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Gespräch mit Gott

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Das Tagebuch Dag Hammarskjölds wurde nach seinem Tod in seinem Manhattan-Heim gefunden. Obwohl er, der Sohn eines schwedischen Ministerpräsidenten, aufsehenerregenden Erfolg als Finanzmann hatte, wurde er, so verrät das Tagebuch, von Zweifeln über sich und nahezu Verzweiflung gequält: „Der kleine Straßenbub macht ein paar schwache Hopser auf einem Bein, ohne zu fallen, und ist voll Bewunderung über seine Geschicklichkeit, doppelt so, weil er Zuschauer hat. Werden wir je erwachsen?“ Aber um 1950 scheint er den Glauben an Gott gefunden zu haben: „Gabst Du mir diese unentrinnbare Einsamkeit, daß es leichter für mich wäre, Dir alles zu geben?“ Sein Streben, sein Leben nach Christus zu gestalten, war so deutlich, daß einige schwedische Kritiker darin Blasphemie oder Größenwahn sahen! Während D. H. wahrhaft demütig war: „Wie weit ist die schlichte und einfache Tatsache, daß sich ein Mensch einer Sache hingibt, für die zu leben sich lohnt, von dem muskulösen Heldentum und dem seelenvoll-tragischen Geist der Selbstlosigkeit entfernt, der salbungsvoll sein kleines Scherflein zum Streuselkuchen des Kaffeeklatsches hinzulegt.“ In den Jahren seines Generalsekretariats mühte er sich unablässig, „reinen Herzens“ zu werden im Dienst für andere. Aber wenn er demütig war, so war er es mit der Leidenschaft eines Mannes, der sich vom Geschick berufen fühlte: „Deine Verantwortung ist in der Tat furchtbar. Wenn du versagst, so hat Gott, weil du Ihn im Stich gelassen, an der Menschheit versagt. Du glaubst, du kannst Gott verantwortlich sein. Kannst du auch die Verantwortung für Gott tragen?“

D. H. hätte-auch |sI»'.Dl('hteli,"Be-' deutendes geleistet:

stCĮ suchst du Einsamkeit, die zu füllen du zu müde bist.

Ein Haiku, worauf jeder japanische Meister stolz sein könnte. Aber er glaubte, daß „in unserer Zeit der Weg zur Heiligkeit notwendig durch die Welt der Tat führt“.

In etwa

Die Entwicklung der Sprache vollzieht sich in etwa so wie die Ent

wicklung des Menschen. Der Mensch soll einmal, sagen manche, in etwa dem Affen geglichen haben.

Bei der Sprachentwicklung sind wir jetzt in etwa der Zeit, in der es eine Menge neuer Wortbildungen oder neuer Formulierungen gibt.

Was sagen schließlich auch Worte wie ungefähr, beinahe, fast. Da macht sich doch die Neuschöpfung „in etwa“ viel besser. Man hat das nun auch dort erkannt, wo man von Berufs wegen die deutsche Sprache pflegen muß. Deshalb vernimmt man, daß die Schulraumnot jetzt in etwa beseitigt ist. Leider beträgt der Lehrermangel noch ein paar tausend Pädagogen — in etwa.

Kenner der deutschen Sprache, die sich zu dem unsinnigen „in etwa“ bekennen sollten, werden sagen, „in etwa“ ist gar nicht neu, sondern im Gegenteil ein veralteter Ausdruck. Mag sein, das Neuschöpferische liegt aber darin, daß „in etwa“ mehr und mehr dort angewendet wird, wo ein simples „etwa“ durchaus genügte. Und das ist ja der Neusprachlerwitz. Es muß aufgebauscht werden.

Nüchterne Geschäftsleute

Der Umsatz entscheidet. Die Zahl mißt. Geld regiert. Die Menschen, welche die Welt aus der Perspektive des Saldos betrachten, sind auch nur Opfer ihres Berufs. Nüchterne Geschäftsleute nennen sie sich gerne und meinen damit freilich keineswegs eine Neigung zur Enthaltsamkeit, es sei denn, sie sei vom Herzspezialisten verordnet. Der Rausch, den sie für das Gegenteil ihrer Nüchternheit halten, ist alles, was jenseits von Angebot und Nachfrage liegt, ist das nicht in Kassen Faßbare, das Künstlerische, Kultische, das Irrationale schlechthin. Wer immer mit „nüchternen“ Geschäftsleuten zu tun hat, ist an diese Welt- und Wertschau längst gewöhnt. Nur Ausnahmen fallen ihm auf. Und die sind merkwürdig genug.

