Gefahr, Lachen zu verlernen

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Gudula Walterskirchens Streifzug durch die österreichischen Mentalitäten erfüllt nur zum Teil den humoristischen Anspruch, den sich die Autorin selbst setzt.

Man hält sich besser an den Untertitel: "Satirische Einblicke und Ausblicke". Wenn nämlich Gudula Walterskirchen meint, sie wolle die "humoristische Lücke" auffüllen, die in den Stellagen der Buchhandlungen klafft, dann führt sie den Leser an der Nase herum. "Wir sind nämlich in Gefahr, das Lachen zu verlernen", schreibt sie und weckt die Erwartung, dass dieser Gefahr endlich abgeholfen wird. Ihr gründlicher Streifzug durch die österreichischen Mentalitäten macht aber nicht gerade fröhlich.

Mit Ausnahmen. Die Dialogszenen, die den Text regelmäßig unterbrechen, erreichen bisweilen Nestroy'sches Niveau. Vom (abgeschafften) österreichischen Aristokraten bis zum Strizzi am Würstelstand versteht es die Autorin, den Ton zu treffen und so zuzuspitzen, dass die Karikatur zum treffenden Konterfei einer Gesellschaftsschicht gerät. Man könnte diese Szenen aufführen: Das Kabarett wäre durchaus gelungen.

TAN statt "Hackler"

Das aber sind nur Einsprengsel im Haupttext, der die Österreicher standesgemäß abarbeitet: Adel, Bürger, Bauern und "Hackler" zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass es sie nicht mehr gibt oder geben darf. Die Aristokraten wurden per Gesetz abgeschafft und werden immer weniger, weil der Kaiser fehlt, um neue zu ernennen. Ebenso schrumpft der Bauernstand, und die Proletarier sind auch nicht mehr, was sie einmal waren. Den Bürger gibt es noch, aber eingedenk seines biedermeierlichen Ursprungs lebt er gern hinter den Kulissen und streift am liebsten nirgends an.

Da diese traditionellen Stützen der Gesellschaft nur mehr wenig ausrichten, erfindet Walterskirchen den TAN, um zu zeigen, wer wir heute sind. Der TAN ist der "traditionslose Arbeitnehmer", also wir alle, mit kleinen Differenzierungen: Arbeiter, Angestellte, Beamte und Pensionisten, Politiker und ehemalige Revoluzzer, samt ihren Beziehungen zueinander und zu den zugereisten Neo-Österreichern. Sie alle beschreibt die Autorin mit originellem Stil und leichter Hand. Doch ihr "kritischer, aber dennoch liebevoll-ironischer Blick", den sie zu haben vorgibt, ist eher der Blick einer traurigen oder enttäuschten Journalistin (die Ausdrücke mögen zu gewichtig sein), die den Mut hat, leicht zu nehmen, was nicht zu ändern ist. Ich begegne einem ernsten Buch, lese zu viel unbestreitbare Realität, die mir auf die Seele fällt, ein Gewicht, durch den Luftballon der Satire in Schwebe gehalten.

Wasser statt Wein

Vielleicht ist gerade das die Qualität des Buches. Die Journalistin, die sich mehrfach als präzise arbeitende Historikerin verdient gemacht hat, weiß zu genau, wie es um die Österreicher steht, um sich wirklich darüber lustig zu machen. Das Schlusskapitel zeigt denn auch, wie weit es mit uns kommen wird: In 150 Jahren leben wir vom Quellwasserverkauf und installieren wieder einen Kaiser als Touristenattraktion; wir trinken Wasser statt Wein und sind definitiv humorlos geworden. Da bleibt dem Leser das Lachen im Hals stecken, und das ist gut so. Vielleicht ist es die einzige Chance, eine solche Zukunft zu verhindern.

DIE ÖSTERREICHISCHE G'SELLSCHAFT

Satirische Einblicke und Ausblicke

Von Gudula Walterskirchen

Mit Zeichnungen von Markus Szyszkowitz

Amalthea Signum Verlag, Wien 2006

262 Seiten, geb., Euro 19,90

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