Flatterzunge eines Angelus

Werbung
Werbung
Werbung

Dominik Steiger beschreitet in seiner surrealistischen Prosa ungewöhnliche Wege.

Dominik Steigers Prosa ist konsequent – bis hin zur Aufmachung. Denn auch das spartanisch anmutende Cover führt gleich mitten hinein in seinen Text. Wer einen Klappentext erwartet oder Daten zum Autor, wird dies vergeblich suchen. Nur auf der Rückseite des Buches findet man als einziges Zugeständnis an die sonstige Reduktion den Schatten eines Blumenstraußes auf blauem Hintergrund.

Es ist bekannt, dass Steiger nicht nur schreibt. Er ist auch Maler, Zeichner, Bildhauer und Musiker. Ein Universalkünstler also, der schon früh Kontakt zur Wiener Gruppe und zum Aktionismus gehabt hat und dessen Kunst in diesen Traditionen wurzelt. Die künstlerische Haltung ist in gewisser Weise auch die einer Verweigerung an das herkömmliche Schreiben und Geschichtenerzählen.

„mon dieu es geistert“, heißt es im Titel dieser Prosasammlung. Und es geistert hier fürwahr im großen Selbstbedienungsladen „Sprache“, in dem sich Steiger in Manier der écriture automatique bedient und auch Nachtseiten des Menschen aus der Tiefe hebt. Furios fügt er unterschiedliche Vorstellungsbereiche zu surrealistischen Traumsequenzen zusammen und verzahnt sie zu imaginären neuen Bildinseln, deren Bedeutungskosmos ganz lapidar der Sinn abhanden gekommen ist. Die Aufforderung am Beginn des ersten Textes „MACH auf den laden, lass die ware sehn.“ kann man daher fast als programmatische Einladung lesen. Der zweite Text geht sogar noch ein Stück weiter und bietet eine Erklärung für diverse Steiger’sche „facilitäten“: „fange erst gar nicht ohne leser an; lasse ihre finger in meine fahren wie beim handschuhüberziehen. die kleine wärme die dabei spürbar wird bringt bewegung in das satzgefüge. Dabei nun können persönlichkeiten aus der abgeschiedenheit ins spiel kommen, die sich mit dem mobile perpetuum einer gelungenen satzmaschine besser auskennen als ich ...“ Und dennoch hofft der Ich-Erzähler hier auf die „flatterzunge“ eines „angelus“.

Freie Assoziation

Der Band vereinigt lose kurze Texte, die für sich stehen und in sich wiederum eine ganz eigene Sprachwildnis erschaffen, weil Steiger sich einem kompromisslosen, anarchischen „Erzählen“ hingibt. Ihm geht es nicht um Textzusammenhänge, sondern – wie sich im Laufe der Lektüre herausstellt – um die Verschmelzung spontaner Gedankenfindungen, die auch Verstöße gegen Orthografie, Grammatik und Interpunktion ganz bewusst zulässt, weil hier freie Assoziation zählt, in der Bewusstes und Unbewusstes in schräger Kombination ihren Platz finden. Wie auch die Landschaft „verschiedene gedichtformen annimmt, die nicht dem kanon entsprechen“, so widersetzt sich auch Steiger den herkömmlichen Regeln der Kunst und mäandert sich über Satzgebirge, die immer wieder eine Mixtur aus Absurdem, Doppeldeutigem und Kuriosem kennzeichnet. Und das sieht beispielsweise so aus:

„KAUM stiehlt der morgen der dunklen nacht ein weisses ei beginnt der anatom sein peinliches geschäft. er schneidet der seele zuerst die augen aus, die korkenzieherlocken, die nägel und den bart. Vater mutter helft. Kaum gerufen treiben die eltern den elfenbeinreifen herbei, machen einen flattersatz und das kind ist frei.“ Und mancherorts dringt auch zart Poesie durch die Zeilen, zum Beispiel beim „herzschuh mit dem durchlöcherten hemde“. Steiger beschreitet in seiner Prosa ungewöhnliche Wege und schafft es, ihr trotz heftiger Wirklichkeitsverrückungen eindringliche Bildhaftigkeit mitzugeben.

MON DIEU ES GEISTERT

Von Dominik Steiger

Literaturverlag Droschl, Graz 2007 72 Seiten, geb., € 18

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung