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„Geh, samma per Du ...”

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Nicht erst seit der Affare rund um Wolfgang Schüsseis Äußerungen ist das heikle Verhältnis von Politikern und Medienleuten ein ergiebiges Thema.

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Nicht erst seit der Affare rund um Wolfgang Schüsseis Äußerungen ist das heikle Verhältnis von Politikern und Medienleuten ein ergiebiges Thema.

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In Österreich kommen sich Journalisten und Politiker sehr schnell sehr nahe. Anlässe dafür gibt es zu-hauf. Eine Regierungsklausur im Strandhotel, der obligate Heurige einer Wochenzeitung, das Ende langer Plenarsitzungen. Zum Anlaß fließt Alkohol, der seit jeher Menschen zusammenbringt. Bei einem Achterl nach getaner Arbeit und gegenseitigen Anlehnungs- und Mitteilungsbedürfnissen - „es gibt natürlich auch so .Kuscheltypen in der Politik” (Journalist Nr. 8) - wirkt das höfliche „Sie” schnell fehl am Platz, „und irgendwann bei diesen Begießereien bis weit nach Mitternacht bist halt dann per Du” (J 8).

Das Publikum, der Wähler ahnt freilich wenig von diesen klammheimlichen Mesalliancen. Die Symbiose zwischen Journalist und Politiker findet hinter den Kulissen statt. Machthaber und Kritiker dürfen nämlich, entsprechend einem Idealbild der Demokratie, nicht in einem Boot sitzen und dieselben Lieder singen. Vielmehr sind sie Kontrahenten mit klar definierten Bollen, wie sie es vor laufender Kamera nur allzuoft eindrucksvoll inszenieren.

Nicht erst seit Bundeskanzler Viktor Klima ist das vertrauliche „Du” zwiscfeesdfiprnalisten u$d Politikerp in hohen Funktionen längst die Be-gel. Aus einem sehr frachtbaren Nährboden, begünstigt durch den überschaubar-kleinen Medienplatz Wien und die tägliche Begegnung im -mer derselben Menschen, erwachsen persönliche Naheverhältnisse, die von einfacher Bekanntschaft über echte Du-Freundschaft bis hin zur „Verha-berung” oder „Kumpanei” reichen.

Die Mehrheit der befragten innenpolitischen Journalisten gab an, jeweils mit etwa einem Dutzend Parlamentariern und Ministern per Du zu sein. Acht von 13 zählten durchaus auch Politiker - im Durchschnitt fünf bis zehn - zu ihrem engeren Freundeskreis. Ergeben haben sich solche Vertrauensverhältnisse entweder in der Vergangenheit (gemeinsames Studium etc.) oder durch eine lange Berafsbeziehung: „Nach 25 Jahren hat mir der Klubobmann das Du-Wort angeboten” (J 5).

Beruflich bringen Freundschaften Vor- und Nachteile. Enormer Be-cherchevorsprang - „Ich kann innerhalb von 15 Minuten eine Geschichte aufstellen” (J 5) —, der sich aus dem direkteren Kontakt ergibt, hält sich mit schwierigen Situationen wie Heimlichtuereien - „Wenn andere dabei sind, siezen wir uns” (J 10)-und der berühmten „Schere im Kopf” die Waage. Jene Journalisten, die das Du-Wort ablehnen - „Ich duze nie zurück” (J 2) -, erkennen aber auch die Gefahr der Instrumentalisierung und vermuten hinter einer gar zu herzigen Miene eiskalte Machtausübung der Politiker.

