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Feuerprobe in der Zeit

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Missionswerk umfaßt eine soziale, psychologische und konfessionelle Aufgabe. Der Mensch einer anderen Kulturgruppe, einer unterentwickelten, rückständigen Zivilisation, soll einer modernen Gemeinschaft als nützliches Glied zugeführt werden, bewußt seiner Menschenrechte, befreit von Hemmungen, Minderwertigkeitskomplexen und dunklem Aberglauben, geläutert und gestärkt. Verständnis und Aufgeschlossenheit sind die Voraussetzungen, die ein Gelingen der Missionsarbeit verbürgen. Der Abbe de D u b o i s, Verfasser eines einmaligen Werkes über die Sitten und Gebräuche der Hindu, darf als der erste katholische Missionär angesehen werden, der das Studium des Volks- und Brauchtums eines Stammes beziehungsweise Volkes oder einer konfessionellen Einheit als Voraussetzung für die Uebermittlung der Lehre Christi angesehen hat. Wer einen Glauben entthront, muß imstande sein, Licht zu spenden. Genaues Studium der Seele, des Wesens und Charakters eines Volksstammes allein ermöglicht es, dieses Licht zu entsenden.

Die erste Reaktion der Ureinwohner Australiens, der „A b o r i g i n e e s“ oder „Austra-10 i d s“, auf die religiöse Belehrung war Mißtrauen — oder Gleichgültigkeit. Eine gewisse angeborene Schlauheit ließ den der Mission Eingegliederten erkennen, daß scheinbare Annahme der neuen Lehre in vielen Fällen zu materiellen Erfolgen führte: Bekleidung, Ernährung, Ausbildung und Stellenvermittlung durch die Priester. Nur zu oft besuchte der Eingeborene die hl. Messe, um im Stillen seinem Totem zu opfern: der Gott des weißen Mannes, dessen Grausamkeit noch unvergessen in der Erinnerung lebte, war tot. Nur mählich gelang es den Eingeborenen wirklich zu überzeugen: durch Tatchristentum und nach Erkenntnis seiner Eigenart, die auch die Tür zu seinem Herzen öffnete.

Eine“ der faszinierendsten Eigenheiten dieses nomadenhaften Stammes sind seine Riten, die symbolischen Tänze, die dekorative Körper-bemalung, Höhen- und Felsverzierung. Alle diese Faktoren bestätigen die reiche imaginäre Kraft des Stammes. Verblüffend ist die allgemeine geometrische Begabung der Aborigi-nees, während in den Schulen ein gänzlicher Mangel arithmetischer Fähigkeiten der Schüler auffällt; stark entwickelt sind die künstlerischen Neigungen, die musikalische Inklination, die sich mehr im Rhythmischen als Harmonischem ausprägt. Charakterlich gilt der australische Eingeborene als passiv, Rebellion ist seinem Wesen fremd, sein Selbsterhaltungstrieb ist unterentwickelt — bei primitiven Völkern eine geradezu sensationelle Entdeckung. (Es ist wiederholt vorgekommen, daß kleinere Gruppen von Eingeborenen in der wasserlosen Sandwüstc ein Lager aufschlugen, um zu sterben, ohne vorher Versuche zu unternehmen, mit dem nächstliegenden Dorf in Verbindung zu kommen.) Wenn zufällig aufgestöbert und gestärkt, setzten die so Geretteten, wortlos und sehicksalsergeben stimmen

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Blätterstimmen, die wir in dieser Stelle zur Beatteilung unseret Stellung im Ausland veröffentlichen, stellen nicht die Meinung der Redaktion dar, sondern dienen lediglich zur Information unseret teser.

„Die Oesterreichische Furche

„Die Kultur“ (Stuttgart), 25. März 1953

Der jmh.-Mitarbeiter des Blattes begrüßt die Neuerung in den österreichischen Schulzeugnissen, an Stelle von „Unterrichtssprache“ neuerdings .deutsche Unterrichtssprache“ zu schreiben und folgert daraus:

