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Gebrauchskunst von gestern und heute

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Das „österreichische Museum für angewandte Kunst“, wie sich das Kunstgewerbemuseum am Stubenring seit längerem nennt, hat nach schwierigen Aufbauarbeiten dieser Tage den größten Teil seiner Sammlungen dem Publikum wieder zugänglich gemacht; es zeigt — übrigens in glänzehder Aufstellung und Ordnung — Schätze, wie sie an Vollständigkeit und Erlesenheit wenige Museen der gleichen Gattung besitzen dürften; steht doch beispielsweise die Wiener Sammlung an chinesischem Porzellan oder orientalischen Teppichen in der Tat einzig da, nicht zu reden natürlich von der lückenlosen Kollektion von Erzeugnissen der Wiener Augartenmanufaktur, die in den letzten Jahren durch Neuerwerbungen noch vermehrt werden konnte.

Es ist zu hoffen, daß dieses Museum das so lange unter dem Schatten der großen Gemäldegalerien einem Dornröschenschlaf verfallen war, nunmehr zu neuem Leben erwacht. Die Voraussetzungen sind günstig. Einerseits verliert der bildende Künstler mehr und mehr seine aus dem vergangenen Jahrhundert übernommene Mißachtung vor dem „Kunstgewerbe“ — das Museum hat sehr recht getan, dieses mit falschen Vorstellungen belastete Wort aus seinetn offiziellen Namen auszumerzen — und begreift, daß selbst die Trennung in „reine“ und „angewandte“ Kunst nur vorsichtig an- Zuwenden ist, soll sie ihn nicht einer seht schätzenswerten handwerklichen Grundlage seines Schaffens berauben. Es kommt dažu, daß die Postulate, mit denen Adolf Loos und seine Zeitgehossen eine neue Phase der Handwerkskunst eingeleitet haben, nach recht langer Zeit endlich allgemein begriffen werden; und schließlich haben uns — dies wird sonderbar klingen — weniger die Maler, sondern vielmehr Dichter und Literaten gelehrt, Form und Material an den Gegenständen des täglichen -Lebens unter neuen Gesichtspunkten zu sehen und zu würdigeh. Der Gedanke mag absurd erscheinen — aber man könnte heute schon Essays und Dissertationen über den Einfluß Rilkescher Gedichte auf zwei Generationen von Kunstgewerblern und Kunsthandwerkern schreiben, und es ist abzusehen, daß man über kurz oder lang dasselbe von Ernst Jilnger wird sagen können. ‘

Nunt jedenfalls wird man überall dort, wo heute gute Gebrauchskunst zu finden itt, die Tendenz einer Rückkehr zur möglichst reinen und unmodischen Form finden. Wir wissen heute, daß beispielsweise alle Gefäße aus gewissen Grundformen, deren Anzahl recht beschränkt ist, entstehen, daß die klassische Form einer griechischen Amphore im barock-verschnörkelten Prunkgefäß ebenso stecken kann wie in einer bäuerlichen Keramikvase, und wir wissen, daß wahrscheinlich jede Zeit nichts anderes zü tun hat, als die entsprechenden Grund- odėr Urformen neu zu entdecken und zu erkennen. Unter solchen Umständen kann ein Museum wie das am Stubenring rrtit seinen zahlreichen kostbaren Beispielen eine Fülle von Anregungen Und Studienmaterial bieten, ja es kann geradezu Vorbilder liefern, was in gleicher Weise eine Gemäldegalerie niemals imstande ist.

Damit sprechen wir eigentlich schon von der Ausstellung, die irti selben Hause die Schüler der Akademie für angewandte Kunst eröffheten, eine Ausstellung, die im besten Sinne des Wortes modern ist und uns eine Menge von Begabungen vorführt. Da es nicht möglich ist, auch nur alles Vorzügliche zu erwähnen, müssen wir uns mit einigen Notizen begnügen: die Keramikklasse Prof. Obsiegers weist Ausgezeichnetes auf, einfache und saubere Gefäße, die gewissermaßen das Obengesagte erläutern. Einfallsreich und wirkungsvoll die Plakate; eine Reihe origineller und geschmackvoller Buchumschläge, die Kurt Schwarz den Ruhm eintragen dürften, einer der Besten auf diesem Gebiete zu sein, viele Illustrationen unter denen die von Leo T i c hats c h e k hervorstechen, hübsche Textil- und Möbelentwürfe und ein interessantes Ausstellungsprojekt, dem man wünschen möchte daß es einmal in Wirklichkeit umgesetzt würde — man könnte mehr und ebenso Gutes aufzählen und bedauert, es nidit tun zu können.

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