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Gedanken aus dem Konzentrationslager

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Dieses kleine Buch ist nicht „Literatur“, sondern ein Lebensbericht. Eine Laienmoral, ein Werkbüchlein der Laienfrömmigkeit. Theologen und Seelsorger können aus seiner Methode lernen — noch fehlen uns ja die praktischen Handbücher einer christlichen Lebenslehre für den im tätigen Leben stehenden Menschen. Schlicht und sehr direkt, nüchtern und ohne Umschweife, geht der Autor seine Themen an, rückt ihnen auf den Leib mit drei Bezügen, auf die er sich ausschließlich stützt: das Zeugnis der Schrift (vor allem der Paulusbriefe), die eigene Lebenserfahrung in Kindheit und KZ und einige kurzgefaßte Reflexionen, die den großen Zusammenhang zu Zeit, Kirche, Umwelt herstellen.

Das Hauptthema heißt: Konzentrationslager lehrt beten, ins Allgemeine übertragen: die Not unserer Zeit ist die große Chance, aus einem verbürgerlichten Gewohnheitschristentum der „SChwindsuchtchristen“ aufzuwachen. Mit sicherem Instinkt geht der Laie auf das Wesentliche der christlichen Lehre los: es ist die Bergpredigt, die eine neue Welt stiftet, die das Gesetz und seine Kreislauf- und Vergeltungsmaschinerie (ich schlage und werde geschlagen, strafe und werde gestraft) überwindet.

„Hat der moderne Mensch überhaupt noch einen Sinn für das Gebet? Wer betet heute noch?“ — Meist ist unser Gebet nur Bittgebet, wir denken nicht an das Gotteslob, und wir vergessen das Wichtigste, das Bußetun, die innere Umkehr und Umsinnung Das Vaterunser, das Herrengebet, enthält eine praktische Lebenslehre, das ist die Erfahrung des Autors in den Jahren der Not. — An den Vater im Himmel ist aber nur der Mensch zu glauben geneigt, der den eigenen Vater lieben und schätzen gelernt hat. Hurdes beginnt also von seinem eigenen, sehr gütigen und vorbildlichen Vater zu erzählen. Eine simple Geschichte, wird man sagen, doch birgt sie den Hinweis auf eine große Tragödie der letzten Jahrhunderte, deren Kampf gegen den Vater (die patriarchalische Gesellschaft, den Vater-König, den Vater-Theologen) in Sturm und Drang, Revolution und Säkularisation den Kampf gegen den Vater-Gott eröffnete. Vaterhaß und Ödipuskomplexe unserer „Gesellschaft“, wie viele Kinder kennen, achten, lieben nicht ihren Vater. Hier sind die Wurzeln des modernen Unglaubens — Zersetzung und Zerstörung der Familie. Gott ist „der Vater aller Menschen“ — der Autor illustriert diese wie die im folgenden explizierten Leitsätze des Vaterunsers an sehr farbigen, scharfumrissenen eigenen Erfahrungen. So diesen ersten Satz an der Begegnung mit mit-gefangenen Ukrainern im KZ. Das „Geheiligt werde Dein Name“ illustriert eine Enisode im Jahre 1938 in einem aufgehobenen Kloster — der Heilsname des neuen Diktators sucht den Heilsnamen des alten Gottes zu überwinden; es ist dieselbe Situation wie einst, als der Kyrios Nero dem Kyrios Christus den Rang im Himmel und auf Erden streitig machte. Kyrie eleison ... In der Stunde des Todes sind wir bereit, Gott die Ehre zu geben und seinen Namen zu preisen. „Wie schaut es aber gewöhnlich in unserem Leben aus?“ (S. 64.)

„Zukomme uns Dein Reich“: Der Mensch hat die Wahl, in zwei Reichen zu leben, im Reich Gottes oder dem des Teufels; eine einfache, eine furchtbare, eine uns allen unangenehme Wahrheit. Der Autor beleuchtet sie mit Bildern aus der Biblischen Geschichte seiner Kindheit — wie wichtig ist eine gesunde Familienfrömmigkeit als religiöse Substratbildung der Person! Hurdes zeigt diese Tatsache auch bei der Schilderung der Herz-Jesu-Verehrung seiner Mutter auf (S. 142) — und mit einem Hinweis auf ein Bild unseres Alltags: der reiche Fabrikherr fährt, ohne einen Blick auf seinen kleinen Angestellten zu werfen, in seinem Luxuswagen zum gewohnten Gelage. Am Tor der Ewigkeit wird sich zeigen, welcher Reichsdienst der richtige war. Reich Gottes, Reich des Mammons ...

