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Form im Strom der Zei

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web BI9IT DU? Verse des Anfangs. Von Paul Konrad Kur“ . Ehrenwirth-Verlar, Mun-ohen 1901. 80 Seiten. Preis 9.80 DM.

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web BI9IT DU? Verse des Anfangs. Von Paul Konrad Kur“ . Ehrenwirth-Verlar, Mun-ohen 1901. 80 Seiten. Preis 9.80 DM.

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Die junge Generation der Kirche meldet sich, mehr oder minder lautstark, in der heute aufgetragenen Situation zu Wort; das ist ihr gutes Hecht. Und es ist erfreulich, gerade die Jugend zu hören, sie mag nun auf diese oder jene Art sich äußern. Fast nicht mehr zu überhören sind in der Öffentlichkeit die Stimmen der geistlichen Chansonsänger oder der Typen eines P. Leppich. Weniger bekannt, wohl aber begrüßenswerter, sind jene, die nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität der Verkündigung Gewicht legen, aus modernem Form-wußtsein die „ewigen“ Wahrheiten neu zu bewältigen und zu gestalten versuchen, so man unter Form eben mehr als bloße Modeneuheit verstehen will. Wenn man es recht bedenkt, ist es ja die Form, über die man immer Neues aus dem alten Schatz der Offenbarung hervorholt. Und es ist ein Zeichen des Niederganges, auch für die Inhalte, wenn die Form vernachlässigt oder gar abhanden gekommen ist D.ie abendländische Kunstgeschichte liefert genügend Beweise, nur werden sie kaum in Erwägung gezogen, am wenigsten von den Akteuren diverser Reformen; ihre Neuerungen sehen auch darnach aus.

So ist es begrüßenswert, wenn sich In Paul Konrad Kurz, einem jungen Jesuiten, der eben sein Germanistik-studium in München abgeschlossen hat, einem Mitarbeiter der bekannten „Stimmen der Zeit“ , eine Stimme erhebt, der es nicht bloß um die Begriffe geht, sondern um das Wort, das ohne Form undenkbar ist, sonst sinkt es zur Tendenz, zum Slogan, zur Propaganda oder noch Schlimmerem herab. Diese kurzen Hinweise waren nötig, um zu zeigen, daß die Sprache der Dichtung keineswegs Sache abseitiger Ästheten ist, die eben auf diesen Luxus nicht verzichten wollen. Wir sehen ja, welche Bedeutung heute die Namen von Dichtern wie Bergengruen, le Fort, Hopkins, Claudel usw. gewinnen. Sie haben schon zu Beginn des Jahrhunderts, leider zu wenig verstanden, Probleme aufgegriffen, um die man noch und erst heute, zum Beispiel im Konzil, diskutiert. Sicher gi(>t es auch jetzt genügend „christliche“ Dichter, die aber, um mit Rilke zu sprechen, immer urteilen über ihre Gefühle, statt sie zu bilden, die immer noch meinen, was traurig ist in ihnen oder froh, das dürften sie im Gedicht bedauern oder rühmen, statt hart sie in Worte zu verwandeln.

