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GEBURT DES NEUEN MENSCHEN

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Den Frauen, die am Ostermorgen voll Furcht und Freude vom Grab heimkehren, hat Gott die wichtigste Botschaft anvertraut, die je aus dem Mund von Menschen an Menschen verkündet worden ist: Sie haben das Grab Christi leer gefunden und sind damit die ersten Zeugen jenes Geschehens geworden, durch das das Schöpfungswerk Gottes in eine neue und entscheidende Phase getreten ist. Im Ereignis des Todes und der Auferstehung Jesu Christi hat Gott seinen Sohn zum ersten Neuen Menschen geschaffen, und damit hat die Geburtsstunde einer Neuen Menschheit geschlagen. Das sollen sie verkünden! Aus ihrem Mund und aus dem Mund der Apostel, die von ihnen zum leeren Grab gewiesen wurden, und seither immer neu aus dem Mund der Kirche soll die Welt es erfahren, daß das Leben und der Tod Jesu Christi nun doch nicht umsonst gewesen waren. Zuerst mochte es wohl so ausgesehen haben. Nach den ohnehin nur bescheidenen ersten Erfolgen war es nur mehr abwärts gegangen, bis dann in der Stunde seines Todes auch seine engsten Freunde verschwunden waren. Nur mehr einige Frauen waren bei ihm geblieben und der jüngste der Apostel, damals wohl noch sosehr Kind, daß er nichts zu fürchten hatte. Damit schien alles gescheitert, aus …

Nun aber kommen diese Frauen und sagen: „Wir haben sein Grab leer gefunden, deshalb wissen wir: er ist nicht im Tod, er ist auferstanden, er lebt!“ Sie sagen damit: Vor Gott war sein Leben und Sterben nicht umsonst. Für Gott ist er nicht gescheitert, für Gott hat er sein Ziel erreicht, denn für Gott war seine Erhöhung an das Kreuz gleichzeitig eine Erhöhung zur Herrlichkeit. Deshalb hat Gott ihn nicht im Tod gelassen und sein Leben auch nicht in Tod und Verzweiflung enden lassen, sondern deshalb hat Gott ihn aus dem Tod auferweckt und ihm ein Leben gegeben, das in Ewigkeit währt. Damit hat sein scheinbar gescheitertes Leben seinen Sinn bekommen. Denn nun mündet das Leben nicht mehr in ewigen Tod, sondern durch den Tod in ein neues Leben. Der alte Jesus ist gestorben, aber ein neuer Christus ist geboren. Er ist der erste Neue Mensch, der als erster ewiges Leben hat, Stammvater einer Neuen Menschheit, die er ins Leben führt, dem alten Adam gegenübergestellt, der sich und die Alte Menschheit ins Verderben geführt hat.

Denn so wie das, was Adam getan hatte, für alle Menschen galt, so gilt auch das, was Jesus Christus getan hat, für alle Menschen. So wie jener, steht nun dieser stellvertretend für die ganze Menschheit vor Gott. Deshalb hat Gott die Tatsache, daß das Leben und der Tod seines Sohnes über den Tod am Kreuz in die Herrlichkeit geführt haben, auch nicht für sich behalten, sondern uns Menschen durch die Offenbarungen des leeren Grabes, der Erscheinungen des Auferstandenen in den Tagen darauf und der Inbesitznahme seines Thrones in der Himmelfahrt mitgeteilt, was mit Jesus Christus geschehen ist. Wir sollen damit wissen: Was er für uns getan hat, war nicht nur nicht umsonst, es war auch nicht nur bloß für ihn getan, sondern es war für uns getan und hat in Ewigkeit Bestand und Geltung als neuschaffende Heilstat überall, für alle Zeit und für alle Menschen. Weil er vom Tod auferstanden ist und ein ewiges Leben begonnen hat, deshalb werden auch wir mit ihm auferstehen und ewiges Leben haben. Deshalb ist das Osterfest nicht nur das Fest seiner Geburt zu einem Neuen Menschen, sondern eben die Gefourtsstunde einer ganzen Neuen Menschheit. Deshalb ist Ostern nicht nur das Fest seiner Auferstehung und seines ewigen Lebens, sondern damit auch das Fest unserer Auferstehung und unseres ewigen Lebens.

Seine Auferstehung verkündet uns also: Auch unser Leben wird nicht scheitern, auch unser Leben wird nicht bloß in einen Tod münden, sondern durch den Tod in ein neues und ewiges Leben. In dieser letzten Schöpfungsstunde aber, die begonnen hat in der Erhöhung durch Kreuz und Auferstehung und die enden wird in der Neugestaltung der Welt, wenn er sich offenbaren wird in Endgültigkeit und dadurch die Welt in einen Neuen Himmel und eine Neue Erde umschaffen wird, in dieser letzten Schöpfungsstunde der Welt also, da ruft der Auferstandene selbst uns unausgesetzt durch seine Kirche, einzutreten in die Gemeinschaft derer, die sich durch die umgestaltende Macht seiner Sakramente neu schaffen lassen zu Neuen Menschen, damit die Frucht seiner Tat nicht umsonst an uns vorübergeht. Was sich in der Stunde seines Todes, der kein Tod blieb, für ihn selbst und für die ganze Menschheit ereignet hat, das teilt er jedem einzelnen von uns mit, wenn wir in der Taufe hineinbegraben werden in seinen Tod, um mit ihm aus diesem Tod mitaufzuerstehen und hineingeboren zu werden in den Glanz seiner Herrlichkeit. Und wenn wir das einmal erhaltene neue Leben der Neuen Menschheit selbst aufs Spiel gesetzt haben, dann ruft er uns zur Umkehr, um uns im Sakrament der Buße wieder Anteil zu geben an der Tat und Kraft seiner Auferstehung. Damit ereignet sich jedesmal in den Sakramenten der Taufe und der Buße für den Menschen, dem sie gespendet werden, eine Auferstehung, so wie jeder Sonntag ein Osterfest für sich ist, weil er immer neu die Feier der Auferstehung Christi bringt.

