Frisch, flirty und ein bisschen animalisch

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Barbara Zoebelein hat die feine Nase Jean-Baptiste Grenouilles - aber mehr Charme in einer Riechzelle als jener am ganzen Leib. Duftproben

einer außergewöhnlichen Profession.

Haarig, holzig, maskulin, leicht animalisch, ja ein bisschen streng und trotzdem raffiniert riecht der schmale Streifen Papier. Ob er tatsächlich dereinst auf behaarten Männerbrusten landet - oder ob sich seine zwei duftenden Varianten besser bewähren -, hat die zierliche Frau noch nicht abgeklärt. "Das wird ein recht klassischer Herrenduft für den europäischen Markt", meint sie, während sie das viril duftende Etwas wieder zurück in das Glas auf ihrem Schreibtisch steckt. Es wird also kein Duft, der die Welt verändert und seinen Träger unwiderstehlich macht. Aber es wird ganz sicher eine respektable Kreation, die nur Menschen mit besonderem Riecher gelingt.

Barbara Zoebelein komponiert gleich mehrere solcher Düfte täglich. Ob Waschmittel, Shampoo oder Hautcreme: Kaum ein Körperpflege-oder Reinigungsprodukt ist von ihr noch nicht beduftet worden. Ihr Herzblut schlägt freilich für die Feinparfümerie, jenen Bereich, für den die Parfumeurin bei "drom fragrances international" in Baierbrunn bei München - dem weltweit neuntgrößten Duftstoffhersteller - weitgehend zuständig ist.

Festlich oder schokoladig?

Während viele ihrer sieben Baierbrunner Kollegen Gerüche für Haarfärbemittel, Air Freshener, Kondome oder Katzenstreu kreiren - und daran tüfteln müssen, dass sich diese Düfte mit der zu beduftenden Masse ohne unliebsame Reaktionen verbinden, widmet sich Zoebelein mit Haut und Haar dem Duft.

Was bei ihrem olfaktorischen Schöpfungsakt passiert, ist nicht leicht nachzuvollziehen: "Bei mir läuft einfach den ganzen Tag im Kopf ein geruchlicher Film ab", erzählt die Parfumeurin - und hält sich einen neuen Duftstreifen unter die geschulte Nase. "Wenn jemand kommt und einen neuen Duft wünscht, dann hole ich mir die nötigen Informationen - und lasse mich einfach inspirieren." Sehr konkret seien die Wunschzettel der Auftraggeber ohnedies nicht formuliert: "Die sagen ja nicht: Ich hätte gerne einen Schokoladenduft mit einer Cognac-Note und ein bisschen Kardamom, und wenn Sie vielleicht noch ein paar Jasminblütenblätter und eine kleine grüne Top-Note einbauen könnten", schmunzelt Zoebelein. "Die kommen eher und sagen: Ich will etwas für den Abend, das festlich, flirty, jung, provokativ oder superelegant ist. Es werden also eher Attribute genannt, die jene Frau beschreiben, die diesen Duft einmal tragen soll."

Duften wie Musik

Doch was genau riecht flirty? Oder frisch? Oder animalisch? Und wie gelingt es, diese diffusen Vorgaben in konkrete Rezepturen zu übersetzen? Zoebelein hat bei dieser kreativen Herausforderung ihre individuelle Methode entwickelt: "Ich setze mich einfach hin und überlege: Welchen Duft sehe ich vor meiner geistigen Nase? Manchmal ist es auch so, dass man ein Stück Musik hört und sagt: Wie würde ich das in Duft übersetzen? Und wenn dann gerade der Richtige mit dem richtigen Projekt hereinspaziert, dann kreire ich meinen persönlichen Film oder mein persönliches Parfum."

