Gasdanow - © Foto: Wikipedia (gemeinfrei)

Gaito Gasdanow: „Schwarze Schwäne“ – Alltagsikonen mit Trauerrand

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In jungen Jahren ins Exil genötigt, wurde Gaito Gasdanow erst nach seinem Tod in seiner überragenden literarischen Bedeutung entdeckt. Nun sind erstmals einige Perlen seiner Erzählkunst in deutscher Übersetzung erschienen.

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In jungen Jahren ins Exil genötigt, wurde Gaito Gasdanow erst nach seinem Tod in seiner überragenden literarischen Bedeutung entdeckt. Nun sind erstmals einige Perlen seiner Erzählkunst in deutscher Übersetzung erschienen.

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Auch mehr als hundert Jahre nach der russischen Revolution ist der Blick auf deren verheerende Folgen zuweilen noch immer geschichtswidrig verklärt. Zu den gern verdrängten Schreckensfolgen gehört das lang anhaltende Leid, das die zahllosen vertriebenen Russen in der Fremde des Exils zu ertragen hatten.

Einer von ihnen war der ­Schriftsteller ­Gaito Gasdanow, der den Großteil ­seines Lebens in Paris als untergeordneter ­Dienstbote zubringen musste. Sie alle ­zahlten den ­hohen Preis des Heimwehs, der Vereinsamung, des fremdbestimmten ­Lebens, den ein totalitäres Machtsystem ihnen abverlangte.

Dunkel gestimmt sind denn auch die meisten Geschichten, die Gaito Gasdanow erzählt. Eine seiner Figuren, in der Erzählung „Hannah“, stellt bitter fest, „dass ich eigentlich nie, ganz gleich unter welchen Umständen, gelebt hatte, wie es einem gesunden und normalen Menschen entsprochen hätte – ich hatte nur gewartet, und jeder Abschnitt meines Lebens war wieder nur ein Spannungsfeld des Wartens.“

Phönix der russischen Literatur

Der erst nach dem Tod in seiner überragenden literarischen Bedeutung ­entdeckte Exilrusse Gasdanow ist so etwas wie der Phönix der russischen Literatur aus der Asche des 20. Jahrhunderts geworden. Als Sohn ossetischer Eltern 1903 in St. Petersburg geboren, war er 16-jährig in die ­Weiße Armee eingetreten und 1923 auf der Flucht vor den Bolschewisten über Umwege in ­Paris gestrandet. Dort schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, unter anderem als Lastenpacker und Lokomotivenwäscher. Später entschied er sich fürs nächtliche ­Taxifahren, um tagsüber an der Sorbonne studieren zu können. Letztlich chauffierte Gasdanow insgesamt 24 Jahre lang nachts durch Paris, ehe er nach dem Krieg bis zu seinem Tod 1971 in München das russische Programm von Radio Liberty leitete.

Für seine Geschichten hat sich der Autor eine jähe, sprunghafte Erzählweise zugelegt, die der Bewegung von Gedanken und Assoziationen eng auf den Fersen ist. Der Bewusstseinsstrom seiner Prosa scheint den Taxifahrten zu folgen: reich an Umwegen und dennoch zielstrebig steuernd. Gasdanow folgt damit künstlerisch den narrativen Errungenschaften der Moderne, die vor allem dem Gefühlszustand der in Hast und Zerstreuung lebenden Großstadtmenschen nacheilen.

Nächtliche Bekanntschaften, ­zufällige Begegnungen, seltsame Fügungen des Schicksals markieren den Ausgangspunkt der meisten im Band „Schwarze Schwäne“ versammelten Erzählungen. Das Personal sind Heilige und Herumtreiber, Schwarzhändler und mittellose Klavierspieler, ­Huren, Zuhälter, verkrachte Lebenskünstler. Lauter gestrandete Exilrussen in Paris.

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