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GESPRACHE MIT DEM ANCHSTEN
Die Furche“ gibt im nachstehenden einer Zuschrift Raum, die, wie so manche ähnliche an uns gelangte, angeregt ist durch verschiedene Veröffentlichungen des Blattes, die sich mit den schweren seelischen Problemen der Gegenwart befaßten und bei vielen Wahrheitsuchenden gegenseitiges Verstehen und Hilfe in offener Aussprache erstrebten.
Die Furche“ gibt im nachstehenden einer Zuschrift Raum, die, wie so manche ähnliche an uns gelangte, angeregt ist durch verschiedene Veröffentlichungen des Blattes, die sich mit den schweren seelischen Problemen der Gegenwart befaßten und bei vielen Wahrheitsuchenden gegenseitiges Verstehen und Hilfe in offener Aussprache erstrebten.
Schon seit Jahren konnte der Beobachter, hatte er nur Ohren um zu hören und Augen um zu sehen, wahrnehmen, daß die Menschen unserer Zeit aufgeschlossen und bereit geworden sind für die religiösen Anliegen. Der harte und unerbittliche Pflug des Geschehens unserer erbarmungslosen Zeit hat den Acker der menschlichen Seele umgepflügt und das Erdreich umgeschichtet: was bisher oben und wesentlich erschienen war, verschwand im Dunkel, was verborgen im Unbewußten geschlummert hatte, trat ans Licht. Die Sehnsucht nach einem absoluten Maßstab, nach einer unantastbaren Konstanten im Dasein, ist neu geboren worden. Ausgelöst wurde die beginnende Einsicht durch verschiedene Umstände, von denen zumeist mehrere zusammenwirkten Zunächst hat der innere Protest gegen Ungerechtigkeiten, die an alt' ehrwürdigen Einrichtungen begangen worden sind, gegen Angriffe, auf Traditionen, die selbst der nichtgläubige Mensch unangetastet wissen wollte, viele Menschen hellhörig und skeptisch gemacht gegenüber den religiösen Surrogatphrasen, die von den Vertretern de? Systems immer wieder verkündet worden sind. Der eigentliche Schritt zur Besinnung fällt in die Zeit des Krieges, als zahllose Menschen an der Front und in der Heimat in jedem Augenblick erkennen konnten, wie fragwürdig ihr Leben ist, wenn es nicht auf ein Höheres bezogen wird. Im Hagel der Granaten und im Jaulen der Bomben, in der bangen Sorge um die gefährdete Familie und im namenlosen Schmerz um den Gefallenen haben viele die Frage nach dem Sinn gestellt und waren in trostloser Einsamkeit dem Jenseits benachbart, ohne eine Antwort zu wissen. LJnd der Einsichtige schließlich, der den Mut hatte zu sehen, dem mußte es klar werden, daß all das Grauenhafte, das sich in apokalyptischen Bildern begab, weder durch die Kollektivschuld eines ganzen Volkes, noch durch verbrecherische oder psychopathische Eigenschaften der Führenden restlos erklärt werden konnte, sondern allein aus der Tatsache der Gottlosigkeit der Zeit und ihrer führenden Schicht. Denn wenn der Mensch nicht mehr im Zusammenhang mit Gott, als das Ebenbild Gottes gesehen und begriffen wird, dann muß notwendig die Einschätzung des Menschen auf das Niveau von Tier und Pflanze sich verlagern.
Solche Erlebnisse und solche Einsicht haben an sich noch nicht zum Glauben geführt. Sie haben aber bei Zahllosen den Boden bereitet, die nun des Anrufes harren. des Anrufes, der ihr dunkles Empfinden ins Licht der Frkenntnis heben soll. Viele aber haben s'ber weiter gedacht, geprüft und erwogen und habn au eigener Kraft den Schritt auf-den Weg getan, der sie nun wieder zu Gott führen soll. Sie haben ihr Ja zur Kirche gesagt, weil sie überzeugt sind, daß die Kirche der Weg ist, der zu Gott führt.