„Dein Wille geschehe“: Wie viele seiner Leidensgenossen, möchte auch unser Autor die Erfahrung der KZ-Zeit nicht missen. „Leidenszeit ist Gnadenzeit.“ Nüchtern weist er auf die zwei wesentlidien Sinnbeziehungen des Leidens hin: Leiden als Sühne für eigene Schuld und sdiuldloses Leiden als „wertvolles Werk innerhalb des göttlichen Lebensstromes“ im Sinne des Kolosserbriefes (1, 24). Wir wiederholen es: Seelsorger und Prediger mögen sich hier ein Beispiel nehmen, wie' man christliche Grundwahrheiten knapp, deutlich, ohne Klausel und Verschönerung sagen kann. Das gilt in hohem Maße für die Illustration des „Vergib uns unsere Schuld“ — die Nacht im KZ ira Schneesturm am 24. Jänner 1939, die Forderung der Feindesliebe: „Haben die Christen nicht die Verpflichtung, das Gebot Christi, auch die Feinde zu lieben, ernst zu nehmen und zu verwirklich en ?“ Eine alte Erfahrung wird neu erlebt: die Kraft des Gebetes. Dieses besitzt die Macht, die Menschen und die Umwelt des Betenden zu wandeln. Mit dem Bericht über entscheidungsschwere Gebetserhörungen schließt das Buch. Und das ist sein Sinn, sein Wert: ein im tätigen Leben stehender Laie sagt, was ihm der Glaube bedeutet, welche Macht er besitzt, ein Laben hier und heute durch die schwierigsten Situationen zu tragen, zu führen und zu wandeln.

Friedrich Heer

Unser technisches Wissen von der Musik.

Von Professor Dr. Hermann M a t z k e. Mit 207 Abbildungen und Tafeln. Verlag Franz Pemeder, Wien. 604 Seiten.

Der Verfasser — Gründer und Leiter des „Instituts für musikalische Technologie“ und Lehrer an der Technischen Hochschule in Breslau, Autor zahlreicher SpezialStudien und Herausgeber der Instrumentenbau-Zeitschrift, — gehört zu den wenigen Fachleuten, die das sehr umfangreiche Gebiet der Musiktechnik nicht nur aus jahrelangem Studium genau kennen, sondern auch überblicken. — Ziel dieser umfangreichen Materialsammlung, die sich über 600 große, engbedruckte Seiten erstreckt, ist, dem Laien ein tieferes Verständnis, dem Fachmann eine Ubersicht über die Nachbardisziplinen zu vermitteln. Das Anliegen Professor Matzkes ist deshalb dringend, weil die Technik auf ständig sich verbreiterndem Feld die Musikübung trägt und beeinflußt, andererseits aber Musiker. Musikwissenschaftler und Publikum in einer Art Ressentiment gegen die Technik verharren, das nicht gerechtfertigt erscheint. Benn: „Die Naturgesetze gelten für die Technik wie für die Musik auf der ganzen Erde. Beider Ziel ist das Einfangen und Beherrschen der hier obwaltenden ungefaßten Kräfte in gewollter Gestaltung höherer Art durch den Menschen.“ Für die musikalische Technologie, welche die Grenzen zwischen Musik und Technik überbrücken soll, heißt das: „der Stellung der Technik im Rahmen des Kunstwerks innerhalb der musikalischen Aufführung und ihrer Grundlagen nachzugehen, für eine anorganisch technische Aufbereitung der Tonkunst im Sinne letzter Ausdrucks- und Wirkungsmöglichkeiten tätig zu sein“. Neben den hohen fachlichen Qualitäten liegt der Vorzug des vorliegenden Werkes in der inneren Einstellung des Autors, wie sie sich im letzten

Passus des zitierten Satzes spiegelt. — Die Gliederung des Buches ist einfach und logisch. Drei große Abschnitte behandeln: den Werkstoff, die im Bereich der musikalischen Technologie wirksamen Kräfte (Akustik und Elektroakustik, Mechanik, Chemie, Elektrizitätslehre usw.) sowie Bau, Behandlung und Pflege • der Instrumente. • Obwohl diese drei Teile eine den Laien überwältigende Stoffülle bieten, gibt der Verfasser zu verstehen, daß es sich bei dem vorliegenden Werk lediglich um eine „Standortfeststellung und Geländevermessung“ handle und ein geplantes vielbändiges Handbuch der musikalischen Technologie nur von einer Gemeinschaft von Spezialisten geschrieben werden könne. Dem mutigen Verlag gebührt für die Betreuung dieser Arbeit volle Anerkennung, zumal bei uns immer seltener davon zu hören ist, daß ein ernstzunehmendes wissenschaftliches Werk seinen Verleger findet...

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