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Ganzes oder halbes Herz?

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Die Diskussion über den Zölibat ist, zumal sie immer wieder neu entfacht wird, nicht nutzlos. Sie dient der Festigung des eigenen und dem Verständnis des fremden Standpunktes. Sie führt zu. einer besseren geistigen Durchdringung des Problems und damit zu einer gerechteren Beurteilung. Die Diskussion muß freilich Dialog sein, Zwiesprache mit der Bereitschaft zum Hören; und sie muß in dem Bewußtsein geführt werden, daß sie nur die Gesprächspartner, nicht aber die Kirche als 'solche verpflichtet.

Der Zölibat ist, menschlich gesehen, ein Problem, darüber besteht kein Zweifel. „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei“ (Gen. 2, .18), das gilt auch heute noch. Der Mensch ist auf ein Du hin erschaffen, in dem er allein seine menschliche Erfüllung finden kann. Der Mann bedarf der Ergänzung durch die Frau und die Frau bedarf der Ergänzung durch den Mann, mehr als in leiblicher noch in geistiger Hinsicht. Seelische Einsamkeit ist eines der schlimmsten irdischen Übel.

Gerade diese Ergänzung aber ist dem zölibatären Menschen versagt. Er kann zu keinem menschlichen Du hinflüchten, bei dem er sich geliebt und geborgen weiß. Die natürliche Sehnsucht seines Herzens findet keine Erfüllung seines Wesens.

Wer gewohnt ist, bloß natürlich zu denkend, hanm daher mit dem kirchlichen Zölibalt nichts anfangen; er wird ihn einfach unnatürlich und unvernünftig finden. Der gläubige Christ, der übernatürlich denkt, aber ein natürlich empfindender Mensch bleibt, weiß daher, daß man diese Lebensform nicht selbst wählen kann, sondern dazu berufen sein muß. Der gläubige Christ weiß aber auch, daß die Ubernatur weder aufhebt noch vergewaltigt, daß also auch der um des Himmelreiches willen zur Ehelosigkeit Berufene trotz der Begnadung das Verlangen der Natur spürt und darunter mehr oder weniger leidet. Der Zölibat, wie ihn die Kirche von ihren Priestern fordert, ist eben auch, wenngleich nicht in erster Linie, ein Opfer.

Hier aber beginnt das große Mißverständnis. Allein die Tatsache, daß man vom Zölibat und von priester- lichen Zölibatären redet, ist der Beweis dafür. Man hebt die Ehelosigkeit aus dem untrennbaren Gesamtkomplex der priesterlichen Berufung ab und betrachtet sie gesondert. Einmal aus dem Zusammenhang des Ganzen gerissen und für sich betrachtet, wird ihre Problematik offenbar. Gott will aber nicht die Ehelosigkeit des Priesters als Ein- zelleistung; Er verlangt sie als Voraussetzung für eine größere Freiheit in der Leistung des anvertrauten Dienstes mit. Der um Christi willen Ehelose ist nicht einfach frei von Frau und Familie, er ist frei für Christus und Seinen Dienst.

Die menschliche Unerfülltheit und Leere, die mit der priesterlichen Berufung zur Ehelosigkeit mitgegeben ist, kann — nur, aber auch, ja muß — in der Person des Gottmenschen ihr Äquivalent an irdischer Erfüllung finden. Gewiß,

das ist ein sinnlich unfaßbares Du, das im täglichen Umgang zu einer gewissen Vergeistigung führt; ist das angesichts einer Welt, die sich ans Sinnliche verliert und das Fleisch anbetet, jedoch nicht eher ein Vorais ein Nachteil?

Fleisch und Blut sind für das Kommen des Reiches Gottes nicht nur belanglos, sie können sogar zum Hindernis werden. Wer Sohn oder Tochter mehr liebt als den Herrn, ist Seiner nicht wert (Mt. 10, 37), und jeder, der Seinetwillen Eltern, Besitztum und Geschwister oder Frau und Kinder verläßt, wird dafür Hundertfältiges empfangen und ewiges Leben erben (Mt. 19, 29). Wer sein irdisches Leben retten will, wird das ewige Leben verlieren, wer jedoch Seinetwillen im irdischen Leben zu kurz kommt, ja es sogar verliert, der wird das ewige Leben gewinnen (Mk 8, 35).

Auch das gilt für das göttliche Leben ganz allgemein; gilt es aber schon allgemein, dann erst recht für jene, die zur näheren Nachfolge berufen sind und mit ungeteilter Kraft an der Ausarbeitung des Gottesreiches mitarbeiten sollen. Jesus war weder zufällig noch aus Geringschätzung des göttlichen Eheinstituts ehelos, sondern absichtlich und für Seine Nachfolger vorbildlich. Die Ehe hatte in Seinem Leben absolut keinen Platz. Er ist gekommen, damit wir das himmlische, bleibende Leben haben, nicht, um das vergängliche, irdische Leben weiterzugeben. Das sollte auch für jene gelten, die Er so sendet, wie der Vater Ihn ge sandt hat: zu demselben Zweck und zur selben Aufgabe.

Undenkbar wäre, daß die Kirche die Ehelosigkeit der Priester überhaupt aufgäbe. Sie verlöre damit ihr bestes Stück und würde in einem wesentlichen Punkt ihrem Herrn untreu. Ließe sie sich aber zum Kompromiß herbei, indem sie — ausgenommen besondere Einzelfälle — neben das zölibatäre Priestertum das verheiratete stellte, so wäre dessen Minderbewertung durch das gläubige Volk (das in manchen Dingen heller sieht, als manch gelehrter Herr unvermeidlich.

Es ist auch gar nicht notwendig, im Regelfall verheiratete Priester zu weihen. Das Konzil hat uns ja den verheirateten Diakon gebracht. Bewährt er sich, wird man mehr Diakone brauchen als sich Bewerber finden. Bewährte verheiratete Diakone könnte man dann, vorerst versuchsweise, zu Priestern weihen. Jeder andere Weg für den Eintritt verheirateter Priester in die katholische Kirche scheint ungangbar.

Das aber braucht Zeit. Mehr Zeit, als manchem lieb sein kann, der darnach brennt, katholischer Priester und Ehemann in einem zu sein. Was soll der nun inzwischen tun? Müßige Frage: mit Kopf, Herz und Hand fürs Reich Gottes arbeiten.

Wird sich der Zölibat also von selbst überleben? Nicht mehr, als sich die Kirche von selbst überlebt. Gott, der aus Steinen Abraham Kinder erwecken kann, kann Sich auch (weiterhin) Diener erwecken, die nicht zurück-, sondern nur nach vorne schauen, dem kommenden Herrn entgegen.

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