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Geschlechterkampf als Mannes Krampf

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Das ewig Weibliche, schlag nach bei Goethe, zieht uns hinan - doch als er starb, waren die Psycho-Weichen schon anders gestellt, auch wenn man es noch nicht deutlich bemerkte. Aber wenn geistige Strömungen für jedermann erkennbar werden, sind sie ja immer schon eine ganze Weile wirksam.

Ein gewisser Gustave Moreau war, als Goethe starb, fünf Jahre alt. Er sollte wie kaum ein anderer Maler das neue Verhältnis zwischen Mann und Frau repräsentieren. Eines, in dem von Hinanziehen nicht mehr die Rede war - jedenfalls nicht des Mannes durch die Frau. Im Gegenteil. Das ewig Weibliche zieht uns hinab, hieß es jetzt.

„Der Kampf der Geschlechter” heißt eine Ausstellung, die bis 7. Mai in München zu sehen ist (Städtische Galerie im Lenbachhaus), und so heißt auch das Buch zur Ausstellung - es einen Katalog zu nennen, wäre eine starke Untertreibung. Thema ist das Verständnis der Beziehung zwischen Mann und Frau, das sich etwa ab 1850 durchsetzte: Die Frau als Gegner, den es für den Mann zu überwinden galt. Die Frau als Antagonist des Mannes, als sein Gegenteil, aber nicht im Sinne einer Polarität, einer Ergänzung, sondern eines hierarchischen und zugleich aggressiven Oben und Unten. Die Sinnlichkeit der Frau bremst die Entwicklung des zu den lichten Höhen des Geistes strebenden Mannes.

E.T.A. Hoffmann hatte bereits

1815 in den „Elixieren des Teufels” die Überlegenheit der Frau über den Mann postuliert. Nicht nur durch den „unwiderstehlichen Reiz der äußeren Gestalt”, sondern auch geistig. Und zwar im Sinne einer Beherrschung des Mannes. Also als Gefahr. Dies in einer Zeit, in der die Frauen so gut wie nichts zu reden hatten.

„Die literarische und bildnerische Erfindung einer Überlegenheit der Frau in einer Zeit, in der die Unterdrückung der Frau gesetzlich und moralisch geregelt war, kann ohne negative Attribute nicht auskommen”, schreibt Helmut Frie-del in seinem Vorwort, und: „Die bürgerliche Aufklärung hat nach der Französischen Revolution beinahe nach denselben Kriterien die Frauen diskriminiert ... wie sie Menschen anderer Hautfarbe als unterlegen darzustellen wußte.” Überlegen oder unterlegen - die Frau stets Feind.

Der Geschlechterkampf als Krampf der Männer am Vorabend der Gleichberechtigung der Frau erreichte seinen Höhepunkt zwischen 1890 und dem Ersten Weltkrieg, um dann abzuebben. In den Künsten machten zunächst einige Expressionisten den sich befreienden Menschen mit „gesunden Instinkten” zum Programm. In der Politik leisteten auch Teile der aufsteigenden Arbeiterbewegung ihren Beitrag zur Durchsetzung der Frauenrechte.

Buch und Ausstellung dokumentieren eine ganze Palette von Stereotypen, in denen sich die männliche

Obsession vom Ge-schlecKterkampf manifestierte. (Selbstverständlich gibt es auch eine weibliche Sicht des Geschlechterkampfes - die ist aber keine Obsession, sondern resultiert aus der realen Unterdrückung und Hintansetzung der Frau.)

Ein Geschlechterkampf-Stereotyp des vorigen Jahrhunderts: Die Frau als Sphinx. Wobei die Sphinx aber nicht für das Rätselhafte steht, sondern für das Zwitterwesen aus Mensch und Tier, und zwar Raubtier mit Krallen, die es dem armen Mann in den Leib schlägt. Ziemlich starr blicken sie einander in die Augen, Ödipus und die Sphinx, auf dem gleichnamigen Bild von Gustave Moreau, das 1864 in Paris Aufsehen erregte (Ausstellung und Buch zeigen eine Aquarellstudie dazu). Die Sphinx, so Moreau selbst über sein Bild, bedeute „die irdische Chimäre, die, niedrig wie die Materie und attraktiv wie diese, sich in dem charmanten Frauenkopf darstellt, mit Flügeln, die das Ideal versprechen, aber mit dem Körper eines Ungeheuers, eines Fleischfressers, der zerreißt und vernichtet”.