„Es wird viele diesseits der rotweißroten Landesgrenzen geben, die von diesem Wortspiel nichts wußten, und doch hat die Rückkehr zur richtigen Wortwahl als Gesinnungswandel europäische Bedeutung. Deutsch hieß nur in der braundeutschen Vokabulatur .Großdeutsch'. Denn wenn man auch heute noch in Wien etwas verächtlich von ,Reichsdeutsch' spricht, so hat diese kleine Reminiszenz nicht mehr die alte Schärte____ Wir sprechen die gleiche Sprache, und es ist eine Tragik, daß der Turmbau des hi tierischen Babel dem biblischen Vorbild 1945 noch weitere Sprachverwirrungen zugesellt hat. Es geht hier und heute nicht um ein politisches großdeutsches Gebilde. Wir sind längst weiter auf dem Schritt zu Europa und einem geeinten Abendland gegangen. Aber es geht darum, daß sich nahestehende Völker nicht mehr voneinander isolieren und sich hinter Sprachgrenzen verschanzen. Daß Oesterreich 1945 als „befreites Land“ von Deutschland abrückte, ist verständlich. Im Chaos sucht jeder sein nacktes Leben zu retten. Bedauerlich aber bleibt, daß auch heute noch die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern gewaltsam gedrosselt werden, sobald es sich um geistige Brücken handelt. Bücher und Zeitschriften gleicher Sprache können nur in kleinsten Mengen die Zollschranken passieren. Jeder nach Wien gerichtete Brief liegt lagelang auf den Schreibtischen der Zensoren und braucht daher oll länger als Schiffspost aus Uebersee. Aber Oesterreich selbst stellt keinen Metternich mit modernem Zensurstempel, sondern die Alliierten. Birgt ein engerer Kontakt Deutschland—Oesterreich Geiahren in sich? Würde es noch einmal zu einem Braunauer Machtanspruch kommen? Sollte Oesterreich Angst vor einer dritten „Befreiung“ haben? — Oesterreicher und Deutsche verneinen dies. Warum aber vermeiden alle ängstlich dieses Thema, warum wird gerade von deutscher Seite kulturell so wenig iür ein geistiges Ergänzen getan? Warum war die Initiative zu Zweiländergesprächen bisher mehr auf Wiener Seite? Das kleine Wort „Deutsch“ in den österreichischen Schulzeugnissen, das der Verleugnung der Muttersprache ein Ende setzt, könnte der Aniang eines Programms sein: Es gleicht einer ausgestreckten Hand. Wünschen wir uns, daß niemand diese Geste mißversteht.

ihren Trott auf demselben wasscrlosen Wüstenpfad fort.

Arbeit schien ein unbekannter Begriff zu sein. Den früheren Missionären wurde es schwer, dem Eingeborenen den Segen der Arbeit verständlich zu machen. Ersr, als die Früchte der missionsbewirtschafteten Gemüse- und Obstgärten sichtbar und genießbar wurden, war der Eingeborene willig, selbst mit Hand anzulegen. Aehnlich war seine Einstellung dem Glauben gegenüber. Erhörtes Gebet — handelte es sich um einen lieben Angehörigen in Lebensgefahr — wirkte Wunder, wehe jedoch, wenn der, um dessen Genesung man flehte, nicht zur Gemeinschaft der Lebenden zurückfinden wollte. Haß und tränenvolle Augen wandten sich gegen das Kreuz. Dem primitiven Menschen ist das höchste Ethos des Christentums, das im freudigen Verzicht liegt, schwer zugänglich.

In den 20 katholischen Missionen Australiens wurde anerkannterweise Großes geleistet, und wenn der Weg auch noch weit ist, so ist es doch erstaunlich, wie viele gläubige Katholiken heute unter den Eingeborenen zu finden sind.

Der Staat Queensland verfügt über zwei Missionszentren. „Palm Island“, von einem Priester und vier Schwestern betreut, ermöglicht eingeborenen Kindern katholischen Schulunterricht, der Gesamtbevölkerung Messebesuch und Sakramentempfang, während „Fantome Island“ ein staatliches Isolationszentrum für Aussätzige ist, das die Kirche in selbstloser Weise betreut. Ein Priester und acht Schwestern nehmen sich der etwa 50 Kranken an.

In New South Wales ist „Wilcannia“ da$ Zentrum katholischer Mission, während in „Bowraville und „Yass“ das Missionswerk erst im Wachsen begriffen ist. Nordaustraliens bedeutendste Mission befindet sich in Bathurst Island. Eine vollständige Siedlung mit Kirche, Schule, Ausbildungskurs und Berufsfachschule, Spitälern und Eingeborenenquartieren unterliegt der Aufsicht und Fürsorge der erstaunlich kleinen Gruppe eines Priesters, dreier Ordensbrüder und vier Schwestern. Die Schule allein wird von 127 eingeborenen Kindern besucht, großer Popularität erfreuen sich außerdem die Trainingskurse. Die Mission in „Melville Island“, ähnlich großzügig angelegt, nimmt sich der Mischlinge an, deren soziale Stellung besonders traurig ist und stets von neuem angegriffen wird. „Port Keats“, eine kleinere, aber trotzdem selbständige Mission, nimmt sich der Stämme dieses speziellen Gebietes an und führt die Eingeborenen mit Erfolg unter fachkundiger Aufsicht und Anleitung in die moderne Agrikultur ein. Die Schule wird von 80 Aboriginees besucht. In den Channel Islands finden wir eine andere, staatlich finanzierte, von katholischen Ordensschwestern betreute Station für Aussätzige. „Arltunga“ ist eine verhältnismäßig neue Mission, die, so hofft man, sich bald entfalten wird. Die Aruntastämme, als hochkultivierte, künstlerisch veranlagte Eingeborene bekannt, sollen von hier aus betreut werden. Bereits 64 Kinder besuchen die Schule; die guten Ackergründe und Viehweiden ermöglichen rasche Entwicklung der Mission und geben den Eingeborenen die Möglichkeit, ihr Handwerk zu lernen.