Kaum jemals beachtet werden geschlechtsspezifische Unterschiede im vertrauten Umgang zwischen Journalist und Politiker. Männerfreundschaften - „Bei Männern ist es eine Habererpartie” (J 3) -, wie eng auch immer, definieren sich häufig über gemeinsame (Trink-)Erlebnisse und Freizeitaktivitäten, während Frauen in Politik und Medien eher sachlich zusammenfinden und sich oft für gemeinsame Anliegen solidarisieren. Über dem Verhältnis zwischen Politiker und Journalistin schwebt ein zwischenmenschliches Damoklesschwert, bei dem es gilt, die richtige Dosis zwischen Nähe und Distanz zu finden. Geht die Symbiose zu weit, ris -kieren beide Beteiligten ihren Job: „Eine Ebene, die sehr gefährlich werden kann” (J 5). Durch einen Frauenbonus oder gar eine eigene Frauenstrategie bei den Recherchen kommen Journalistinnen in den Augen ihrer männlichen Kollegen schneller ans Ziel. Frauen wiederum beklagen das seltsame Männerritual des „Häusltalks”, bei dem vor dem Pissoir wertvolle Informationen (etwa bei Klausuren hinter verschlossenen Türen) vom Politiker zum befreundeten Journalisten wandern: „Die Chance haben Frauen nicht, weil ich kann ja nicht aufs Männerklo gehen” (J9).

Bezüglich ihres Umgangs mit Politikern lassen sich modellhaft drei Typen von innenpolitischen Journalisten unterscheiden: Der Vermittler folgt einem ausgeprägt handwerklich-journalistischen Rollenbewußtsein und grenzt sich klar vom Politiker ab. Er sieht seine Aufgabe in der Selektion, Aufbereitung und Redigierung von Nachrichten. Im Umgang mit Politikern setzt der Vermittler auf Distanz, trennt privat und Reraf.

Der Kritiker hat sich irgendwann für den Journalismus entschieden, weil er Dinge verändern will. Die Kritik- und Kontrollfunktion sieht er als seine vorrangige Aufgabe, den politisch Mächtigen begegnet er mit Mißtrauen. Im Umgang mit ihnen unterscheidet er stark zwischen Freund und Feind, legt großen Wert auf Unabhängigkeit und sucht im

Ernstfall die Konfrontation.

Der Quasipolitiker hingegen könnte eigentlich auch politischer Funktionär sein, doch im Journalismus fühlt er sich wohler, glaubt er doch, dort mehr bewegen zu können. Sein Rollenbewußtsein ist schwach ausgeprägt, mit Politikern ist er gerne zusammen, verbinden ihn doch viele Gemeinsamkeiten. Der fast familiär-vertraute Umgang und Du-Freundschaf-ten mit Spitzenpolitikern sind seine Kennzeichen. Tatsächlich verbindet die beiden Rerafsgruppen eine Reihe von Charaktermerkmalen, von denen die Journalisten Selbstdarstellungstrieb, Eitelkeit, Sendungsbewußtsein, Oberflächlichkeit und Extrovertiert-heit am häufigsten nannten.

Demokratiepolitisch bedenklich erscheint die historisch gewachsene, daher nach wie vor stark ausgeprägte Symbiose der Stars, bestehend aus etwa 25 innenpolitischen Spitzenjournalisten und 50 Spitzenpolitikern. Zusammengeschweißt auf einen engen Medienraum, bilden gegenseitige In-teressensverschränkungen und persönliche Naheverhältnisse ein Umfeld, in dem Rollengrenzen verschwimmen. Zwar haben sich die Zustände etwa einer Kreisky-Ära deutlich gebessert, doch bleiben die Schlüsselpositionen oft eingefroren, sodaß fein säuberlich verwobene Netzwerke und Seilschaften keine Risse erhalten können. Jungjournalisten tun nach wie vor gut daran, bereits von Anfang an diverse Biotope aufzusuchen und sich in ein Lager einzuklinken, um für etwaige spätere Symbiosen berechenbar zu sein.

Um dieser vertrauten „Kastenbildung” in Zunkunft aktiv entgegenzuwirken, gäbe es neben Außenfaktoren wie zunehmender Internationalisie-rang auch wirksame Mittel von innen: erstens eine ressortinterne Aufgabenverteilung, die bewußt nicht - wie meist üblich - nach Kontakten, sondern nach Sachthemen erfolgt und keine Parteizuteilungen möglich macht; und zweitens einen verstärkten innerredaktionellen Wechsel in den Funktionen und zwischen den Bes-sorts, sodaß leitende Bedakteure ähnlich wie Diplomaten nur für eine bestimmte Zeit ihr Amt ausüben.

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