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Geschäfte mit alter Kunst

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Es ist wieder Mode, antike Nippes aufzustellen, den Bücherkasten mit ein paar hübschen alten Einbänden zu dekorieren, da einen Biedermeierleuchter und dort eine schlanke Jugendstilvase zu postieren. Und gleich macht sich im kältesten, unpersönlich eingerichteten Eigenheim ein Hauch Romantik aus Großmutter Tagen bemerkbar. Und man schenkt auch wieder Antiquitäten (oder zumindest antike Souvenirs!). Mehr noch: besonders schöne Objekte sind eine Kapitalanlage geworden. Das weiß heute auch schon fast jeder Bauer, der früher noch seine Barocktruhen als „altmodisches Gerumpel“ verschenkte. All die kleinen in den letzten Jahren in Wien zwischen Kohlmarkt und Kärntnerstraße und auch schon außerhalb des Gürtels aus dem Boden geschossenen Geschäfte und Geschäftchen, die Art-Shops und Kunstboutiquen, selbstverständlich auch die seriösen, renommierten Galerien hatten jedenfalls vor Weihnachten „ausgezeichnete Umsätze“ zu verzeichnen. Nicht von ungefähr scheint diese Branche sich zum Monstergeschäft

der siebziger Jahre auszuweiten. Ja, besonders initiative junge Unternehmer, die weiterdenken, haben sogar schon mit den USA das Souvenirgeschäft im „großen Stil“ angebahnt; vor allem mit den Zentren New York und San Francisco, die zur Zeit ungeheuren Bedarf an „Antics“ haben: Pendeluhren, drüben Verkaufshit Nummer 1, Neurenaissancekommoden und -sessel aus Großmutters „guter deutscher Stube“, Makartfauteuils, die berühmten reichverzierten Messingbetten, Waschtisch-Sets, Industrieprodukte, wie protzige Messingluster und -girandolen, in den achtziger Jahren entstandene überdimensionierte Kaminspiegel mit Gipsnymphen, Engeln und Trophäen... von alldem verschlingen Amerikas East- und West-coast ungeheure Mengen, dafür bezahlt der Amerikaner Preise, die der europäische Kleinsthändler nicht einmal zu träumen wagt. Alles in allem: ein Massenkonsum, den zu dek-ken Händler und Zubringer in London und Paris und, weiß Gott, wo sonst noch und neuerdings eben auch in Wien bemüht sind.

Nur freilich, auch der gute alte Wiener Trödler, auf dessen Ladenschild „Altwaren“ steht, hat es längst heraus, seine Dutzendindustrieprodukte richtig anzupreisen. Probieren Sie es selbst: „Jugendstil“ etwa heißt ines der magischen, geflügelten Worte, mit deren Hilfe gegen viel Geld so ziemlich alles an den Mann, sprich: die Kundschaft, gebracht wird, was von Anno 1900 stammt. Vom Biedermeier, das selbstverständlich in der Kunstauktion des Dorotheums wie bei Wiens renommiertesten Händlern seinen festen Platz, seine feste Kundschaft und natürlich auch seine attraktiven Renommderpreise hat, muß hier erst gar nicht die Rede sein.

Dennoch ist Wien eigentlich kein Zentrum des Antiquitäten- und auch nicht des „Souvenir“-Handels. Zumindest noch nicht. Es gibt hier keine gleichwertigen Veranstaltungen zu den Kunstmessen und Auktionen dn Delft, Köln, München und schon gar nicht zu den Veranstaltungen der prominenten Handelszentren New York und London (da vor allem Sotheby), die internationale Höchstumsätze erzielen. Aber was geschieht in Wien...? Nun, die „Furche“ sprach mit Kommerzialrat Rudolf Otto, dem Chef des international bekannten Kunst-

handelsunternehmen mit zehn Filialen in Wien und weiteren in Bad-gastein, München und London (er ist übrigens auch Repräsentant des Kunsthandelsgremiums) wie auch mit Antiquitätenhändlern, um etwas über die Situation in Wien und seine Stellung im internationalen Kunsthandel zu erfahren. Kommerzialrat Otto sieht eines der Hauptprobleme der kommenden Jahre im Beschaffen der Ware: „Die relativ günstige Wirtschaftslage macht es schwer, auf dem inländischen Markt etwa Spitzemklasse-bilder in genügend großer Zahl zu bekommen. Schon deshalb, weil diese heute dank der konsolidierten Lage vieler sammelnder Familien weit seltener den Eigentümer wechseln als noch vor zehn Jahren. Anderseits gibt es heute ein vielschichtiges Käuferpublikum, das nach Arbeiten aus dem Barock, dem Biedermeier, teilweise sogar auch nach erstklassigen Objekten aus dem 16. Jahrhundert fragt. Die wenigen international bekannten Wiener Händler — Herzig, Fornach, Asenbaum, Hofstät-ter usw. — haben längst alle wieder ihre kaufkräftige Klientel aus den Kreisen der Politiker, Industriellen, Wirtschaftsmanager, die hervorragendes Kunstgewerbe, kostbares Mobiliar, Meistergemälde suchen.“ Die Graphik scheint hingegen in

