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Festspiel-Nadiklang

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Salzburgs letzte Festspielwoche brachte noch zwei Orthesterkonzerte auf den Plan, die beide von den Wiener Philharmonikern musiziert wurden: Das erste der beiden war im Großen Haus Bruckners V. Symphonie gewidmet. Herbert von Karajan gestaltete sie mit dem zumal im Streicherchorus beste Disposition nachweisenden Orchester klar und schlank in Klang und Diktion und schwelgte im Kontrast von fast impressionistischer Durchsichtigkeit zu beinah barbarischer, Bartökscher Härte im Rhythmus. Im ländlerhaften Trio des dritten Satzes wies er nach, daß dessen höfisch-zeremonielle Ausformung wohl nicht die Folge seiner Bindung ans Orchestra de Paris ist doch vermutlich eine Neigung (und nicht die erste erkennbare), sich dem Französischen zu verschreiben.

Der Jubel nach der intensiven und zugleich feingeschliffenen Wiedergabe, die an die Stelle der heftigen Gemütsbewegung die überlegte Klangregie gesetzt hatte, wollte kein Ende nehmen. Auch das den Maestro nicht lückenlos liebende Wiener Orchester nahm am Beifall für Karajan teil und wurde seinerseits von ihm bedankt. Ein großer Karajan-Abend — der einzige dieser Fastspiele — und kein kleiner für Bruckner. Was am schwersten wiegt. Im zweiten Konzert, das der Festspiele letztes war, trat nach mehr als anderthalb Jahrzehnten wieder einmal Joseph Krips in Salzburg in Er scheinung: Bei einer Philharmonischen Matinee der Stiftung Mozarteum, die immer wieder vom Festspieldirektorium vernachlässigten Dirigenten den Weg nach Salzburg ebnet. Krips, ob seines unmanierierten, impulsgeladenen Mozart-Musi- zierens in aller Welt geschätzt errang den erwarteten Erfolg mit einem Mozart-Programm, zu dessen Höhepunkt (auch in der Wiedergabe) die „Jupiter-Symphonie" wurde. Ohne Groll nachzutragen, wäre eine Serie guter Liederabende, von denen die van Peter Sdireier und Christa Ludwig durch Konzentration auf einen Komponisten (Beethoven beziehungsweise Schumann) den Vorzug der Geschlossenheit und somit schon vom Programm her festspiel haften Charakter hatten, indes Walter Berry seine Brahms-Schumann- Folge durch kluge Differenzierung nicht bloß im Gesanglichen zum Gewinn machte. — Nicolai Gedda führte seine strahlende Tenorstimme Lieder des Nordens entlang an sieben Komponisten vorbei spazieren, und Anneliese Rothenberger stand, ihr eigener Charme, eine etwas veräußerlichende Liebenswürdigkeit, im Wege.

Personell gut bestückt die Solistenkonzerte, am besten das mit Mstislav Rostropovitch, dem russischen Meistercellisten. Aber auch drei der vier Pianisten konnten sich hören lassen, etwa in der Reihenfolge Firkusny, Gilels, Magaloff und Bruno Leonard Gelber.

Gleichfalls hören lassen konnten sich der DGG-Direktor Janzen mit einer Glückwunschrede und der flotte Fünfundsiebziger Karl Böhm mit seiner Dankesantwort, die außer sehr viel Öffentlichkeit auch der Familienkreis im Pausensaal des Festspielhauses auf nahm: Gattin

Thea, Sohn Karlheinz mit Schwiegertochter, dazwischen — oder flankierend — Paumgartner und Karajan, der Böhm einen „Missa- solemmis“-Autograph geschenkt hatte, mit der persönlichen Widmung des Beethoven-Textes: „Von Herzen

— möge es zu Herzen gehen.“

Der gerührte Jurist stimmte daraufhin leider nicht den Chorus „Diesen Kuß der ganzen Welt“ an, doch die Freude, der schöne Götterfunke, leuchtete ihm aus dem Auge, und sehr bewegt umarmte er Karajan vor der Gratulationscour- Gemeinde, küßte ihn auf beide Wangen und war, so schien es, voll der guten Hoffnung auf eine gedeihlichere Zusammenarbeit in der Zukunft. Zu wünschen wäre es.

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