7137242-1997_51_12.jpg
Digital In Arbeit

Flott, frech, unsäglich

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Foto aus dem Warschauer Ghetto muß herhalten: „Es zeigt einen Rabbiner im priesterlichen Gewand, darum herum eine Gruppe von deutschen Offizieren. Grinsend, feixend, mit dem Finger auf ihn zeigend, machen die Deutschen den Priester lächerlich." Und dann steht es leider wirklich da: „Das neudeutsche Medienpogrom gegen den Zölibat ist von der gleichen Qualität. Gott, warum merkt das niemand?" Die zölibatären Priester, eine „Schützenswerte sexuelle Minder heit" - verfolgt wie damals die Juden von den Nazis? - Ach Autor, ach Lektor! Nach solchem / gefährlichen Unsinn / (er steht schon auf Seite elf) ist das Weiterlesen eine schwere Probe: Das Zölibats-„Schwarzbuch" zeigt sich hier von der schwärzesten Seite.

Dabei ist es durchaus erfrischend, die Zölibatsproblematik einmal von anderer Warte zu betrachten, und im Unisono des medial vermittelten Fortschrittschristentums einen nicht verzopften Kontrapunkt zu vernehmen. Wie sich der Zölibat im Rom des 4. Jahrhunderts als Alternative gegen die Macht der Familienväter und Patriarchen förmlich aufdrängte und seither als „Abenteuer der Wüste" unverzichtbares Herzstück des römischen Amtes wurde, wie sich im Zölibat ein neues, gar nicht unerotisches Verhältnis der Geschlechter herausbildete und wie sich diese „familienfeindliche" Haltung des Jesus von Nazaret als freche Botschaft in der Geschichte fortsetzte („Seid frech wie Jesus, lebt im Zölibat!"), ist in aller journalistischen Flottheit anregend. Ebenso aufschlußreich ist aber, mit welchem Furor ein vom Zölibat Überzeugter mit Verheirateten und Familien ins Gericht geht Auf die gegenwärtige Zölibatsdiskussion geht das Buch trotz seiner „zehn Argumente" kaum ein. Denn nirgendwo im kirchlichen Bereich wird die Abschaffung der Ehelosigkeit als Lebensform gefordert. Diskutiert wird allein die Ehelosigkeit als Zulassungsbedingung zum Priestertum, die aber aufgrund vieler Erfahrungen mit Priestergeliebten und -kindern unglaubwürdig wurde. An solchen Überlegungen ist das Buch nicht in-I teressiert.

Erfreulich jedoch, daß sich der Autor auch selbst auf die Schaufel nimmt. Im Kapitel „Zölibat ist lustig" gesteht er: „Jedes Argument in diesem Buch habe ich so formuliert, daß sich dem Leser auf der Stelle das Gegenargument aufdrängt." In der Tat. Das Buch schüttet Kinder mit dem Bad aus, daß es eine reine Freude ist. Und wenn um den Zölibat zu retten, behauptet wird, der männliche Sexualtrieb sei eine Einbildung, dann scheint hier die Wirklichkeit doch etwas gebeugt zu sein: Die im Buch erwähnten Zölibatshelden von Franz von Assisi bis Robinson Crusoe würden sich den Bauch halten vor Lachen, wollte man ihnen mit solchen Thesen kommen. Trotzdem: Von einer Lektüre des Buches kann nicht ernstlich abgeraten werden.

ZEHN ARGUMENTE FÜR DEN ZÖLIBAT /'Iin Schwarzbuch. Von Hans Conrad Zander. Patmos Verlag, Düsseldorf 1997.1S9 Seiten, geb., öS 181,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung