natürlichen Bedingungen des Daseins und die geistlichen Gaben Gottes sich in Form der Gemeinschaft verwirklichen und vollenden. Damit ist die Familie in ein Kraftfeld gespannt, in dem Gott schaffend, richtend, vergebend und begnadigend wirkt, und in dem andererseits sich alle natürlichen Kräfte zum Schaffen des Lebens auswirken. Hier wird die Natürlichkeit des Lebens und das Leben der Natur ernst genommen. Nur ein Beispiel dafür: es ist nicht die erste Frage, wie verhindere ich die Entstehung des Lebens, wie schränke ich das Leben ein, sondern: wie gebe ich dem Leben Raum, wie gehorche ich seinen herrlichen, wunderbaren Gesetzen. Kinder werden nicht nur als eine Last, aber auch nicht bloß als eine Befriedigung väterlicher oder mütterlicher Instinkte genommen, sondern als eine Gabe Gottes. „Siehe, Kinder sind eine Gabe des Herrn.“ (Ps. 12?.)

Der „moderne“ Mensch ist fast von einer biologischen Platzangst vor dem Kind erfüllt; es ist eine schwächliche Furcht vor der Natur, die gerade bei den Kreisen überraschend wirkt, die sich eine Zeitlang viel darauf zugute taten, die Natur mehr zu verehren, als es angeblich die christliche Anschauung tat, die man für natur- und weltfeindlich ansah. Darum muß zuerst deutlich und sehr offen gesagt werden, daß der evangelische Christ die Natur und das Natürliche als Gabe und Aufgabe Gottes ansieht.

Von Zucht und Ordnung ist freilich noch besonders und in besonderem Sinne zu sprechen, da Aufgabe und Gabe Gottes gefährdet sind durch den Selbstwillen des Menschen und durch seine Neigung zu Pervertierungen.

Zunächst noch ein anderes. Die Familie ist nur die neue Zelle in einem großen Gewebe von Zellen. Gleichsam aus den Zellen der väterlichen und der mütterlichen Familien spalten sich die Geschlechtspartner ab und bilden den Raum der neuen Zelle, die sich in den Kindern zur Familie vollendet. „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden ein Fleisch sein.“ (1. Mos. 2.) Die Familie steht im Verband der Sippe, des Stammes, des Volkes.

Die Obrigkeit im Volk hat ein entscheidendes Wort als Gesetzgeber in der Tat auch zur Familie zu sagen. Sie ist freilich darum auch verantwortlich vor Gott, gleichgültig, ob sie diese Verantwortung anerkennt oder nicht. In der Demokratie liegt ja jene glückliche Staatsform vor, in der jeder einzelne Bürger, mithin erst recht jeder Christ für die Gesetze mitverantwortlich ist, die gemacht werden. Es ist wünschenswert, daß die Stimme der evangelischen Christen gehört wird; denn sie billigen dem Staate das Recht zu, Ordnungen in der Ehe- und Familienfrage gesetzlich fest- zulegen.- Der Apostel Paulus schreibt dem Staat — als Inbegriff der Obrigkeit —, ohne Rücksicht darauf, ob es ein „christlicher oder nichtchristlicher Staat ist, die hohe Aufgabe zu, „Gottes Ordnung“ in der Welt herzustellen. Darum kann die Obrigkeit auch Respekt beanspruchen, „denn sie ist Gottes Dienerin dir zugut (Röm. 13).

Aus evangelischer Sicht gibt es keine Gründe, die prinzipiell die Ehe und die Familie der Legislative und Exekutive der Obrigkeit entziehen. Darum ist für das durch biblische Weisungen geschulte Denken des evangelischen Christen die Ehe rechtlich gültig, wenn sie vor dem Standesamt als der Rechtsinstanz des Staates geschlossen wird. Zweierlei wäre evangelischerseits nur zu fordern und ent sprechend gesetzlich festzulegen: die standesamtliche Eheschließung muß eindeutig den Charakter eines Rechtsaktes tragen. Und sodann alle zur Zeit üblichen Zeremonien, die einen religiösen Charakter tragen (etwa Orgelspiel, Talare und feierliche Ansprachen), sind zu unterlassen. Der Standesbeamte darf weder als Ersatz eines christlichen Pfarrers fungieren noch als Priester einer säkularen Religion.

Gleichstellung der Frau?

Die zur Zeit vorliegenden Richtlinien für ein Gesetz über die Neuordnung des Familienrechts verrät ein deutliches Interesse: die Gleichstellung der Frau. Wohl eine juristische Spätzündung aus der Emanzipationsbewegung.

Nun, es ist der Apostel Paulus gewesen, der die „grundsätzliche“ Gleichheit von Mann und Frau äussprach, nämlich die Gleichheit vor Gott. „Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo. (Gal. 3, 28.)

Aus der Gleichheit vor Gott wurde dann später die Gleichheit vor dem Gesetz, dann die Gleichheit in der Politik und in der kulturellen Betätigung, schließlich bei jeder Arbeit, und es gibt sogar Staaten, in denen Frauen das angeblich männlichste Handwerk ausüben, nämlich Soldat zu sein. So ist allenthalben Mann und Frau gewissermaßen auswechselbar geworden, sie sind gleich; und gleiche Pflichten, gleiche Rechte. Nur in einer Beziehung sind sie nicht auswechselbar, in der Ehe. Die schöpfungsmäßige Verschiedenheit von Mann und Frau ist es gerade, die überhaupt die Ehe ermöglicht. Dieser Verschiedenheit entsprechen verschiedene Pflichten. Die Frau ist durch die Schwangerschaft gebunden, die Ernährung und Pflege des Kleinkindes liegt ihr ob. Der Mann hat andere Pflidi- ten: nach außen zu wirken und die Sicherung der Familie zu bewirken. Den verschiedenen Pflichten entsprechen verschiedene Rechte.

Wollte man also sagen: In der Ehe haben beide Ehegatten grundsätzlich gleiche Rechte und Pflichten, so würde man um einer Gleichheitsmacherei willen die Eigentümlichkeit jener Verschiedenheiten nicht mehr ernst nehmen.

Wieder hat der Apostel Paulus die Gleichheit und Verschiedenheit mit bemerkenswerter Klarsiditigkeit formuliert. Die Gleichheit besteht in dem Rechte des einen auf den anderen: die Frau hat nicht Vollmacht über ihren Leib, sondern der Mann; desgleichen hat der Mann nicht Vollmacht über seinen Leib, sondern die Frau (1. Kor. 7, 4). Klarer kann die Gleich heit des Rechte in der Ehe kaum zum Ausdruck gebracht werden. Es folgen aus dieser Gleichheit auch wechselweise gleiche Pflichten.

Nicht umkehrbar aber ist das Verhältnis von Zeugen und Gebären, darum bleibt nicht nur ein Unterschied, sondern es folgt auch eine bestimmte Ordnung. „Der Mann ist des Weibes Haupt, gleichwie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist, er ist des Leibes Heiland“ (Eph. 5, 23).

Wenn der Apostel fordert, daß die Frau dem Mann untertan ist, so setzt er hinzu „in dem Herrn“. Es handelt sich also nicht um eine sklavische Abhängigkeit, sondern um eine Ordnung auf dem neuen Lebensgrund „Christus“, in dem gerade die wirklich grundsätzliche Gleichheit gegeben ist.

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