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Geldscheine werden unsichtbar

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Rund 8.000 Einwohner des britischen Ortes Swindon leben seit Sommer vergangenen Jahres bargeldlos, mit der elektronischen chipcard namens Mondex. Kein lästiges Ausfüllen von Belegen, kein Warten auf das o. k. des Bankbeamten mehr. Ein winziger Silikonchip auf der Karte macht Mondex zu „virtuellem Cash": Transfers von Karte zu Karte, von Konto zu Konto sind möglich, in fünf verschiedenen Währungen und ohne einzige Unterschrift. Erforderlich ist nur ein Handy mit Schlitz für die Karte. Das Beispiel, initiiert von den britischen Banken Westminster und Midland, macht Schule. Ein weiteres Mondex-Expe-riment wird demnächst im kanadischen Ort Guelph gestartet.

Hongkong und Shanghai Bank, Inhaber der britischen Midland Bank, treten zur Eroberung des globalen Geldtransfermarktes an: sie haben sich - in Erwartung auf gutes Glücken der Experimente - in 14 asiatischen Ländern die Bechte auf das E-Geld gesichert.

Die Österreicher stehen der bargeldlosen Zukunft noch reserviert gegenüber. Die Euro-Strategen haben es schon schwer, heimischen Zukunftsmuffeln die Furcht vor der Währungsunion und damit dem Verlust des Schillings zu nehmen.

Das Unbehagen vor dem in Zukunft unsichtbaren Geld ist, wie auch das britische Swindon-Experiment beweist, vielleicht auch eine Altersfrage. So werden etwa hot dogs und Pepsi, eine Vorliebe der Jugend, verstärkt mit Mondex-Karte beglichen. Zu vermuten ist, daß erst die PC-erprobte 98er-Generation „voll auf mega-coolen E-Cash" einsteigt.

Jetzt, wo das Geld zu schwinden droht, fragt man sich: Was ist es eigentlich gewesen?

Nun, Geld war ursprünglich ein kultisches Geschenk. Die Germanen etwa verstanden unter „geldan" das Entrichten des heidnischen Opferdienstes. Gebrauchsfähige Güter wurden der Gottheit als Geschenk dargeboten: „Eine Abgabe für die erwartete mediale Leistung der Kultuseinrichtung", schreibt de Geldhistoriker Anton Burghardt. Die erste, elementare Form des Geldes war dann das Warengeld. Der Staat übernahm die Aufgaben der Kultusverwaltung. Begriffe, wie Rupie (die Herde) oder Salär verweisen noch auf die Zeiten, als Geld greif- und riechbar war. Das Salarium waren die Salzrationen, die Soldaten des Römischen Reiches als Teil ihres (Natural-)Lohnes erhielten.

Erst vor rund zweieinhalb Millenien wurden Vieh und Salz von Münzen verdrängt. Sie entstanden aus Medaillen oder Symbolgeschenken mit metallischer Substanz. Die ersten vermutet man in Lydien, der Region an der mittleren Westküste Kleinasiens. Sie wurden, unter der Dynastie der Mer-maden, im Jahre 630 v. Chr. aus Blaßgold geprägt. Ein Hinweis, den wir nun, wo er eingetroffen ist, zu deuten wissen. Blaßgold, schreiben die Historiker, hieß schon damals Elektron.

Der nächste Schritt ins elektronische Zeitalter war das Papiergeld. Ein Phänomen, bereits ohne Fleisch und Blut, das nur durch Konvention und später durch Gesetz begründet war. Wieder waren es die Engländer, die dem Vieh völlig die Bedeutung raubten. Die „Goldsmith Notes", eine Form der Depotbestätigung, leiteten die Ära ein, in der „Geld ein Gedachtes" ist. „Die Bedeutung für seinen Besitzer," schreibt Anton Burghardt, „ist allein in den Informationen angelegt, die er durch den Nutzen beim Tausch hat."

Die Geldsoziologen erachten Geld als geeignet, das „Verhalten des ausgabegeneigten Besitzers zu beeinflussen, wenn nicht gar zu begründen". Für Eltern entweder ein Grund zur Sorge oder zur Erleichterung. Mögliches Szenario, wenn nun das Papiergeld von elektronischem Geld abgelöst wird: die ausgabegeneigten Kinder erhalten ihre eigenen „smart -cards" mit eingebauter Obergrenze. Dem elektronischen Einkauf oder Entertainment sind somit Schranken gesetzt - allerdings, und das fürchten Pädagogen, auch der fürsorgenden Kontrolle durch die elterlichen Geldgeber.

Schon Münzen, Scheine und Kreditkarten vermochten soziale Schichtgrenzen zu sprengen. Geld wurde zur Kaufkraft und damit zur Eigenschaft einer Person. Wie steht es nun um die „emanzipatorische Aufgabe" des neuen, entmaterialisierten Geldes? Kritiker fürchten die Ausgrenzung jener, die keinen Zugang zur neuen High-Tech Welt finden. Auch die Frage der Gebühren für das künftige Zahlungssystem wäre noch zu erörtern.

Skeptiker vermuten die wahren Nutznießer der elektronischen Chipkarten unter den Banken und Telephongesellschaften. Auch für die Kreditkartenorganisationen hat die elektronische Geldbörse strategische Bedeutung. „Sie haben bereits weltweit ein Akzeptanzstellennetz aufgezogen," schrieb Professor Dieter Bartmann kürzlich in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit", „und können so mit einem Schlag den Markt erobern." Der Leiter des Instituts für Bankinformatik an der Universität Ravensburg fürchtete Allianzen zwischen den Betreibern elektronischer Datennetze, Soft- und Hardware-Herstellern und Kreditkartenfirmen. Wer hier die Oberhand behält, gewinnt.

Das teure, schmutzige Geld stört den weltweiten Finanztransfer. Es beult die Brieftasche aus, muß entworfen, nachgedruckt, gezählt, verteilt, transportiert und bewacht werden. Auch die altmodischen Schecks und Kreditkarten haben ihre Nachteile. Papiere müssen ausgefüllt, verbucht und bearbeitet werden. Alles lästig und arbeitsintensiv.

Herkömmliches Geld hat vielleicht bald ausgedient. Zumindest un -ter jenen, die Arbeit und Einkommen haben ...

Die Autorin

istfreie Mitarbeiterin der Furche.

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