Schon der erste Gedichtbanid von Kurz (Denn er ist da, Verse zu Advent und Weihnacht, im gleichen Verlag) hat einen starken Eindruck hinterlassen und gezeigt, wie Universitätsprofessor Müller-Seidl in München urteilt, daß hier etwas Entscheidendes vor sich geht, das die Tradition der großen christlichen Dichter fortsetzt und überholt. Schon die Verse des Prologs zu den in sieben Abschnitten gefaßten Gedichten zeigen, wie ernst, fern aller Präpo-tenz gewisser Moderner und damit bereits chrisblich, der Autor sich seinem Auftrag stellt: „Vielleicht bauen wir ihn nie, den Trägerleib der gültigen Zeile ... Vielleicht hämmern wir den Stab, den zwingenden, des Worts, vergebens.“ Voraussetzung für die Verkündigung, erst recht für die liturgische Feier, ist das Wort; wo es fehlt, wird höchstens agiert nach Art des Managers. Von dieser Welt, in der alles „gemanagt“ wird, vom Komfort des Schlafzimmers bis zu Kultur und Religion, dieser Welt „auf liedlosem Grund“ , die „nach Gesang dürstet“ , in der nichts als geredet wird, ohne etwas zu sagen („Worte, Worte, Worte. Alile hohl und taub und ohne Sinn ... Lehrerund Prophetensprüche hämmern, hirnen auf mich ein ), von dieser Welt sucht er sich zu befreien, doch nicht durch die Flucht, wohl wissend, daß sie aufgetragen ist, sondern durch läuternde Gestaltung, hart sich und die Welt in Worte, damit in menschliches Maß und Gesetz verwandelnd; „einsam über sein Herz gebeugt wie über den Rand eines Brunnens... ob drunten am Grund kristallene Wasser die Erde durchbrechen... bereit, wenn das Wasser zu steigen beginnt, den Krug in die Tiefe zu senken.“ Einsam! Denn es ist Irrtum, zu meinen, auch was die Dichtung angeht, „Wahrheit und Rang entstünden durch Volksentscheid“ , und „Jesus kopierte nicht die Methode der demoskopischen Institute . Maß und Gesetz des menschlichen Wortes leben damit von Jenem, der das Wort ist. So wird die gültige Zeile vom Herrn des Wortes geschenkt, von dem der die Wasser im Brunnen steigen läßt. Doch nur, wenn wir ums der aufgetragenen Situation der Zeit nicht entziehen. „Wir schwimmen den Strom der Zeit, da schwimmt unsre Wiege, da schwimmt unser Grab ... Der Strom ist geweiht .

Die Form entspricht dem „Strom der Zeit“ , ohne in ihm unterzugehen. Hier sagt die Form wirklich Neues aus ihrem Formsein, sonst genügte es ja, die ewigen unveränderlichen Wahrheiten ein für allemal in Begriffe zu fixieren. Schon daß das dem Menschen, der nur diskursiv, im Strom der Zeit zu denken vermag, unmöglich ist, spricht für die Form und die Zeit, fast im Sinn von „Sein und Zeit . Paul Konrad Kurz verfügt über das Sonett wie über den freien Rhythmus, über den Reim wie über Techniken, die an Wortmontage erinnern. Er arbeitet mit konkreten Bildern wie mit abstrahierenden Metaphern. Die Verbindung heterogener Elemente, die Verwendung von Fremdworten, von Begriffen aus Technik und Alltag, das Spiel einer scheinbaren Alogik und Verfram-. dung, betonte Entzauberung und harte Optik (man denke etwa an Gottfried Benn) sind immer Mittel einer sehr bewußten Gestaltung, erzielen Wirkungen eines Klanges, der überrascht, mancher vielleicht auch schockiert, doch nie ins Kalte, Fühllose, Unmenschliche absinkt, nie den Effekt um des Effektes willen setzt. Wenn man auch mitunter das intellektuelle Spiel merkt, so doch nicht berechnende Aufdringlichkeit. Beim Studiengang eines Theologen („Er zwang seine Sapienten unerbittlich zum Denken ) und beim heutigen Germanistikstudium ist das kein Wunder. Trotzdem bestimmt auch kein akademisches Programm die Mittel der Gestaltung, wie bei manchen Modernen, deren Bilderwelt nur zu erfassen ist, nachdem man ihre Manifeste gelesen hat. Ein treffsicheres und differenziertes Vokabular, keineswegs Chiffre alogischer Tiefenschichten, eher prälogische Zusammenhänge aus den Tiefen einer in der Natur veranlagten Glaubenshaltung.

Mit bloßer Textkritik ist diesen Gebilden nicht beizukommen. Wortklang ist nicht absoluter Klang, und wenn schon absolut, dann vom Wort her, ebenso ist das Wort nicht absoluter Begriff, sondern sinnlich gewordener Begriff. Es ist eine Dichtung, die Kurz vielleicht am besten charakterisiert, wenn er im Gedicht „Wer ist dein Gott?“ antwortet: „Keine Götzenkiste. Glaube.

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