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Franz Vranitzky — Zauderer und doch „Haider-Macher”?

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Pünktlich, unmittelbar nach dem Rücktritt Franz Vranitzkys gab der ehemalige „profiT'-Heraus-geber Hubertus Czernin dem abgetretenen Kanzler noch einmal Saures. Ausgeholt hat er zu diesem Schlag, dem Buch „Der Haider-Macher -Franz Vranitzky und das Ende der alten Republik”, dessen Titel bereits sehr viel aussagt, offensichtlich schon lange. Wer denkt da nicht daran, daß nicht nur, aber auch eine Fotomontage auf dem „profil”-Cover, die Vranitzkys Kopf mit einem nackten Männerkörper kombinierte, entscheidend dazu beitrug, daß Czernin im Vorjahr seinen Herausgeber Job verlor?

Da heute in der politischen Re-richterstattung in Osterreich (und mehr noch wahrscheinlich über Österreich im Ausland) FPÖ Ob mann Jörg Haider als Maß aller Dinge dient, überrascht es nicht, daß Haider in Czernins Ruch eine ebensogroße Rolle spielt wie Vranitzky selbst, ja sogar den reißerischen Titel liefert.

Man mag Hubertus Czernin voreingenommen gegenüberstehen (vielleicht, weil er die „Groer-Affäre” ins Rollen brachte, vielleicht wegen des erwähnten „profiT'-Covers), aber sicher hat er ein interessantes und in manchen Analysen treffendes Ruch geschrieben. Nur: Wo Czernin recht hat, wirkt er nicht besonders originell. Und wo er originell wirken will, hat er nicht ganz recht.

Anfechtbar ist schon der Titel. War Vranitzky, der Haider zeitlebens ausgrenzen und von der Regierung fernhalten wollte (was ihm Czernin übri-

Po''softes gens nicht zum Vorwurf macht) „der Haider-Macher”?

Daß die Freunde und Parteigänger des Ex-Kanzlers dieser Sicht meist heftig widersprechen, verwundert nicht. So zerpflückte der Rektor der Hochschule für angewandte Kunst, Rudolf Rurger, den Czernin couragiert als Kontraredner oder „advoca-tus diaboli” zur Präsentation des Ruches am 18. Februar einlud, das Buch nach Strich und Faden. Burger verteidigte Vra nitzky mit einem Sei tenhieb auf dessen Nachfolger Viktor Klima massiv: „Haider-Macher war er sicher nicht, sondern sein” Aufhalter. Macher sind eher jene, die in ihm den Teufel sehen und ihn mit dem Beelzebub J austreiben wollen. Die zähnefletschende Freundlichkeit, die jetzt am Ruder ist und die den Populismus zum Programm er klärt, verheißt nichts Gutes.”

In der Tat deckt der Inhalt des Buches den Titel nur oberflächlich. Folgt man nämlich Czernins Argumentation, so hatte Vranitzky überhaupt keine „Macher”-Qualitäten, vielmehr habe er die Dinge treiben lassen, sich, so Czernin bereits im Vorwort, als Zauderer wie einst Kurt Schuschnigg erwiesen. Hier muß sich der Ieser fragen: War nun Schuschnigg ein „Hitler-Macher”? Während Czernin einerseits beklagt, daß man dem Phänomen Haider mit Nazi-Vergleichen nicht gerecht werde, stellt er selbst durch die Nennung Schuschniggs solche Zusammenhänge her.

Die Aufwärtsentwicklung der Frei -heitlichen unter Haider während der Jahre 1986 bis 1996 als ein Hauptereignis der Ära Vranitzky zu betrachten, ist legitim, sie als deren Hauptprodukt und damit den Kanzler selbst als deren Hauptverursacher zu sehen, ist sicher übertrieben. Den Aufstieg von Bechtspopulisten in anderen Ländern Europas blendet Czernin übrigens konsequent aus, Namen wie Le Pen, Berlusconi, Bossi oder Fini kommen bei ihm nicht vor. Er wünscht sich zwar für Österreich einen Umbruch der Parteienlandschaft wie in Italien, setzt sich aber mit keinem Wort mit den dortigen ”Trr-------- konkreten PojyUBBfVrusj litikern

Als Macher, noch dazu als „der” Ma-I jr eher von

K Haider, kann mk. I Vranitzky almk 1 lenfalls durch mm seine Versäumnisse herhalten, die in Czernins Buch als

Hauptursache dafür, daß Haider den Wähleranteil Folgen wir Czernins Ansicht von „Machern”, so waren beispielsweise die Päpste der Benaissance „Luther-Macher” , war George Bush ein „Clin-ton-Macher”. Gilt das auch für Medien, denen ein Konkurrent an oder über den Kopf wächst? War das „profil” unter Czernin ein „,News'-Ma-cher”?

