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Fanfani betritt das Parkett der Außenpolitik

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Wie sein Vorgänger und Parteifreund Pella, ; ist der neue Außenminister entschlossen, den , Spielraum, den die periphere Lage Italiens im Süden Europas verleiht, zum Nutzen Italiens, der Nahoststaaten und Europas fruchtbar zu gestalten. Mitte Juli hatte ihm das außenpolitische Geschehen, als er noch hart um die Mehrheit in der Kammer kämpfen mußte, fast gewaltsam Stellungnahme, ja Handeln aufgezwungen. Der Staatsstreich im Irak, die Besetzung des Libanon und Jordaniens durch die Angloamerikaner, die aufflackernde Kriegsgefahr, die Italien aus der nächsten Nähe zu bedrohen schien — und die jäh im Abgeordnetenhaus, zumal bei der äußersten Linken, in den Mittelpunkt der Debatte rückende naive Forderung an Fanfani, er möge als Außenminister „nach dem Rechten“ sehen, womöglich das „Unheil für Italien abwenden“, verlangten Entschlußkraft, vor allem äußerstes Geschick. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, da Fanfani noch nicht das Vertrauensvotum der Kammer erhalten hatte. Dort war zudem die eigentliche Debatte, die das Regierungsprogramm, also die Zukunft, betraf, in die heie kriegsdrohende Gegenwart übergesprungen.

In jenen hochsommerlichen und gewitterschwülen Tagen wagte kein Wahrsager, kein Hellseher dem Kabinett Fanfani den Sieg zu prophezeien. Fanfani aber blieb auch in der Kammer Sieger und, was vorher selten geschehen war, die Glückwünsche kamen aus aller Welt. Die führenden Politiker aus Amerika und Europa, voran Eisenhower, MacMillan, Adenauer und De Gaulle, spendeten dem jungen Regierungschef und Außenminister spontanes Lob und Beifall.

In der ihm scheinbar „fremden“ Außenpolitik hat der Professor der Wirtschaftsgeschichte, der schon vor fast einem Jahrzehnt sein Können als Landwirtschaftsminister, Arbeitsminister und Innenminister gezeigt hatte, seine erste Bewährungsprobe bestanden. Kaum jemand, weder unter seinen intimen Freunden noch unter den ihn ringsum dicht bedrängenden Gegnern hatte ihm eine so klare Gesamtkonzeption der außenpolitischen Probleme zugetraut, wie er sie vor und nach seiner Amerikareise offenbarte.

Vielleicht bedarf es nicht einmal des dem neuen Mann von der ihm nahestehenden Presse bekundeten Ueberschwanges, um seine realpolitische Schau der gegenwärtig aktuellen Nahostprobleme zu begreifen und sie, natürlich in der für Italien notwendigen Selbstbeschränkung, zu rechtfertigen. In weiser Maßhaltung hat sie der mit Anerkennung nicht sparende Mailänder „Corriere della Sera“ in einem Leitartikel hervorgehoben, in dem er eine historische Parallele wachruft, nämlich die Zeit vor mehr als genau hundert Jahren, da der wagemutigste Staatsmann Piemonts, Camillo Cavour, sein kleines Land am Krim-Feldzug gegen Rußland teilnehmen ließ. Damals erfocht das kleine Piemont an der Seite der europäischen Großmächte den Sieg über das Zarenreich und erkämpfte damit den Weg zur italienischen Einheit. Als Cavour in der subalpinen Kammer in Turin den unpopulären Feldzug rechtfertigte, da sagte er: „Italien ist am Gleichgewicht im Mittelmeer interessiert. Italien könnte es nicht ertragen, wenn Rußland das Schwarze Meer beherrschte...“ Heute, wo gewagte Abenteuer verpönt, ja ausgeschlossen sind, will Italien mit friedlichen Waffen eine alte Tradition, die Freundschaftsbeziehungen mit der Arabischen Welt, zu erneuern suchen und nimmt wie damals die Hilfe der Größeren an, zumal jene, so wird betont, des befreundeten Deutschland, das wie Italien von kolonialistischem Drang befreit ist und in Nahost die gleichen Sympathien genießt.

Diese Gedankengänge hat Fanfani anläßlich seiner Amerikareise in einem Interview, das er dem römischen Korrespondenten der „Washington Post“ gab, bekräftigt. Mit Freimut bekennt er, daß er die amerikanische und englische Aktion bestenfalls als eine vorbeugende Maßnahme ansieht, aber nicht als ein Heilmittel, das einen gefährlichen Krankheitsherd austilgen

Das Interview zeigt sodann, daß sich Fanfani bei den Washingtoner Besprechungen auf der seit Jahresfrist von seinem Vorgänger Pella be-schrittenen Linie weiterbewegt. Nur tut er dies kraft Anlage und Temperament zielbewußter und dezidierter. Sein politisches Wollen ist mit der in Washington gemachten lapidaren Feststellung umschrieben: „Italien nimmt vermöge seiner geographischen Lage im Mittelmeerbecken mehr als früher eine Frontstellung gegen das von den Randstaaten in Nordafrika und von den Nahostländern vordringende Russentum ein, besonders jetzt, da diese Länder dem ständigen massiven sowjetischen Druck ausgesetzt sind.“ m nv- s inunW

Diese Stellung wird nun, wie auch die Außenhandelszahlen zeigen, mehr und mehr ökonomisch unterbaut. Neben vielem anderem veranschaulichen dies die wachsenden staatlichen italienischen Beteiligungen an der Erdölförderung in Iran und Marokko.

In den gleichen Zusammenhang gehört der hier oft erörterte Pella-Plan, der nicht unerhebliche, von den Vereinigten Staaten im Grundsatz schon bewilligte Kapitalien für die durchweg unterentwickelten Gebiete einsetzen will. Die problematische sowjetrussische Unterstützung, die sich bislang fast nur nach der militärischen, aber nicht nach der wirtschaftlichen Seite hin äußerte, wird damit überflüssig.

Im Augenblick, da die Nahostkrise noch auf dem Höhepunkt steht, wäre jedes Urteil über solche Planungen verfrüht.

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