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Frauen für Frauen

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WERDEN WIR UNS WIEDERFINDEN? Roman von Elisabeth Bortonde Trevino. Verlag Räber, Luzern 1959. 272 Seiten. Preis 14.80 DM. - DIE DUNKLE UND DIE HELLE SCHWESTER. Roman von Esther Werner. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 1959. 264 Seiten.— GEFÄHRLICHE FREUNDSCHAFT. Roman von Rumer G o d d e n. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 1959. 276 Seiten. — KER JEANNE, LAVENDELDUFT UND HAVELWELLEN. Roman von Ingeborg Schmidt. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 1959. 255 Seiten. - HUNDERT MASKEN, EINE FEDER. Von Iris Noble. Verlag J. Pfeiffer, München 1959. 189 Seiten. - ROTE SCHUHE FÜR NA NEY. Von Margherite Hamilton. Verlag Räber, Luzern 1959.233 Seiten. Preis 12.80 DM

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WERDEN WIR UNS WIEDERFINDEN? Roman von Elisabeth Bortonde Trevino. Verlag Räber, Luzern 1959. 272 Seiten. Preis 14.80 DM. - DIE DUNKLE UND DIE HELLE SCHWESTER. Roman von Esther Werner. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 1959. 264 Seiten.— GEFÄHRLICHE FREUNDSCHAFT. Roman von Rumer G o d d e n. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 1959. 276 Seiten. — KER JEANNE, LAVENDELDUFT UND HAVELWELLEN. Roman von Ingeborg Schmidt. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 1959. 255 Seiten. - HUNDERT MASKEN, EINE FEDER. Von Iris Noble. Verlag J. Pfeiffer, München 1959. 189 Seiten. - ROTE SCHUHE FÜR NA NEY. Von Margherite Hamilton. Verlag Räber, Luzern 1959.233 Seiten. Preis 12.80 DM

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Die Autorinnen, die uns hier beschäftigen, sind gewiß keine modernen Erzähler, die sich in avantgardistischen Experimenten versuchen oder deren Bücher einen besonderen literarischen Rang aufzuweisen hätten. Es sind Bücher von Frauen, für Frauen geschrieben, in deren Mittelpunkt sehr weibliche Anliegen stehen: Liebe und Ehe, Familie und Kinder, Ueberwindung der Einsamkeit durch Pflege mitmenschlicher Kontakte und ähnliches. Ihnen gemeinsam ist eine wohltuend positive und tapfere Lebenseinstellung, die an die Kräfte des Herzen appelliert und an ihre ordnende und heilende Wirkung glaubt.

Die vier Romane sind gut erzählt; es gibt eine handfeste Fabel; die Handlung ist straff aufgebaut, einfa'lsreich und spannend, ohne ins Reißerische abzugleiten. Also, gute Unterhaltungslektüre, wie man sie sich wünscht. Auch die Uebersetzungen der fünf ausländischen Bücher sind sauber und lesen sich gut.

Elizabeth Borton de Trevino erzählt die Geschichte einer jungen Nordamerikanerin, die aus ihren Eheschwierigkeiten in das Haus ihrer älteren Schwester in Mexiko flieht. Dort, inmitten einer großen Familie, die ganz in der alten spanisch-mexikanischen Tradtion lebt, erfährt Ann — schmerzlich aber heilsam — die Schwächen ihrer sehr ichbezogenen, selbstbewußten und unnachgiebigen Einstellung. Sosehr sie sich anfänglich gegen die Haltung der mexikanischen Flauen gegenüber dem Mann wehrt — gegen ihre bewußte Anpassung und Nachsicht —, schließlich erkennt sie gerade an dieser Erfahrung die eigene Schuld am Scheitern ihrer Ehe. Gereift, ausgerüstet mit neuen tragfähigen Voraussetzungen, beschließt Ann, ihr Leben mit Peter, ihrem Mann, noch einmal zu beginnen und besser zu bewältigen.

Esther Warner, bekannt geworden durch den Afrika-Roman „Die Reise zum großen Teufel“, gelingt es in ihrem neuen Buch, an den persönlichen Schicksalen eines intelligenten und liebenswerten Loma-Mädchens aktuelle afrikanische Probleme in den Blickpunkt zu rücken: Die Schwierigkeiten der Missionierung, das Mißtrauen der Eingeborenen gegenüber denjenigen, die ihre alten Bräuche mißachten und ausrotten wollen, und ihr Vertrauen zu denen, die ihnen mit verständnisvoller und uneigennütziger Liebe begegnen — all das wird anschaulich und lebendig am Weg der schwarzen Krankenschwester Hagar gezeigt. Dem strengen amerikanischen Missionsleiter Reed bringt seine Enge und Sturheit immer nur neue Fehlschläge ein, während die weiße Schwester Huldah Larsen in ihrer Außenstation der Mission tief im Urwald langsam und geduldig, mit anfänglichen Zugeständnissen gegenüber dem magischen Weltbild der Eingeborenen, diese schrittweise aus ihrem Aberglauben herauszuführen versucht. Esther Warner, die man eine „afrikanische Pearl S. Buck“ genannt hat, besitzt einen sicheren Blick für das Wesentliche, trockenen angelsächsischen Humor und ein ganz ursprüngliches Erzählertalent. Man wird mit ihrem Buch gerade auch jungen Menschen viel Freude und Bereicherung schenken.