Daß der Kanzler zwar oft „Handlungsbedarf” konstatierte, aber dann selten die richtigen konkreten Schritte einleitete, ist keine neue Erkenntnis. Laut Czernin dominiert in Österreich seit Jahrzehnten ein verfilztes System von „Massenparteien, Sozialpartnerschaft, Proporz und Patrona-ge” (auch die von Czernin wiederholt gelobte Ära Bruno Kreisky hat daran nicht viel geändert), das nicht mehr reformiert, sondern komplett umgestaltet gehörte. Seine These: Vranitzky habe die Lage erkannt, habe auch immer wieder Absichtserklärungen abgegeben (etwa in der Medienpolitik), aber nahezu nichts davon umgesetzt. Er habe gleichsam im Umgang mit dem historischen Ballast, aber auch mit Herausforderungen der Gegenwart versagt.

Nicht seinen rechtsradikalen Tönen, auch nicht seiner Anti-Ausländer-Politik verdanke Haider seine Erfolge, betont Czernin, sondern in erster Linie dem Frust der Bürger über die Versäumnisse der Regierung, über die Unglaubwürdigkeit der Mächtigen in diesem Land, über die verfahrenen Proporz-Strukturen. Vranitzky persönlich kann man freilich im wesentlichen nicht als Urheber, sondern allenfalls als untätigen Bewahrer etlicher dieser Mißstände, kritisieren.

Was Czernin nicht näher ausführt, ist, wieviel andere Politiker der Regierungsparteien unter diesem Gesichtspunkt zum Aufstieg von Haider beigetragen haben, was er nicht erklärt, ist, warum nicht die anderen Oppositionsparteien in einem wenigstens annähernd ähnlichen Ausmaß der gar so mies agierenden Regierung Stimmen abgeknöpft haben. Aber Namen wie Heide Schmidt, Madeleine Petrovic oder Christoph Chorherr kommen in Czernins Buch überhaupt nicht vor.

Als Hauptursache der Erfolge Jörg Haiders die Schwäche des Kanzlers zu betonen, ist jedenfalls zu wenig. Die Skandale um Politikerbezüge, die Pri -vilegiendiskussionen, die Pleiten von Unternehmen wie dem „Konsum”,

waren meist mit sehr konkreten Namen verbunden - waren die nicht alle kleine „Haider-Macher”? Hebt Jörg Haider nicht die Fähigkeit, dubiose Fälle öffentlichkeitswirksam aufzudecken (auch wenn er dabei, wie zuletzt in Kärnten, viele Fehlschüsse abgibt), unter den Oppositionsparteien sichtlich hervor? Czernins These, daß die reine Programmatik der FPÖ (wie meist bei Parteien) nicht das Geheimnis ihres Erfolges darstellt, trifft sicher zu.

Sicher ist, daß man als größte Oppositionspartei gegenüber einer inhomogenen Regierung gute Aufstiegschancen hat - jeder weiß, wie weit SPÖ und ÖVP in vielen Fragen auseinanderliegen und wie sie um Kompromisse (die oft „faul” sind, da hat Czernin recht) ringen müssen. Wenn Czernin meint, die Regierungsparteien hätten Haiders Aufstieg stoppen können, wenn sie rechtzeitig umfassende Reformen gesetzt und dabei eine „wohltemperierte Unzufriedenheit” (wie einst Eduard Graf Taaffe in anderem Zusammenhang sagte) ihrer Klientel in Kauf genommen hätten, überzeugt das nicht. Müßte nicht gerade der ehemalige „profil”-Herausgeber wissen, daß im politischen (und medialen) Rereich das Gefühl für die richtige Temperatur sehr trügerisch und ein Fehlgriff sehr gefährlich sein kann?

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