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Frau Welt hat ihr eigenes Reich

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Hugo von Hof mannst haj, dem man sonst nicht immer zu Unrecht den Vorwurf des Nachempfindens, der Stilkopie und Altertümelei macht, hat mit dei Intuition des Dichters das eigentlich „Katholische“ in des Spaniers Calderon „Großem Welttheater“ erfaßt. Es liegt, im Gegensatz zum nominalisti-schen Theater des Spätmittelalters („Jedermann“), dem es auf den Durchbruch des einzelnen zum absoluten Gott ankommt, in der weisen Anerkennung der Herrschaftsgewalt der „Frau Welt“. Es ist das von Thomas und seiner Schule immer wieder gegen jeden theologischen Radikalismus verteidigte Reich der „Zweitursachen“. Der Mensch hat sich in der Eigengesetzlichkeit dieser Welt zu bewähren, er kann ihr nicht durch einen „Kopfsprung“ in die Welt des Absoluten entfliehen. (Dies ist der innere Sinn der Engelsbelehrung an den mit seiner Rolle unzufriedenen Bettler, der keinesfalls in ein besseres Jenseits vertröstet, sondern in seinem unmittelbaren Appell an die Einigreifmacht Gottes abgewiesen wird.) Er darf dieser Eigengesetzlichkeit freilich auch nicht so verfallen, wie es der „Widersacher“ tut, der von der noch über der „Welt“ stehenden Majestät des unendlichen Gottes zum Schweigen gebracht wird.

Dies alles und noch viel mehr liegt in diesem zu Unrecht als bloßes „Festspieltheater“ abgewerteten Stück. Es ist gut und berechtigt, es in die Beziehungswelt des Barockstifters von Melk hineinzustellen, wie dies in diesen Sommermonaten in mehreren Aufführungen geschehen wird. Denn dort gehört das Werk hin: in eine Atmosphäre, m der Geistliches und Weltliches in harmonischem Nebeneinander stehen. Die konzentrierte Regie der Helene T h i m i g stellte Domfassade als Gottesreich und barocken Altan als Bezirk der „Frau Welt“ einander gegenüber, aud wenn das P. T. Publikum sich der An strengung der Kopfwendungen unterziehe] mußte. Nicht ganz so konsequent war e freilich, am Ende auch die „Welt“ in da-Spiel vor der Kirche hineinzustellen. Sic hätte an ihrem Ort bleiben müssen. Eini Schauspielerin wie Evi S e r v a e s ha Stimme und Vitalität genug, auch von Gegenüber her die Szene zu beherrschen Großartig gab Sieghard R u p p den Bettler Erich Gabriel blieb dem Widersachei manches an mephistophelischer Schärh schuldig. Vollendet, im Reich der „Zweitursachen“ ganz zu Hause, in der „Unschuld des Werdens“ Nicole Heesten als Schönheit, auch Georg Coiten ali Bauer. Blässer und mit weniger Mut zi sich selbst (aus falschem Respekt vor den angeblichen Wei'hecharakter, der nicht zui Dämpfung des Natürlichen werden darf] die anderen Spieler des irdischen Elements Von den Engeln imponierte Inge Schür' mann mit einem geradezu für Händel geschaffenen Alt, Paul Robert war vol sicherer Würde. Brigitte I m a i war in rührender Demut bemüht, sich dem geistigen Gehalt ihrer Botschaft nach Meisteran einzuverwandeln. Was dem stillen Melkei Stiftshof an Pomp fehlt, wird durch di< in geschlossenem Geviert aufkommend&#171; Innerlichkeit des Erlebnisses aufgewogen.

Bei milder Spätnachmittagssonne kamen die Komödianten gezogen, wohl auf dem Wagen, den Packesel hinterdrein, um voi dem Pavillon im Melker Stiftspark das Spiel von der Zähmung der Widerspenstigen einem verehrlichen Publico zu Lust und Gefallen zu exekutieren. Traun, wie ergötzlich, gescheit und kurzweilig Herr Peter Weihs als Regisseur und Textbearbeiter dies Stück doch darzubieten weiß. Vor dem schönbrunngelben, anmutigen Gartenhaus und zwischen Hecken t und Buschwerk ersteht dieses heitere Shakespeare-Italien als kleines Phantasie-: reich von nirgendwo und irgendwann. Wie I süperb stellt doch das liebreizende Fräulein Maria E m o die Wandlung vom schlimmen, ungebärdigen Käthchen zur sanften fraulichen Katharina dar, welch trefflicher Petrucchio ist doch Herr Wolfgang G a s s e r .' Die Widerspenstigen sind noch immer unter uns, zähmt sie mannhaft, mit fester Hand, ihr Herren! Shakespeare gibt euch ein Exempel. Beherziget Katharinens kluge Worte über des Weibes schuldige Demut, ihr edlen Damen 1 Solch vergnügliche Belehrung, wie sie uns durch Wort und Aktion im Melker Stiftspark ward, ist fürwahr rühmlicher Erwähnung wert. Ehe ihr wieder auf euren Komödiantenwagen steigt, freundliche Actricen und Acteurs, nehmt unsern Dank und freut euch des Beifalls!

G. M.

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