Die Engländerin Rumer Golden hat für ihren Roman „Gefährliche Freundschaft“ ein ungewöhnliches Thema gewählt, das sie feinsinnig und eindringlich zu entwickeln weiß. Das Buch handelt von fünf Geschwistern, drei Kindern und zwei jungen Mädchen, die mitten in den schwierigen Problemen der Entwicklungsjahre stehen. Wir erleben die traum-verwobene geheimnisreiche Welt der Kindheit und den rauhen Zusammenprall der fünf mit der Wirklichkeit, deren nüchterne Gesetze zu begreifen sie schmerzliche Erfahrungen kostet. All die krausen Ungereimtheiten im Leben der Erwachsenen zu verdauen, fällt diesen wohlerzogenen und behüteten kleinen Engländern gar nicht leicht, als sie in den Sommerferien in Frankreich durch unvorhergesehene Ereignisse plötzlich ganz auf sich gestellt sind. Aber sie bestehen das Abenteuer, in das sie verwickelt werden, auf das beste, und ihre Erlebnisse in Les Oeillets werden ihnen zum unverlierbaren Besitz, zum ersten Erweis auch der Verantwortlichkeit, die das Leben hinfort von ihnen fordern wird.

Auch das einzige deutsche Buch unter den hier vorliegenden Neuerscheinungen, der Roman „Ker Jeanne“ von Ingeborg Schmidt, ist lesenswert. Die Geschichte einer jungen Berlinerin, die auf der Suche nach ihrem französischen Vater nicht nur diesen, sondern auch sich selbst findet, und die trotz aller zauberischen Erfahrungen des Sommers in Paris und der Bretagne in ihre strengere brandehburgische Heimat zurückkehrt, zu dem Mann, der dort auf sie wartet. Sehr reizvoll ist der Kontrast zwischen der beschwingten französischen Leichtigkeit und der herberen Berliner Atmosphäre. Ein schönes und warmherziges Buch, mit guten richtigen Einsichten: ..Man sollte mehr vergessen, dachte ich, man sollte viel mehr vergessen und viel mehr lieben...“ heißt es am Schluß.

Die beiden anderen Bücher haben biographischen Charakter. Iris Noble erzählt die abenteuerliche Lebensgeschichte der ersten Reporterin der Welt, Nellie Bly, die eigentlich Elizabeth Cochrane hieß und sich 1885 mit allerlei Listen in die Redaktion der „Pittsburgh Dispatch“ einschmuggelte, um bald darauf in den Redaktionsstab der New-Yorker „World“ einzutreten. Nach dem schwierigen Anfang — der journalistische Beruf war in jener Zeit nicht nur ungewöhnlich, sondern geradezu anrüchig für eine Frau — folgte ein Aufstieg ohnegleichen. Durch ihre glänzenden Reportagen über Mißstände des öffentlichen Lebens, mit denen sie häufig den Anstoß zu dringenden Reformen und sozialen Verbesserungen gab, wurde Nellie Bly zum Abgott der Armen und Leidenden, aber auch zum rigoros bekämpften Schreckgespenst einer Gruppe von brutalen Ausbeutern. Krönung ihrer journalistischen Laufbahn war Nellie Blys Berichterstattung über ihre Reise um die Welt in nicht ganz 80 Tagen, angeregt durch Jules Vernes utopische Reisebeschreibung, deren Verwirklichung damals unmöglich schien.

Iris Noble zeigt aber auch, wie Elizabeth Cochrane ihren beruflichen Ehrgeiz in menschlicher Hinsicht teuer bezahlen mußte. Es gab in ihrem Leben wenig unbeschwertes Glück und viel Einsamkeit. „Wahrhaft groß wurde Nellie Bly erst, als niemand mehr von ihr Notiz nahm“, als sie nach einem gescheiterten privaten Intermezzo nicht mehr über die sozialen Mißstände schrieb, sondern für die Hilflosen und Armen zu leben begann; als sie mit den wenigen ihr gebliebenen Mitteln in ihrer kleinen Wohnung obdachlose Frauen und Findelkinder betreute. Der persönliche Weg der Nellie Bly spiegelt gleichzeitig einen Abschnitt der Frauenbewegung und sagt am Rande Entscheidendes über die weibliche Wesensart aus, die letztlich sich erst in der Ausrichtung auf den Mitmenschen zu erfüllen vermag. Nicht zuletzt, weil es diese Erkenntnis vermittelt, möchte man das Buch gern in der Hand vieler junger Menschen sehen.

Das gilt auch Marguerite Hamiltons „Rote Schuhe für Naney“. Eine Mutter erzählt hier die Geschichte ihres einzigen Kindes, das drei Monate nach dem tödlichen Unfall seines Vaters schwer deformiert auf die Welt kommt. Ein Schicksal, wie es trost- und hoffnungsloser kaum gedacht werden kann und das doch für alle nahen und fernen Beteiligten zum Segen ausschlägt. Die kleine Naney ist, trotz ihres Leidensweges von einer Klinik in die andere, von einer Operation zur anderen, ein ausgesprochen fröhliches und lebensbejahendes Kind, ein Lichtstrahl für alle die ihr begegnen, ein Wesen, das in den Menschen den Willen zum Gutsein weckt. Wenn manchen europäischen Leser die amerikanische Sucht nach Publicity stören wird, die auch vor dem Schicksal der kleinen Naney nicht halt macht, müssen ihn schließlich die Beweise echter Anteilnahme und Liebe versöhnen, die dem Kind von allen Seiten entgegengebracht wurden. Uebrigens, der Bericht über Naney ist eine wahre Geschichte I Das Mädchen starb, noch nicht vierzehnjährig, im Juni J956, nachdem es kurz vorher mit seiner Mutter in Lourdes war — „nicht, um Heilung zu suchen, sondern um für jene zu beten, die nicht dorthin gehen konnten, und um Gott und der seligsten Jungfrau für alle ihre Güte zu danken. Naney kehrte zurück, ganz erfüllt von heiligem, inneren Frieden, der nicht mehr von ihr wich bis zu ihrem Tod“.

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