Welcher Duftstoff darin in welcher Menge vorgesehen ist, vermerkt Zoebelein in einem speziellen Softwareprogramm. Die Auswahl ist üppig: Die Düfte von immerhin 800 Rohstoffen hat die Parfumeurin im Kopf gespeichert. "Davon stelle ich 50 bis 100 für einen durchschnittlichen Duft zusammen", erzählt die Parfumeurin. Nur selten komme sie ins "Fabulieren": Dann könnten es schon einmal 120 Ingredienzien sein. "Aber insgesamt versuche ich, kurz und knapp zu bleiben."

Keine leichte Vorgabe angesichts der Fülle an Rohstoffen: Von synthetischen Stoffen aus Erdöl über ätherische Öle, die aus Wasserdampfdestillation gewonnen werden, bis hin zum unschätzbar teuren "Absolue", dem absoluten Geruchsprinzip einer Pflanze, reicht Zoebeleins Palette. "Wie diese Düfte gewonnen werden, hat Patrick Süskind in ,Das Parfum' recht gut beschrieben", erzählt sie. Nur die "Enfleurage", also die Duftextraktion mit Fett, wie sie Jean-Baptiste Grenouille bei seinen Frauenleichen praktizierte, sei nicht mehr aktuell.

Erst wenn die gewünschte Rezeptur steht, kommen tatsächlich Düfte ins Spiel. Zoebeleins Assistentinnen im benachbarten Duftatelier mischen die gewünschten Stoffe aus tausenden Fläschchen ab - und geben dem virtuellen Duft erstmals Körper. "Das ist meist der spannendste Moment", weiß Zoebelein. Oft genug hat sie am Beginn ihrer Laufbahn erlebt, dass der reale Geruch ihrem Entwurf nicht annähernd entsprach. Ein Fauxpas, der ihr mittlerweile nur noch selten passiert. 20 Jahre Berufserfahrung haben ihre Vorstellungskraft geschärft. Trotzdem kann es nötig sein, die Rezeptur bis zu 100 Mal zu modifizieren: da eine Variante mit Orange und Zimt, dort eine Alternative mit Sandelholz und Kardamom. "Es ist ja auch nicht so, dass man gleich die Kleine Nachtmusik schreibt", lacht die quirlige Frau.

Ein "extremes Nasentier"

Dass sie ihr Leben einmal der Komposition von Düften widmen und mit dieser Profession rund um die Welt kommen würde - von der Schweiz über Hongkong und Paris nach New York und zurück nach Baierbrunn -, konnte die Bayerin nicht ahnen. Dass sie besondere olfaktorische Fähigkeiten besitzt, bemerkte sie freilich früh: "Ich bin schon als Kind durch extremes Nasentiersein aufgefallen", erinnert sie sich. "Oft bin ich heimgekommen und habe gesagt: Der Soundso war da, das kann ich riechen". Auf Anraten ihres Vaters absolvierte sie einen Test, bei dem sowohl Riech-als auch Assoziationsvermögen überprüft wurden. Dennoch entschloss sie sich nach der Schule nicht, die Parfumeursausbildung in Versailles zu beginnen, sondern reiste lieber nach Italien. Nach einem Abstecher an die Uni, wo sie Germanistik und Sinologie studierte, erhielt sie schließlich von ihren einstigen Geruchs-Testern einen Ausbildungsplatz. 20 Jahre später ist sie noch immer in der Branche."

Wie riecht Schlange?

Eine Branche, die wächst - und völlig andere Ziele verfolgt als der pathologische Duftsammler Grenouille: Ging es diesem noch darum, die in der Natur vorhandenen Gerüche möglichst authentisch nachzuahmen, so ist mittlerweile Kreativität jenseits des Natürlichen gefragt. Durch synthetische Stoffe ist es heute etwa möglich, Gerüche zu erzeugen, die es in der Fauna oder Flora gar nicht gibt - etwa den Geruch von Schlangen für die Beduftung von Kinos. "Uns geht es heute darum, wie Künstler wirklich neue Düfte zu kreieren", erklärt Barbara Zoebelein. Dann und wann ein stinknormaler Herrenduft - das lässt sich dann schon verkraften.

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