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Abwechslungsreich und pointiert ist Christopher Clarks Geschichte Preußens.

Das Zündnadelgewehr: Die Preußen hatten es, die Österreicher nicht, als beide Staaten im Jahr 1866 um die Herrschaft in Deutschland kämpften und bei Königgrätz die Entscheidung fiel. Das Zündnadelgewehr erhöhte die Feuerkraft der preußischen Infanterie um ein Mehrfaches im Vergleich zu den Österreichern, die noch auf Vorderlader-Gewehre setzten. Sein Einsatz war damit kriegsentscheidend, wenn auch nicht der einzige Grund für den Sieg der "Piefkes", wie Christopher Clark in seiner Geschichte Preußens darlegt. Die Bedienung des Zündnadelgewehrs erforderte besonderes Training. Die Soldaten mussten über ihre Schießübungen selbst Buch führen, was ohne solide Volksschulbildung nicht möglich war: So kam das fortschrittliche Schulsystem Preußens Militarismus zugute.

Man muss wohl in Australien geboren sein, um so unbefangen wie Clark über Preußen schreiben zu können, ohne in Dämonisierung oder Idealisierung zu verfallen. Und man muss wohl, wie der in Cambridge lehrende Clark, ein anglophoner Historiker sein, um ein derart brillantes Geschichtsbuch zu schreiben, das den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.

Das Fesselnde an Clarks Buch kommt daher, dass er seinen Gegenstand wirklich als historischen behandelt. Preußen ist vor nunmehr sechzig Jahren untergegangen, es wurde 1947 aufgelöst durch die Alliierten, die in ihm die Wurzel allen deutschen Übels sahen. Für Clark jedoch begann das Ende bereits 1871, als das preußische Königreich im Deutschen Reich unterging. Aus seiner Sicht waren die letzten echten Preußen die SPD-Politiker um Otto Braun, die aus dem Hohenzollern-Staat das demokratische Bollwerk der Weimarer Republik machten. Bis sie 1932 im so genannten "Preußenschlag" von den konservativen Steigbügelhaltern der Nazis aus dem Amt vertrieben wurden.

Das demokratische Preußen der Zwanziger Jahre erscheint bei Clark als Spätsommer der preußischen Geschichte. Der Großteil seines Buches ist den zweihundert prägenden Jahren zwischen dem Großen Kurfürsten und Bismarck gewidmet. Nach dem Dreißigjährigen Krieg stieg die Mark Brandenburg wider alle geopolitische Logik zur europäischen Mittelmacht auf und konnte schließlich die Habsburger aus ihrer Führungsrolle in Deutschland verdrängen. Das Geheimnis dieses Aufstiegs lag, wenn man Clark folgt, nicht zuletzt in einem hohen Grad an politischer Partizipation begründet.

Neben sprachlicher Eleganz und zügigem Erzähltempo ist es vor allem die perfekte Komposition, die dieses Buch so ansprechend macht. Auf gestochen scharfe Herrscherporträts folgen Analysen hohenzollerscher Konfessionspolitik, an die sich ein Panorama bäuerlicher und bürgerlicher Lebenswelten anschließt, gefolgt wiederum von Abrissen zur Bildungsgeschichte in den geistigen Zentren Halle, Berlin und Königsberg. Neben die Würdigung der vitalen jüdischen Kultur - wobei Clark die Grenzen preußischer Toleranz nicht unterschlägt - treten detaillierte Schilderungen einzelner Schlachten, soweit sie, wie etwa Fehrbellin, Jena/Auerstedt oder eben Königgrätz, den Gang der preußischen Geschichte mitbestimmt haben. Daraus entsteht eine ebenso abwechslungsreiche wie pointierte Darstellung, deren Lektüre Vergnügen bereitet - auch wenn man alles andere als prussophil eingestellt ist.

Preußen

Aufstieg und Niedergang 1600-1947 Von Christopher Clark

Deutsche Verlags Anstalt, München 2007. 896 Seiten, geb., € 41,10

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