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Figaro im Original Nestroy auf slowakisch

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Georg Brandes nennt Beaumarchais den geistigen Erben Voltaires, er sei „in höherem Sinn sein einziger Sohn”. Dieser Pariser, der Voltaires Werke in siebzig Bänden herausgab und dadurch vom Millionär zum armen Mann wurde, ist eine der facettenreichsten Persönlichkeiten nicht nur unter den Literaten. Die Gestalt des Figaro in der Komödie „Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit”, die derzeit im Burgtheater gegeben wird, ist in Andeutungen er selbst.

Goethe sagt von diesem Stück, daß die Situationen, die aus solchen gutmütigen, edlen Zwecken dienenden Schalks- und Halbschelmenstreichen entspringen, für das Theater von größtem Wert seien. Das hat nicht nur Mozarts Oper bei entsprechend verändertem Text bewiesen, sondern, auch das Stück in der Urfassung, das immer wieder eine starke Wirkung ausübt. Allerdings kommen in der Oper die „edlen Zwecke”, der Angriff gegen die Bevorrechteten, nicht in gleichem Maß heraus wie beim Original.

Schon La Bruyėre hatte allerhand Salziges über die großen Herren geschrieben, aber er war immerhin ein hoher Beamter und einige Zeit Erzieher eines Prinzen. Doch Beaumarchais setzt Figaro, einen Lakaien, dafür ein, sich gegen Mißbräuche, gegen die Übergriffe der Zensur, gegen die Unfreiheit der Meinungsäußerung, gegen die Erniedrigung durch die Herrschenden zu wenden. In dem berühmten Monolog des Schlußaktes ist das Grollen der Revolution schon deutlich zu hören.

Es gibt da Grundgescheites, manches, das als Forderung Dauergel- tunig besitzt. Aber das scharf Gesell- eohaftskritische, der Zündstoff ‘ ist nur noch in totalitären Staaten brisant, dort aber wird man sich hüten, dieses Stück zu spielen, sofern der Parteizensor bemerkt, wie sehr sich die Übergriffe der Allzumächtigen in allen Zeiten gleichen. Doch das Spitze und Stachlige ist in eine sehr reizvolle Rokokgkomödie eingebaut, Liebenswürdigkeit und Charme kennzeichnen sie, in jeder Szene ist die leichte Hand des Autorg zu spüren.

Der Wiener Regisseur Gerhard Klingenberg, der nach Auslandserfolgen heimgekehrt ist, treibt berechtigt nicht das Gesellschaftskritische hervor, da es für uns an Schärfe verloren hat, er verzichtet aber leider auch auf die Beschwingtheit der Rokokokomödie, so entsteht etwas Drittes, ein Schauspiel. Zwar gibt es immer wieder Tempo, aber das Sprühende fehlt. Die Bühnenbilder von Rudolf Heinrich verstärken den Eindruck der Schwere, statt ihn aufzulocikem. Heinz Reineke wirkt als Figaro wendig, schlagkräftig, geistig überlegen, seine knarrende Stimme stört. Inge Konradi hat das witzig Temperamentvolle der Susanne, das Moussierende fehlt. Klaus Jürgen Wus- sow glaubt man als Graf die sinnliche Begier, Sonja Sutter ist ganz die reizvolle Gräfin, die den von ihr geliebten Gatten nicht zu fesseln weiß. Jugendlich stürmische Leidenschaft, doch ohne Charme, zeigt Joachim Bissmeier.

Der Teurelspakt ist ein altes Motiv der Dichtung. Glaubt einer aber irrtümlich, er sei solch einen Pakt eingegangen, so Wird das der Vor-, wurf für eine Komödie. Zwei französische Autoren haben sie im Jahre 1831 geschrieben, Nestroy benützte dieses Stjick, veränderte vieles, so entstand achtzehn Jahre später seine Posse „Höllenangst”, die vom Slowakischen Nationaltheater, Preßburg, im Volkstheater vorgeführt wurde.

Allerdings ist der Glaube an den Teufel als reale Erscheinung in dem französischen Stück, bei einem Soldaten zur Zeit Richelieus, glaubhaft, aber nicht recht bei dem Schusrter- sohn Wendelin im Vormärz, in dem diese Posse spielt. Aber Nestroys szenische Brisanz erdrückt den Einwand, ja, die Furcht eines, der gar nichts zu fürchten hat, weil er den vermeintlichen Teufelspakt nicht einging, weil der Oberrichter von Thurminig nicht der Teufel ist, weil Satan höchstselbst keineswegs via Fensterbrüstung in Erscheinung tritt, wirkt nun dreifach komisch. Wendelins Unsicherheit betreffs des Pakts steigert den Spaß: Wegen der dräuenden Höllenangst ist er im Glück unglücklich, im Unglück aber glücklich, da es ihm beweist, daß die Teufelspranke nicht nach ihm gegriffen hat.

Die Slowaken erbringen ebenso, wie schon die Tschechen vor einem Monat, den Beweis, daß sich Nestroys Stücke auch in anderen Sprachen spielen lassen, was vordem bezweifelt wurde. Wenn es zwar dem Übersetzer und Bearbeiter Dr. Jan Boor begreiflicherweise nicht gelang, die Couplets zu übertragen, so kommt doch die scharf facettierte Lebensphilosophie Nestroys im Widereinander der Dialoge auch in der Fremdsprache zu starker Wirkung. Karol Zachar bietet als Regisseur eine komödiantisch b4scnwlfigte Aufführung. Die Bühnenaufbauten von Vladimir Sucha- nek sind ausschließlich in gebrochenem Weiß gehalten, wodurch sich ein nobler Eindruck ergibt. Dazu wurden die Kostüme von Zachar in hellen Farben gut abgestimmt. Voll Spieltemperament stellt Oldrich Hla- vacek die Nestroy-Rolle des Wendelin dar, Jozef Kroner gibt dem Schuster Pfriem härter konturierte Komik als wohl einst Wenzel Scholz. Melodiöses aus dem neunzehnten Jahrhundert setzt Tibor Andrasovan für die Musik ein.

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