Österreich nie so sehr von einer breiteren Sammlerschicht bevorzugt worden zu sein. „Vielleicht deshalb, weil in Österreich das gute Gemälde stets als Symbol des Reichtums betrachtet wurde.“

Wiens Stellung im internationalen Antiquitätenhandel ist trotz insgesamt immerhin an die 400 Händlern, von denen allerdings eben nur ein paar „europäisches Format“ haben, zwar „nicht entmutigend, aber doch auch vorderhand nacht die günstigste“. Entscheidend dafür ist die Lage, die Tatsache, daß der Handel mit dem Osten abgeschnitten ist, praktisch nicht existiert: „Aus diesen Ländern interessante Kunstwerke zu holen, ist lediglich offiziell über staatliche Stellen möglich. Aber da gibt man besser gleich alle Pläne auf!“ (Illegale Wege sind hingegen ungewöhnlich riskant). Das heißt, in Europa liegt Wien sozusagen an einem Ende; es ist eine „Endstation des Kunsthandels“, wie Museumschef Dr. Wilhelm Mrazek es. formulierte. „Täuschen wir uns nicht darüber hinweg, in Wien ist das Angebot an Spitzenqualität relativ gering. Erstklassige Werke sind in festen Händen, wechseln nur selten den Besitzer. Und die Ausfuhrbestimmungen sind relativ streng. Wir sind für das Ausland einfach nicht interessant!“

Dennoch, mit Unterstützung von sozusagen einer Handvoll Antiquaren von Format hatte man es zustande gebracht, im Juni 1969 den Kongreß der CINOA — der Con-federation Internationale de Nego-ciants en Oeuvres d'Art — zu veranstalten, diese internationale Dachorganisation der Kunst- und Antiquitätenhändler nach Wien zu bringen. Der Grundstein wurde gelegt für intensivere Zusammenarbeit mit den internationalen Gremien. Und seit Monaten arbeitet nun das oster-reichische Gremium an einem Riesenprojekt zur Durchführung einer Wiener Antiquitätenmesse, die — laut Kommerzialrat Otto — „entweder Spitzenklasse, also eine exklusive Schau und viel besser als München, sein muß oder sonst erst gar nicht zustande kommt“. Geplant ist für frühestens 1971 eine gesamt-österreichische Messe, an der sich Händlerprominenz wie kleine Unternehmer beteiligen sollen, eine möglichst vielfarbige Revue dessen zusammengestellt werden soll, was hier aufgeboten werden kann. (Das Interesse dafür ist übrigens bereits sehr stark. Im Jänner 1970 finden erste Verhandlungen statt.)

Otto Rudolf verspricht sich davon vor allem starken Auftrieb für den Antiquitätenhandel, auch die Erschließung neuer Publikumskreise aus dem Ausland, die gerade jetzt für Wiens Kunsthandel lebenswichtig wären. (Freilich, Public-Relations-Arbeiten, in den USA auf jedem Sektor eine Selbstverständlichkeit, um für öffentliches Vertrauen zu werben, sind hierzulande auch im Antiquitätenhandel eher noch eine Rarität.)

Für den Antiquitätenhandel recht schädlich wirkt sich übrigens der Mangel an strengen Vorschriften aus.

Heutzutage kann jeder seinen Laden eröffnen, Experten wie totale Ignoranten, wenn sie nur eine vierjährige Tätigkeit in dieser Branche nachweisen können. „Es ist Wahnsinn, etwa solche Geschäftemacher auf die Leute loszulassen, Kleinkrämer, die oft nicht die leiseste Ahnung und natürlich nie Prüfungen abgelegt haben und die einfach alles anbringen, wie es ihnen in die Hände kommt.“ Gerade das Überhandnehmen des Altwarenhandels ist ein Grund, warum das Gremium seit Jahren einen Konzessionszwang vorschlägt. „Wir Kunsthändler wollen nicht, daß unsere Kunden ^geschmiert' werden, daß ihnen fachlich Unqualifizierte etwas aufschwatzen. Nur ein Kunsthändler kann im Rahmen des Handelsgesetzes für erfolgte Angaben bürgen und zur Verantwortung gezogen werden, Was will man mehr...? Weder bei einer Auktion noch bei einem Trödler können Sie ein gekauftes Objekt retour-nieren. Nicht einmal wenn's eine Fälschimg ist!“

Die ReaHsierung des Gesetzesvorschlages des Gremiums wäre da sozusagen eine wertvolle „Punzie-rung“, die die Qualität der gekauften Ware einschließt. •

Die Atmosphäre der Zusammenarbeit der Wiener Antiquitätenhändler mit den Museen ist seit Jahren „erfreulich intensiv“. Dazu Kommerzialrat Otto: „Wir fördern einander, so gut es geht, das heißt: der Antiquitätenhandel konnte stets mit wissenschaftlicher Unterstützung der Museen rechnen und hat dafür für Ausstellungen sehr oft sehr bedeutende Kunstwerke zur Verfügung gestellt. Leider haben die österreichischen Museen viel zuwenig Geld, so daß sie sich oft Schätze entgehen lassen müssen, die sie sich selbstverständlich sichern sollten,“

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