Freud' und Leid einer gärtnernden Dichterin Trughirschen

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Barbara Frischmuth schrieb das Tagebuch ihrer Erfolge und Rückschläge im eigenen Garten.

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Barbara Frischmuth schrieb das Tagebuch ihrer Erfolge und Rückschläge im eigenen Garten.

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Actinidia kolomikta, Daphne pontica, Aquilegia vulgaris, A. canadensis oder A. akitensis var. kurilensis, Rosa centifolia, Rosa damascena, Rosa gallica versicolor, et cetera, et cetera, et cetera. Nein, keine Angst. Es geht nicht um ein botanisches Nachschlagewerk, sondern um die korrekten lateinischen Bezeichnungen der vielen Blumen, die zu nennen Barbara Frischmuth in ihrem literarischen Gartentagebuch nicht müde wird. Natürlich erfährt man bei der Lektüre auch, daß es sich dabei um Strahlengriffel (eine Verwandte des Kiwi-Strauchs), pontischen Seidelbast, Akeleien, Rosen und eine Unzahl anderer erstrebenswerter Gartenpflanzen handelt, deren Gedeihen oft von viel Geduld, besessener Pflege und gewaltigem Durchhaltevermögen abhängt.

Tagebucheintragungen von Dezember bis Juli faßt die Autorin zu einem für Gartenliebhaber - und alle, die es werden wollen, informativen, unterhaltsamen und sehr ästhetisch illustrierten Buch unter dem Titel "Fingerkraut und Feenhandschuh" zusammen. Mit Selbstironie und trockenem Humor ergeht sich Barbara Frischmuth in Betrachtungen über das Entstehen ihres Gartens, den sie, von angelesenem, theoretischem Wissen geleitet, in Angriff nimmt, von entmutigenden Anfangsschwierigkeiten, von unzähligen Fehlschlägen, zähem Ringen mit Schädlingen - natürlich auch den seit Jahren überhandnehmenden Nacktschnecken - und dem Kampf mit "Capreolus capreolus" (Trughirschen), die, den liebevoll gezogenen "floralen Leckerbissen" gar nicht abhold, für nachhaltige Frustration sorgten und nur mit viel List und petroleumgetränkten Waschlappen auszutricksen waren.

Nicht ohne Häme erkennt gewiß so mancher Leser, daß auch anderen Leuten widerfährt, was man beim eigenen Hausbau leidvoll erfahren hat, nämlich, daß beim Bau die fruchtbare Aushuberde abtransportiert oder mit Bauschutt meterhoch überdeckt wurde. Aus jedem Pflanzloch fördert man in der Folge statt guter Erde Ziegel- und Kachelteile, Mörtelklumpen, Fetzen von Plastikplanen, Metallschrott und Steine. Ein mühsamer Prozeß, daraus einen Garten entstehen zu lassen.

Das Buch ist nicht nur Literatur, sondern auch unterhaltsam - und informativ. Wer nach seltenen Pflanzen trachtet, an die man sonst kaum herankommt, freut sich über den Tip, anhand einer jeweils ab April erhältlichen Liste Überschußpflanzen aus dem Botanischen Garten der Universität Wien zu erstehen. Allerdings erfährt man auch, daß dies infolge fehlender Beschreibungen und Pflegeanleitungen nur für experimentierfreudige Menschen eine Möglichkeit ist. Barbara Frischmuth hat aber auch Botanische Gärten in ganz Europa heimgesucht.

Zum anspruchsvollen Literaturgenuß aber machen das Buch poetische Passagen. Etwa: "Eine halbe Sonne tropft aus dem wallenden Gespinst und verblendet die Konturen des Tressensteins. Das Ahorngerippe ist mit breiten weißen Strichen nachgezogen. Büsche und Sträucher haben pompöse weiße Mützen keck in die Stirn geschoben, sogar der Schornstein auf dem Dach gegenüber trägt einen leicht überhängenden Hut."

Leider wird der Text nach und nach trockener und mit der Zeit ein bißchen zu sehr einfach nur noch zum Gartenfachbuch. Aber insgesamt wechseln wissenswerte, detailreiche Darstellungen vom Lust- und Nutzgarten der Autorin ab mit philosophischen Betrachtungen über die wechselseitige Beziehung (Erziehung) von Mensch und Pflanze, die in dem Statement gipfeln: "Der Garten sucht sich seinen Gärtner oder seine Gärtnerin - während unsereins nur bemüht ist, ihn seine Möglichkeiten leben und bis an seine Grenzen gehen zu lassen".

FINGERKRAUT UND FEENHANDSCHUH Ein literarisches Gartentagebuch von Barbara Frischmuth Fotografien: Herbert Pirker Aufbau-Verlag, Berlin 1999 160 Seiten, Farbbbilder, geb., öS 291,-/E 21,16

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