Da haben wir es, das wichtigste, das dominante Geschlechterkampf-Stereotyp jener Zeit: Die Frau als Verkörperung des Niedrigen schlechthin. Dieses Stereotyp nimmt die verschiedensten Formen an. Moreau wird nicht müde, sie immer wieder darzustellen. Messalina und Salome und ähnliche Frauengestalten haben es ihm angetan.

Auch der abgetrennte Kopf ist eines der Motive, auf welche die Maler des vorigen Jahrhunderts mit Vorliebe abfuhren.

Auch mit seinem Leben folgte Moreau einem Leitbild, das viele Künstler des vorigen Jahrhunderts faszinierte: Dem der aristokratischen Abwendung von der Welt. In seinen späteren Jahren zeigte er seine Werke nur noch einem kleinen Kreis Auserwählter.

Betrachtet man die Bilder vom Geschlechterkampf, und denkt man daran, daß ihre Maler bis zum Ersten Weltkrieg den Ton angaben, kann man nachvollziehen, welchen Befreiungsschlag - vorerst für eine kleine Minderheit - das Auftreten der Impressionisten, Pointillisten, eines Gauguin, bedeutet haben muß, welcher Sprengstoff in den Bildern eines van Gogh vorerst noch schlummerte.

Es ging nicht nur um Malweisen, um die Deutlichkeit der Abbildung. Der Impressionismus bedeutete einen Bruch mit fast allem, was die

damals tonangebenden Maler interessierte. Der formale Traditionsbruch erfaßte mit der Zeit die gesamte Malerei. Und die Sphinxfrau mit den blutigen Krallen, die Salome, die Messalina entschwanden in den Fundus der verstaubtfti Motive.

Aber Edvard Münch setzt mit den modernen malerischen Mitteln die Auseinandersetzung mit dem Geschlechterkampf fort. Franz von Stuck gab seinem 1896 gemalten Bild „Orest und die Erynnien” erst 1905 die letzte Übermalung: Der von dämonisierten Frauen verfolgte Mann, akademisch perfekt gemalt, ein Bild, das der Erhebung des Künstlers in den Adelsstand nicht im Wege stand. Da sie erst 1906 erfolgte, muß er das Wörtchen „von” nachträglich der Signatur hinzugefügt haben. Die Lithographie „Der Schrei I” von Münch war da bereits zehn Jahre alt.

Barbara Eschenburg, die Autorin des großen Einleitungsessays, beleuchtet das Thema kunsthistorisch und psychologisch und arbeitet auch die Querverbindungen zur Literatur heraus. Sie geht an den „beachtlir chen intellektuellen Auswüchsen” der Zeit um 1900 nicht vorbei -nicht am jungen Kubin, der die Frau als beängstigend furchtbare Gebäre-rin diffamiert, nicht an Doktor Paul Julius' Möbius, der 1900 die beängstigende These vom „physiologischen Schwachsinn des Weibes” gebar oder an Otto Weininger.

Man kann ihr nur von Herzen beipflichten, wenn sie schreibt: „Nur selten von Zweifeln geplagt, reihen die Künstler um die Jahrhundertwende Bilder aneinander, die auf der einen Seite die Fatalität der Frau, auf der anderen die zwiespältige, zwischen Geist und Sinnlichkeit hin und her geworfene Natur des Mannes beschwören. Indem man auf ein Naturverhältnis zurückzugreifen vorgab, erübrigte sich die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Bedingungen, die Mann und Frau in der Welt vorfanden und denen gemäß sie sich zu verschiedenen Charakteren entwickelten.”

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