Besonders in Westaustralien gewinnt das Missionswerk immer größere Verbreitung. „Drysdale Rivers“, im östlichen Kimberley: zählt zu den ältesten katholischen Eingebo-renenmissionen Australiens. „Beagle Bay“, gegründet 1890, ist heute der Sitz des Bischofs des Kimberleyterrito-riums. Die Schule dieser Mission wird zur Zeit von 78 Kindern besucht, während die in der Nachbarschaft lebenden Eingeborenenfamilien ihre heranwachsenden Söhne und Töchter der Handels- oder Haushaltungsschule der Mission zuführen. Hier wurden die ersten Versuche unternommen, eingeborene Mädchen religiösen Orden einzugliedern, die aber scheiterten. Monsignor Thomas vertritt die Meinung, daß es nicht Mangel an religiöser Bindung ist, die das Ordensleben für die Aboriginees erschwert, sondern die naturgemäße Abneigung dieser Rasse für ein asketisches, streng diszipliniertes Leben. Broo-rn e ist im engeren Sinn des Wortes keine Mission, sondern ein tatkräftig von Ordensbrüdern und Schwestern betreutes Dorf, mit vorwiegender eingeborener und Mischlingsbevölkerung. Pater Worms, einer der hervorragendsten Kenner der Sitten, Gebräuche und Dialekte der Aboriginees, lebt in diesem Dorf. Von Anthropologen und Philologen wird Pater Worms heute als maßgebende Autorität auf dem Gebiet der Australoidfor-schung angesehen. Ein Experiment wurde in „Balgo“ unternommen, in einem bisher unbe-siedelten Landstreifen, nahe der westaustrali sehen Grenze. Man versuchte hier eine Eingeborenenmission aufzubauen, zehn harte Jahre sind seit der Grundsteinlegung ver gangen, eine kleine Schule wurde kürzlich er-

öffnet, die heute von 12 Kindern besucht wird... der Weg ist weit und hart. Derby das bedeutendste Leprosarium des Commonwealth, wird auch von katholischen Ordensschwestern betreut, in „Lombadina“ finden wir eine selbständige Mission, 50 Meilen nördlich von „Beagle Bay“, jedoch unbedeutender als die erstbeschriebene. Mit „White Springs“ erwarb die Kirche einen für Missionszwecke ideal geeigneten Landbesitz. Der Ausbau von Colleges und Fachschulen für die eingeborene Jugend wurde erst kürzlich in Angriff genommen, Vorläufig kann daher von effektiver Arbeit kaum die Rede sein. Nur 20 Kinder befinden sich gegenwärtig unter der Obhut der drei stationierten Schwestern.

Den größten Erfolg kann das katholische Missionswerk bisher in „T a r d u n“ verbuchen, wo man eine Heimschule und eine Faschschule für die eingeborene Jugend erbaute. Dieses Projekt wurde 1947 eröffnet, westlich von Geraldton. Die Aboriginees, die in diesen Landstrichen wie ihre Vorväter von Ort zu Ort wanderten, verfielen den negativen Verlockungen der weißen „Kultur“, das „Feuerwasser des bleichen Mannes“ trieb manchen Familienvater in den Abgrund, viele der jungen Mädchen und Frauen verfielen der Prostitution. Die Kirche sah sich kaum in der Lage, hier helfend einzugreifen; man konnte nur versuchen, die Kinder diesen düsteren Familienverhältnissen zu entreißen und in einer geistig und körperlich reinen Atmosphäre zu erziehen. Der Versuch wurde von vollem Erfolg gekrönt. 78 gesunde, frohe und dankbare Buben und Mädchen tummeln sich heute auf den herrlich angelegten Spiel-und Sportplätzen der Mission, füllen die hellen, sonnen- und lichtdurchfluteten Klassenzimmer mit ihren Stimmen und garantieren eine bessere Zukunft der kommenden Generation von Aboriginees.

Schließlich sei noch die „Wandering River Mission“ erwähnt, der hauptsächlich die elementare Erziehung und Schulbildung der zahlreichen Analphabeten unter den Eingeborenen sowie die Ausbildung der Kinder am Herzen liegt. Moderne, großzügig angelegte Schul- und Missionsbauten zeichnen das erst im Jahre 1944 eröffnete Projekt aus, das seit kurzem auch die manuelle Berufsausbildung (Tischlerei, Buchbinderei usw.) für Burschen in Angriff nimmt. 50 Kinder besuchen zur Zeit die von Ordensschwestern und Brüdern betreute Volksschule.

Diese nüchterne Aufzählung von Tatsachen (das statistische Material wurde mir von Monsignore Thomas zur Verfügung gestellt), dürfte die Schwierigkeiten andeuten, mit denen die Kirche hier zu kämpfen hat. Trotzdem geht es vorwärts. Es ist eine harte, tägliche Bewährung, was hier geleistet wird, eine Feuerprobe echten, wahren Christentums.

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