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Gedanken eines toten Jägdhundes

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Ich weiß es ja — kein Hund, der auch nur ein bißchen auf sich hält, tüt so etwäs, aber mir wird nichts anderes übrigbleiben. Bald werde ich abends mit unserer Katze iih Garten auf und ab prorrieriieren! Nichts gegen unsere Mirl, Herr, gewiß riieht, aber sie ist eben doch nur eine Katze! Stell dir nur einmal vor: Ich erzähle ihr die Geschichte von Weipo, dein edlen Elch — und sie gähnt! Und ich Spreche zü ihr von Suto, dem listigen Rottcufel — sie schläft ein! Urid ich seh’s ah ihrer süßlichen Schnäuze und wette den saftigsten Knochen gegen einen Tannenzapfen, daß sie wieder von dem erbärmlichen Kater von nebenan träutht, der auf allen Vieren lähftit! Aber rriag sie schlafen! Nur ich finde keine Üühe, ich liege schlaflos da üffd quäle mich äb!

Ach Herr! Wehn ich hur wüßte, was geschehen ist! Dü bist jetzt gäriz anders! Seit jenem Täg hast dü Mich hie mehr angeschaut! — Drüben iff der Stube hängen deine zwei Pfeifen, und keirie hast du mehr angeführt. Nicht die kleihe, äüs der es so vornehm dufter, wenn du hineinbläst, und nicht die wundervolle große, durch die du unter Blitz und Donner auf die Hasen spuckst, daß sie liegenbleiben im Schnee. Was ist denn geschehen? Warum bist du jetzt so ganz anders als früher?

Spürst du denn Aicht, wie die Na'chte kälter werden und der Mond immer größer? Wollen wir denn nicht endlich einmal nach- šehen, ob die heimliche Fährte noch immer geht am Teich, du weißt doch, die mit dem aufregenden Geruch! Und hör nur: In der Schneise droben steht der tolle Bock vom Vorjahr wieder, den du — aber mach dir hichts draus! —, den du gefehlt hast; ohne Zu flunkern, Herr, ich spür’s doch in allen Sehnen: Er steht wieder dort, ufid heuer bekommen wir ihn! — Wie lange wollen wir hoch warten? Im Vertrauen, Herr, und ich šag’s bestimmt nicht Weiter! — aber spürst flicht du auch schon manchmal dieses verdächtige Reißen und Stechen in Knie und Rücken? — Siehst du, da haben wir es: fe-heumatismus! Noch ein, zwei Jährchen, Und wir zwei sind erledigt! Sollten wir da hicht doch lieber jetzt die Zeit noch nützen, So lange es geht?

Wie haben wir doch früher zusammen gejagt um diese Zeit! Ich war nicht schlecht Zur Jagd, nicht währ. Herr — nein, das war ich bestimmt nicht! Weißt du noch, wie ich dir den prächtigen Sechzehnender brachte drunten in der Äü? fes war fürchtbär aufregend — er wollte dach dem Fluß dürch- brechen riiit aller Macht — sein scharfes Geweih funkelte vor Zorn — aber ich habe ihn dir gebracht, nicht wahr, find du bist ihn zuschanden gespuckt! Ach, wäs wäreh das doch für herrliche Zeiten. Und jetzt ist plötzlich alles aus?

Gewiß, Herr, du läßt iriich auch jetzt nicht etwa hungern, meide Schüssel ist voll an jedem Täg — und Wehri sie jä eiliniai nicht reicht, So šilote ich ftiir selber hoch so allerlei — verzeih, Herr, hur so Kleihigkeiteh, verstehst du, nichts besonderes! —, aber was helfen mir alle Kriöchen der Welt, wenn du mich nicht ein einziges Mal mehr anschaust! Ich habe schob fast keinen Appetit (rieht, ich bin initiier ihüde — ich fürchte gär, ich werde doch krank —, senäti dir nur einmal meine Zühge all; hast du sdioh eihriiäl eine solche Zürige gesehen? Gewiß Fehlt mir was Ernstliches — ach, wahrscheinlich Üiüß ich bald sterben! Gestern träumte riiit so schwer, das ist ein schlirrirrifes Zeichen, ich weiß das noch von Mlittet!