Von dieser Tatsache ist der Apostel Paulus sosehr erfüllt, daß er in seinen Briefen an die Kolosser und Epheser, dort, wo er von dem österlichen Sakrament der Taufe spricht, sogar schreibt: Durch den Glauben an das machtvolle Wirken Gottes, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat, sind auch wir bereits auf erweckt worden! Unsere Auferstehung ist bereits geschehen, ja mehr noch: Er, der uns mitauferweckt hat mit Jesus Christus, hat uns bereits in Jesus Christus in die himmlische Herrschaft miteingesetzt! (Kol 2, 12; Eph 2, 6). Weil nichts an Christus geschehen ist, was nicht auch an seinen Gläubigen geschehen ist, weil nichts an ihnen geschieht, wag' nicht auch an ihm geschah, deshalb sind auch wir bereits auferweckt und bereits in den Himmel versetzt. Wer an ihn glaubt und sich taufen läßt, der wird in dieser Vereinigung mit ihm in den Himmel emporgehoben. Deshalb hat in der Auferstehung Jesu der Himmel schon begonnen….

Aber: Widerspricht das nicht alles unserer Erfahrung? Ist das nicht ein Hohn auf das, was wir jeden Tag erleben?

Wo ist denn die Neue Menschheit? Ist nicht alles in der Welt seither noch furchtbarer geworden? Und wo ist denn an mir der Neue Mensch? Leide ich nicht immer noch? Sterbe ich nicht? Bin ich nicht immer noch einsam? Gibt es nicht immer noch den Abschied und den Tod? Wo bin ich denn da auferstanden, wo bin ich denn da im Himmel, wo bin ich denn da ein Neuer Mensch?

Eine Fülle von ernsten und bedrängenden Fragen. Paulus weist uns in die Richtung, in der eine Antwort versucht werden kann, nicht mit Worten, sondern mit dem Wagnis eines Lebens nach dem Bild des Neuen Menschen. Er schreibt: „Seid ihr also auf erweckt worden mit Christus, so sucht, was droben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt!Was droben ist, habt im Sinn, nicht was auf Erden!“ (Kol 3, 1 f.). Ostern ist für uns nicht bloß ein Versprechen, auch nicht bloß ein Geschenk, sondern vor allem eine Mahnung. Damit wir daran glauben können, daß wir auf erstanden und zu Neuen Menschen geworden sind, müssen wir das Wagnis eines Lebens als Neue Menschen auf uns nehmen. Nur wer versucht, so zu leben, daß andere an ihm erkennen können, daß er im Grunde seines Herzens bereits auferstanden und in den Himmel versetzt ist — auch wenn ihn selbst der äußere Tatbestand davon noch zu trennen scheint —, nur der wird selbst an diese Tatsache seines Heils glauben und andere davon überzeugen können. Nur von dem wird aber auch einmal alles Äußere, was ihm heute noch einen anderen Tatbestand vortäuschen will, abfallen, und er wird an sich die endgültige Bestätigung dessen erfahren, was ihm jetzt über sich selbst noch verborgen und nur dem Auge seines Glaubens faßbar ist.

Die Mühe des Glaubens bleibt uns freilich nicht erspart.

Jesus hat sie durch seine Auferstehung auch seinen ersten Aposteln nicht abgenommen. Er hat seine Erhöhung nur denen mitgeteilt, die an ihn glaubten — und war es auch nur ein zweifelnder Halbglaube wie beim „ungläubigen“ Thomas — und die bereit waren, an ihn zu glauben. Und daß wir schon mitauferstanden sind, auch das erspart uns nicht den Glauben und macht ihn uns um nichts leichter. Vielleicht sogar noch schwerer, so daß auch für uns, die wir dieses große Wort über uns selbst nicht fassen können, gilt: Wer nicht glauben kann, soll lieben, und er wird durch die Liebe zum Glauben finden. Denn unsere Auferstehung und Einsetzung in den Himmel erweist sich auf Erden durch unsere Liebe. Wer daher nicht glauben kann, daß Jesus Ohristus das alles bereits für ihn getan hat, der soll sein Auge und sein Herz für die Liebe öffnen. Wenn er es gelernt hat, in jedem kleinen Lächeln, in jeder auch noch so zaghaft hingestreckten Hand, in jeder Tat der Liebe, in jedem guten Wort ein Bild der Auferstehungstat Jesu Christi zu entdecken, dann ist er dem Glauben an seine eigene Auferstehung schon nähergekommen.

Und wenn er es weiter gelernt hat, durch seine Liebe anderen Menschen solche Bilder der Auferstehung Jesu vorzuleben, dann kann es sein, daß in seinem Herzen die Hoffnung wächst und ihm die Sehnsucht nach ewigem Leben in ewiger Liebe zur Gewißheit wird. Dann hat er durch seine Liebe bereits die Auferstehung erlebt, weil in seiner Liebe der Himmel auf der Erde Wirklichkeit wurde. Eigentlich lieben kann ja nur der, der aus der Kraft der Auferstehung Jesu Christi lebt, gleich Ob er ihn kennt oder gar nicht kennen will. Und damit steht er vor dem Glauben an die eine große Auferstehung’ Jesu Christi, die auch unsere Auferstehung war und die ihm in jeder Tat der Liebe eines dieser Neuen Menschen begegnet, die der eine Neue Mensch, Jesus Christus, zu seinem Vater führt.

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