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MÄDCHEN IM MAI. Roman. Von Bruce Marshall. Verlag Jakob Hegner, Köln 1959. 271 Seiten. Preis 15.80 DM.

Seriöse Menschen und Erwachsene lesen nicht gern Bücher, in denen „Religiöses“ und „Kirchliches“ mit Humor beschrieben sind. Sie tun so, als gehörten s.olche Wirklichkeiten nicht ins Geschaffene, sondern in einen Extraraum Aber nur Gott ist jenseits und anders — alles andere gehört zur vergänglichen Welt, ist von diesem Gott geschaffen — auch die Gnade ist ein Geschöpf Gottes. Warum sollte man also nicht auch die Menschen, Einrichtungen und Dinge, die um Gott herum sich mit Gott beschäftigen, heiter von der heiteren Seite besehen dürfen? Das tut und kann Bruce Marshall — auch wenn es oben Genannten nicht paßt, anderen aber um so mehr. — Konfessioneller Ehrgeiz auf dem Kricketfeld zwischen den verschiedenen „Hochwürden“ katholischer, presbyteri-anischer, episkopalischer Observanz; die Ehe- und Kindersorgen eines protestantischen Kanonikus; der Theologus aus der schottischen Episkopalkirche mit Liebeskummer wie jeder Jüngling; und das „Mädchen im Mai“ auf Fluchtversuch mit dem Geliebten. Wenn, dabei dem Dichter in Nebensätzen noch so gute und richtige, humorvoll formulierte Wahrheiten einfallen — dann kann man sich nur freuen, lesen, weiterlesen und wieder lesen. Nichts Strenges, nichts' Anstrengendes liest man hier; aber man liest auf diese Weise die Wahrheit lieber, weil man mit dem Herzen dabei sein darf.

DAS LETZTE SPIEL. Roman. Von Bernard K e m p. Übertragen von Hermann Hermanowski. Verlag der Bonner Buchgemeinde. 155 Seiten. Preis 10 DM.

Die Mundharmonika, das Patiencespiel, das Billardspiel, das Schachspiel, die Würfel — an Spielen erholen sich die hier geschilderten Menschen: sie gewähren und verschaffen sich selbst Lebensraum, Abstand und Überblick. Der Held dieses Romans, ein junger Mann, erzählt diese Geschichten der Spieler und ist selbst einer, der unser Leben als gewagtes Spiel — nicht mehr, nicht weniger — auf sich nimmt. So lohnt es sich, ohne Resignation und ohne Überanspruch an das hiesige Leben, d a zu sein . . Das ist ein gutes Buch: über das Spiel im Ernst unseres

DER GROSSE HERR. Von Cor Ria Leeman. Übersetzt von Georg Hermanowski. Bonner Buchgemeinde, Bonn 1959. 250 Seiten. Preis 10 DM.

Ein armer Negerstamm, Baumwollfelder, ein böser, saufender, weißer Fremder mit der Peitsche. Das alles wäre wie schon oft gehabt und gelesen. Aber hier kommen noch zwei Hauptgestalten dazu: der Engel Gabriel und Der Große Herr — also Gott selbst und Sein schwarzhäutiger, hornblasender Engel. Und wie diese beiden göttlich und engelhaft eingreifen ins Leben der Neger! So wie es eben Gott und der Engel immer tun: sie helfen, aber ohne besondere Wunder — sie sind da, aber ohne besonderen Aufwand: sie lassen den Menschen die Freiheit: „Er (gemeint ist der junge Neger Mwanza) muß noch viel lernen, aber nicht alles an einem Tag.“ Von solcher Freiheit verwöhnt, wird das Leben nicht leichter, aber richtiger, wird wachsen, nicht gedrillt. Vor allem werden im Busch Gott und Sein Bote spürbar, weil die Menschen noch nah an der Natur sind — selbst wenn diese oft grausam durchlebt wird. Das Gebet im Busch ist besser als bei uns:

Es ist das Gebet eines Menschen in tiefer Not. Er findet nicht die rechten Worte. Aber Ich (Gott) höre sein Herz bereits sprechen . . . Eigentlich bittet er um nichts. Er überläßt alles Mir. So gut hat er es noch nie gesagt...“

Wie Gott Seine Neger, so lassen die Neger Gott frei: darum kommen sie zueinander und kommen miteinander aus. — Dieses Buch ist eine Dichtung, eine religiöse Dichtung: auf diesen 250 Seiten ist nichts falsch, nichts verkürzt, nichts in Schwarzweiß gemalt; Poesie im echten Sinn des Wortes.

DER BAUM MIT DEN BITTEREN FEIGEN. Erzählungen aus dem Süden der USA. Ausgewählt und übertragen von Elisabeth Schnack. Diogenes-Verlag, Zürich 1959. 423 Seiten. Preis 19.80 sfr.

Neunzehn Erzähler, teils noch lebende, teils längst verstorbene, sind in diesem Buch gesammelt. Sie schreiben vom Leben in den Südstaaten der USA — von diesem ländlichen, erwachenden, heftigen Leben. Obwohl es immer ein wenig brutal oder grotesk zugeht, stecken diese Novellen voller Poesie: Menschen sind immer so — auch wenn sie in Umwelten daheim sind und akute Probleme haben, die wir Leser nicht besitzen. Viel Unterhaltung, viel Ausgespartes, das zum Nachdenken reizt, bietet sich in diesem Buch an.

HERRLICH UND IN FREUDEN. Roman. Von Compton Mackenzie. Aus dem Englischen übersetzt von Elisabeth Schnack. Benziger-Verlag, Zürich 1959. 299 Seiten. Preis 13.80 sfr.

Ein herrlicher Unsinn und doch „Menschen wie du und ich“ — mit solchartigem Gefühl verläßt man die reisenden Helden dieses Romans. — Söhne schottischer Standesherren mußten manchmal in Indien Militärdienst tun und lassen es sich dort zum Verdruß der Väter gut gehen. Ein solcher Vater geht aus, seinen Sohn von einer unstandesgemäßen Heirat zu retten und — findet alles ganz anders vor, als die lieben Nachbarn es ihm berichtet hatten. Sogar die Auserwählte ist 60 sympathisch, daß es dem Sohn fast zuviel wird, wie der Vater sie hofiert.. . Der mitreisende köstliche Griesgram Hugh Cameron wird durch die Erlebnisse in Indien weniger grämlich, fast friedlich. Land und Leute Indiens, der Kolonie und der Schotten sind liebenswert geschildert. Mackenzie, dem Autor des bereits bekannten „Whiskyschiffes“, ist für diesen Reisebericht zu danken.

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