Wie träürig das ist — ich wäre jetzt im schönsten Alter! Aber auf die Dauer hält das kein Hund aus! Siehst du, das ist jetzt mein Leben: Vorgestern deri gelben Köter aus dem Dorf, der nachts immer Radau macht, hinter dem Haus gestellt und bestraft! Gestern die freche Henne vom Nachbarn endlich doch erwischt und bestraft! Heute früh zwei Maul- würfe irii Gärten gefaßt und bestraft! Mittags Beim Nachbär h äüf die zweite Henne gelauert, dabei selber erwischt worden. Ich stellte mich zWär verrückt, aber sie ließen es nicht gelten und verdroschen mich grauenhaft! So g’eht theih Leben hin: Taten los und deh tückischen Nachbarn hilflos ausgeliefert! Tue ich dir denn gar nicht leid, Herr? Das ist doch kteih Leben für uns zwei!

Dabei könnte alles so schön sein! Ich würde ällfes tfih, Was du von mir verlangst. Sag riut ein Wöht, Hert, und kh gehe auch nachts nie mehr heimlich fort du weißt jä, das niedliche Däckelriiädclien drinnen im Dorf, das süße mit den heißen Kulleraugen —, sag nur ein einziges Wort und sie ist Luft Für mich, ich tnäg sie nicht mehr —, äde, Dackeline, Weg Voll riiir, fort mit dir — pfui! Aber sei du dafür wieder lieb zu mir, Herr! Doch du hast mich völlig vergessen.

Wie glücklich war ich früher! Ich war dein Freund, dein Kairierad, kh war immer bei dir! Wir beide gingen miteinander durch die Nächte — wir standen drunten am Fluß, wir beide ganz allein! Mein großer Herr und ich! Niemand im ganzen Land hat einen solchen Herrn wie ich! Ich bin so stolz auf dich! Du bist viel schöner als all die Knechte um dich her! Und deine Stimme war so gut, wenn sie mich rief. Warum rufst du mich nie ihehr! Wenn ich deinen Duft spüre, wen® ich deine Schritte höre draußen iih Gärig —, wenn du hereinkommst, dann fängt mein Herz wie irrsinnig zu klopfen an. Ich warte auf deirie gute Hand, unter der ich einmal sterben möchte, wenn die letzte große Jagd zu Ende sein wird, aber ich warte immer umsonst, du hast mich völlig vergessen!

Wenn es schon nie mehr so sein kann wie früher, dann säg mir dbeh wenigstens, was eigentlich passiert ist — diese Ungewißheit ertrage ich einfach dicht länger. Habe ich dich gekränkt? Oder irgendein anderer?

Aber ich fürchtfe, es hädgt äFles mit der stillen Frau, deiner Frau, zusammen, die seit jenem unheimlichen Tag nicht mehr im Haus ist. Ist es das? Ach, dann laß es dich doch nicht so betrüben. Ich hatte sie ja auch recht gfern, sie hat nur ein bißchen zuviel herumgescheuert im Haus, und Fuchsgeruch mochte sie auch nicht — ich hab’s ihr schon verziehen! Und dü hast sie geliebt, ja, aber wfeißt du dehn nicht: Wer einmal dir gehört hit, kann dich doch gar nicht verlassen! Wenn sie jetzt auch förtgegangeh ist — Flauen sirid unberechenbar, das sagte schon mein Vater —, aber glaub mir: Irgendwo wartet sie auf dich, denn von dir kommt man nicht mehr fort! Irgendwo wartet auch iife, So wie ith hier warte — auf dich, meinen Herrn!

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