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Der ungarische Klassiker Antal Szerb setzt dem Unerklärlichen im Alltag ein Denkmal.

Antal Szerb ist ein Fürsprecher des Wunders. In "Reise im Mondlicht"ist es das innere Wunder, in der "Pendragon-Legende" jenes Wunder, das den Alltag durchbricht und die Vernunft ad absurdum führt: "Das Unheimliche an Gespenstern ist, dass es keine gibt."

Ein ungarischer Gelehrter wird auf den Sitz einer uralten walisischen Adelsfamilie eingeladen, um in der Schlossbibliothek zu schmökern. Er wandelt auf den Spuren der Rosenkreuzer und Freimaurer, aus rein wissenschaftlichem Interesse. Das wird aber bald zum persönlichen, als er Cynthia begegnet, die er in seiner Fantasie zum unnahbaren Burgfräulein ausschmückt, das sich niemals mit einem Normalbürger wie ihm abgeben dürfte. Dieses Motiv der Liebe zu einem Trugbild wird Szerb drei Jahre später in seiner "Reise im Mondlicht" (1937) wieder aufgreifen, doch einstweilen bleiben wir noch bei den Gespenstern. Und die gibt es in den alten Gemäuern dieser noch älteren Grafengeschlechter ja bekanntlich zuhauf, oder?

So geschehen auch allnächtlich seltsame Dinge und man kommt kaum zum Schlafen. Der gräfliche Gastgeber hat sich tagelang in sein Versuchslabor zurückgezogen, wo er monströse Mutanten züchtet, das Erforschen der Geheimnisse des Lebens hat Familientradition. So manche übernatürliche Begebenheit findet bei Tageslicht betrachtet eine ganz unspektakuläre Erklärung, und doch geht Bedrohliches vor. Das allerdings mit ganz und gar materiellen Interessen zu tun hat. Die Jugendliebe des Earls gerät unter schrecklichen Verdacht und ein paar junge Leute von einer Bredouille in die andere. Und am Ende klärt sich doch alles (nicht ganz) auf. Es bleibt ein wenig Fantastisches im Realen.

Alptraumhafte Staaten

Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts geboren, quält sich Antal Szerb zeitlebens mit Visionen alptraumhafter Staatsgebilde. Eines davon ereilt ihn 1945, er stirbt im Alter von 43 Jahren im Internierungslager Balf und hinterlässt ein Werk als Mahnmal gegen Konformismus und als eine Hommage an die Individualität. Neben den Romanen wurden vor allem seine literaturgeschichtlichen Werke geschätzt. Szerb zählt heute zu den meist gelesenen ungarischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts, blieb im deutschsprachigen Raum allerdings lange ein nahezu Unbekannter.

Die Pendragon-Legende ist eine eigenwillige Kriminalgeschichte in manchmal Poe'scher Atmosphäre und "respektlosem, kritischem Umgang mit jedwedem Kanon und jedweder Autorität", wie György Dalos in der "Zeit" bemerkte. Mit ironischem Augenzwinkern schickt Szerb seinen Helden durch Irrungen und Wirrungen, bis er sich tatsächlich aussichtslos in einem walisischen Wald verirrt. Das Leben ist mehr, als wir sehen, könnte die Botschaft lauten, das Leben ist voll von Geheimnissen. Und sobald wir die alle einmal an der Börse handeln, ist es vorbei damit. Antal Szerb stand dem Kapitalismus ebenso skeptisch gegenüber wie dem Kommunismus und allen anderen Ideologien, die das Individuelle für sich vereinnahmen und zerstören könnten.

DIE PENDRAGON-LEGENDE

Roman von Antal Szerb. Mit einem Nachwort von György Poszler. Übersetzt von Susanna Großmann-Vendrey. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004. 312 Seiten, brosch., e 15,-

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