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Gefährliche Hetze

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DAS TOTE GELEISE. Roman. Von Olga Barėny I. Kismet-Verlag, Münchenl961. 320 Seiten. Preis 18.80 DM.

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DAS TOTE GELEISE. Roman. Von Olga Barėny I. Kismet-Verlag, Münchenl961. 320 Seiten. Preis 18.80 DM.

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Umschlag, Klappentext und der von der Autorin dem Buch beigelegte „Brief an den Leser“ Jassen nichts Gutes ahnen. Da stehen auf dem Umschlag Ausschnitte aus Rezensionen eines früheren Romans der Frau Barényi mit dem Titel „Der tote Briefkasten“. Allein die Namen der Blätter, die dieses Buch emphatisch begrüßten, sind aufschlußreich: „Wegwarte“ (Wien), „Der deutsche Soldat" (Flensburg), „Nachrichtenblatt der Marine-Offizier-Hilfe“, „Für Heimat und Recht“ (Wuppertal- Elberfeld) usw. usw. Erwähnt sei hier nur der erste, aus der „Bundesturnzeitung“ (Linz) zitierte Satz: „,Der tote Briefkasten' — ein Pflichtbuch für alle Dietwarte...“ Und in dem erwähnten „Brief“ der Autorin zu ihrem neuen, hier vorliegenden Buch steht der „schöne“ Satz die

Toten von Prag und Budapest haben mehr verloren, und beinahe täglich verlieren Menschen bei verschiedenen KZ-Prozessen die Freiheit...“ Sollte Frau Barényi nicht wissen, daß es sich dabei um Personen handelt, die seinerzeit in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben? Ähnliche Verbrechen wie die von tschechischer Seite, gegen die sie in ihrem Buch zu Felde zieht!

Gewiß, man weiß nach solchen „Einführungen“, von woher hier der Wind weht, und eigentlich hatte ich vor, mich zu denen zu gesellen, deren Schweigen zu ihrer Produktion Frau Barényi sehr übel nimmt. Aber, darf man schweigen, wenn in einer so völlig unzulässigen Weise über die Geschehnisse unserer jüngsten Vergangenheit berichtet wird? Ich glaube, man darf es nicht, man muß Stellung beziehen.

„Das tote Geleise“ ist der zweite Teil der „Trilogie des Todes“ (der erste nannte sich „Prager Totentanz", und wir haben über ihn in unserer Nummer vom 6. Dezember 1958 berichtet), in der Olga Barényi so unnachsichtig über die dämonischen Geschehnisse nach Kriegsschluß 1945 in der Tschechoslowakei berichtet. Es liegt uns fern, die zahlreichen Greuel- taten an Deutschen zu beschönigen, die damals in Prag und anderen tschechischen Orten begangen wurden. Aber die Maßstäbe müssen stimmen! Es geht nicht an, gleichzeitig die deutschen Verbrechen des Naziregimes im „Protektorat“ und anderswo in der Welt zu verharmlosen, wie Frau Barényi das unentwegt tut. Sie ist klug genug, die deutschen Konzentrationslager zu erwähnen, aber man könnte nach ihrer Schilderung meinen, diese seien die reinsten Sanatorien gewesen, verglichen mit den tschechischen Gefängnissen und Internierungslagern, in denen Deutsche gequält wurden.

Da heißt es zum Beispiel auf Seite 95: „Der Bischof Beran. Jetzt ist er Erzbischof. Der ist schon in Prag, in Buchenwald war er, sagen die Gefangenen, aber er wurde nicht schlecht behandelt. Auch einige aus Buchenwald sind hier, hier im Gefängnis, wieder eingesperrt, weil sie Deutsche sind. Härte zu den Deutschen predigte der Erzbischof, und den Kommunisten Gottwald hat er in einer langen Audienz empfangen. Nein, das ist nicht christlich. Härte zu predigen. Härte hat der Gekreuzigte nicht gewollt...“

(Es sei hier angemerkt, daß Frau Barényi über das Christentum nicht allzuviel zu wissen scheint; sie läßt nämlich einen Kirchendiener auf Seite 94 sein Gebet mit den Worten „Gelobt sei der Vater, der Sohn und der Heilige Geist“ beginnen!)

Viele Male auch verunglimpft sie durch Aussprüche und Stellungnahmen ihrer Figuren die Juden auf schäbige Weise. Auf Seite 107 lesen wir vom Unwillen einer Mengt über die sich breitmachenden Juden:

„Vor allem reizt es die Menge, daß die Juden beim Fenster in dem Kaffeehaus sitzen und ruhig Karten spielen. Mit Fäusten drohen sie ihnen und brüllen ohrenbetäubend. Die Juden lächeln aber nur. Nichts wird ihnen geschehen, sie sind ja KZler..."

Auf Seite 182 heißt es:

während der ganzen Protektoratszeit haben sich in Prag nicht so viele umgebracht wie jetzt in einer Woche..."

Oder die Frauen von Lidice sieht Olga Barényi allein als Propagandagestalten, die dem kommunistischen Regime sehr gelegen sind:

„Die Frauen von Lidice sind dressiert wie die Hunde ... Ihnen zu Ehren werden immer noch Deutsche abgeschlachtet wie

Opfertiere... So lange sie noch heulten, war es noch halbwegs gut; jetzt reden sie aber. Alle. Sie halten Vorträge. Kurze, schlechte Vorträge, aber sie wissen, was man von ihnen hören will. Rache und immer wieder Rache..."

Über den tschechischen Journalisten Julius Fu.cik weiß Frau Barényi zu berichten, daß er ein Gestapospitzel war:

„Wen Julius Fu'cik brüderlich umarmte und auf russische Art auf die Wange küßte, der war verloren. Trotz dieser großen Dienste für die Gestapo wurde dieser Spitzel im Gefängnis Plötzensee hingerichtet. Oder gerade darum.“

Diese Folgerung ist freilich etwas überraschend!

Im Zusammenhang mit Fu.cik bekommt auch die katholische Kirche ihren Teil ab. Sie schwieg, laut der Autorin, über den wahren Sachverhalt (Fu.cik betreffend), „denn dieses Schweigen versprachen die Kommunisten durch die Nichtenteignung des Eigentums der Kirche zu belohnen". Und Fu'ciks „Reportage unter dem Galgen“, die nach Frau Barényis Angaben nach seinem Tode zu Propagandazweckeii von prominenten Kommunisten geschrieben wurde, konfrontiert sie mit „dem ebenfalls deutschfeindlichen Buch .Der SS-Staat' von einem gewissen Eugen Kogon, einem Deutschen, der angeblich im Lager Buchenwald allen lockenden Angeboten der SS standhaft trotzte...“.

Die Kommentare zu solchen Unverfrorenheiten können wir ruhig nnseren Lesern überlassen. Ein Trost ist immerhin, daß das offizielle Deutschland sich von den Publikationen der Frau Barényi energisch distanziert hat.

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