Wir alle, die dieses Ja gesagt haben, brauchen Hilfe. Denn unsere Situation ist der eines Wanderers vergleichbar, der aus eigener Kraft nur bis zu einem bestimmten Markstein an dem als richtig erkannten Weg gelangen konnte. Dieser Markstein trennt den Abschnitt, der mit den Mitteln des Intellekts zu bewältigen war, von dem Abschnitt, der nur mit Hilfe der Gnade des Glaubens beschritten werden kann. Wir müssen in die Gemeinschaft der Gläubigen wieder hineinwachsen, wir müssen von den primitivsten Anfängen her in den Alltag des gläubigen Menschen eingeführt werden, wir müssen erst wieder lernen eine Messe zu hören und auch als lebendiges Erlebnis zu begreifen, Sinn und Notwendigkeit der Sakramente muß uns erläutert werden. Wir wissen den Weg nicht, der zur Vertrautheit mit all dem führt! Man verstehe mich richtig: dies alles und noch mehr ist unendlich bedeutungsvoll für uns, nicht allein um gute Glieder der Kirche aus uns zu machen, sondern vielmehr um unsere eigene Sehnsucht nach der kindlichen Geborgenheit im Glauben zu stillen. Es mag sein, daß es auch nötig sein wird unsere Erwartungen da und dort einzudämmen, denn wir bringen neben unserer verstandesmäßigen Einordnung nur das Erinnerungsbild an die Gläubigkeit unserer Kindertage mit und dieses mag uns in dem einen oder anderen Bezüge leuchtender erscheinen, als es die Wirklichkeit ist. :
Der gläubige Mensch wird wahrscheinlich finden, daß alle diese angeschnittenen Fragen gar kein Problem sind und wird vielleicht erstaunt fragen: „Was erwartet er eigentlich?“ Viel und wenig! Ein paar Schritte nur! Und diese paar Schritte können viel, sehr viel bedeuten! Die paar Schritte nämlich, die der Bruder, der am Ziele steht, tun muß zu uns, die wir bei dem Markstein am Wege stehen, u m u n s an der Handzu nehmen und zum Ziele zu geleiten. Denn alle Worte, die aus der sicheren Umgrenzung des Zieles, aus der Fülle des reifen Wissens, aus der Geborgenheit der Gläubigkeit zu uns gesagt werden, gehen von anderen Voraussetzungen aus, als es dfe unseren sind und können deshalb nicht oder nur teilweise unser Ohr erreichen. Ihr müßt unsere Lage nachempfinden, ihr müßt unsere Sehnsucht nach der Gläubigkeit miterleben. Ihr müßt die Kunst versuchen zu uns in einer Synthese zu sprechen, aus der Art, wie man zu Erwachsenen spricht, die geistige Ansprüche stellen und zugleich aus jener Art, die den Kindern das gesegnete Land des Glaubens schildert.
Dieses unser Anliegen geht den gläubigen Laien ebenso an, wie den Priester. Vom gläubigen Laien erwarten wir, daß er uns ein Beispiel als Christ der Tat gibt. In mehr als einer Beziehung wird auch er uns Helfer sein können. Die Hauptlast aber liegt bei den Priestern. Die Last ist schwer, weil sie nicht nur den Priester, sondern auch den Menschen beansprucht. Nur um die Schwierigkeit aufzuzeigen, sei mir gestattet, drei Beispiele von Begegnungen mit Priestern aus eigenem Erleben zu erzählen. Der eine, ein älterer Herr von großer geistiger Reife und seltenem Weitblick auch in weltlichen Dingen, ließ sich auf eine lebendige Diskussion über politische und weltanschauliche Fragen ein, die von einer beachtenswerten Objektivität zeugte. In der Frage eines Gewissenskonfliktes aber entließ er mich mit dem Hinweis auf die Klarheit des geschriebenen Wortes, das für den in Rede stehenden Fall einen Gewissenskonflikt unmöglich scheinen ließ, ohne auf den Sachverhalt menschlich und seelsorgerisch einzugehen Offenbar hatte er gar nicht begriffen daß sich für den Neuling die Dinge problematischer darstellen, als sie sein mögen. Ein anderer verlagerte jeden Ansatzpunkt eines Gespräches auf die politische Ebene und schlug hörbar jede Türe zu. Bei dem dritten endlich war schon äußerlich iede Voraussetzung für das Verstehen gegeben, Gleichaltrigkeit, ähnlich geartete Interessen in kultureller und künstlerischer Beziehung usw Aber auch er richtete eine Schranke auf mit der Bemerkung, daß es jetzt viele gibt, die sich von der Kirche „etwas“ erwarten. Zu denen aber, die von der Kirche „etwas“ erwarten, will ich und wollen wohl die meisten meinesgleichen, denen es ernst ist um die religiöse Frage, nicht gehören.
Ich bin mir dessen bewußt, daß alle die Einwände, die in diesen Beispielen ausgesprochen werden, aus der Zeit und vor allem aus den vergangenen Jahren verständlich sind. Und doch: sollte nicht eine Möglichkeit gefunden werden, es zu verhindern, daß das gespensterhafte Geschehen von Gestern, sich als Schranke aufrichtet zwischen den Brüdern am Wege und den Brüdern am Ziel?
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