Ein Blick in das Sanctissimum eines Geschäfts, in die Kasse oder i den Geldtresör, fördert auf dem Grund des' Mainmonhaufens die ganze Nüchternheit zutage. Man staune: Lederbeutelcheft mit Zähnen oder Knochen, grünspanige Medaillons mit Schweinchen, ein heiliger Florian im Zinnsoldatenformat und vier Perlen eines abgerissenen Rosenkranzes. In der Zauberbüchse eines eingeborenen Medizinmannes kann es nicht geheimnisvoller aussehen.

Oder war schon jemand Zeuge des siebenmal mystischen Ritus, wenn so ein nüchterner Geschäftsmann ein Haus baut? Wie in das Reli- ohne Objektiv rund 1000 DM, das billigste Wechselobjektiv dazu aber 420 DM, so daß man für die Kamera mit Tasche die runde Summe von 1500 DM aufwenden müsse. Das imponiere den anspruchsvollen Käufern, die auf ihren Exotenreisen möglichst viele Kameras mit Riesenobjektiven um den Hals hängen haben wollen.

quiengrab eine Altars werden da in die Grundmauern die dunkelsten Nüchternheiten eingesenkt. Ein Menschenknochen — vom Totengräber besorgt —, ein Hufeisen und ein goldener Taler. Das Ganze wird mit Sekt besprengt. Dann kommen getrocknete Tannennadeln darüber.

Mukamba in Österreich? Freimaurerische Geheimzeichen? Halb missionierte Heiden?

Wir schreiben 1964. Das aufgeklärte Lächeln smarter Manager triumphiert. Nüchterne Geschäftsleute, überall!

Zu billig

Dem Verfasser dieses Querschnitts ist dies selbst widerfahren. Er fragte in einem der bestgeführten Photofachgeschäfte im Rheinland nach einer bestimmten Kleinbildkamera, die bisher 450 DM gekostet hatte (mit einem Objektiv, ohne die mit 30 DM angeschriebene Bereitschaftstasche). Die Kamera wurde ihm auch prompt angeboten, nur daß sie jetzt 600 DM kostete.

Auf die Frage, was an diesem neuesten, zur diesjährigen „Kölner Fotokina“ herausgebrachten Modell denn so ungewöhnlich besser sei, erwiderte der Geschäftsinhaber, daß sich so gut wie nichts geändert habe, von einer handlicheren Verlegung eines Auslöseknopfes abgesehen. Aber das Publikum habe die alte, nun schon vor vielen Jahren auf den Markt gebrachte gleiche Kamera nicht mehr haben wollen, weil sie zu billig gewesen sei. Selbst die so billigen japanischen Kameras kämen jetzt auch in teuren Ausgaben auf den europäischen Markt, die japanische Topcon kostet zum Beispiel

Diese Entwicklung führte dazu, daß soeben, im Spätherbst 1964, altbewährte Kameras, an denen nichts, aber auch gar nichts geändert oder verbessert wurde, enorme Preissteigerungen erfahren haben. Die gewöhnliche 3,5 Rolleiflex wurde über Nacht um rund 1000 österreichische Schilling hinaufgesetzt und kostet jetzt in Österreich fast 5000 Schilling! Die sicher nicht minder gute Kodak-Reflexkamera, Retina Reflex IV, eine geringfügig verbesserte Ausgabe einer vollauf bewährten Type, stieg bei Objektiv 2,8 ebenfalls um fast 1000 Schilling auf rund 5000 Schilling, die recht beliebte Kleinstbildkamera Minox B, die bisher 2400 S gekostet hatte, kostet jetzt rund 3500 S und ist damit nahezu preisgleich mit der noch kleineren schweizerischen Kleinstbildkamera Tessina, die immerhin Spiegelreflexeinrichtung hat und mit Leicafilm geladen wird. Ja, auch die Rollei 16, ein Mittelding zwischen Kleinst- und Kleinbildkamera, noch vor kurzem um 2400 S zu haben, kostet gleich viel wie die Minox.

Es ist schlechthin unbegreiflich, daß Markenkameras bei eher gleichbleibenden Gestehungskosten auf einmal um 30 bis 40 Prozent mehr kosten sollen. Aber es ist durchaus glaubhaft, daß eben der Käufer etwas Teures verlangt. Denn was teuer ist, muß — nicht wahr? — auch gut sein.

Die Sorgen der Schönsten

Wie Wiener Zeitungen vom Bruder der österreichischen Schönheitskönigin aus London erfuhren, wurden der Miß Finnland 250 DM und ein Kleid gestohlen. (Hoffentlich hat die Arme ein zweites im Köfferchen. :Anm. dcv Red.) Die Veranstalter verhähgten über alle Teilnehmerinnen^. einen Schweigepflicht über den Vorfall, der nun aber doch durchsickerte. Die polizeiliche Untersuchung über das Giftattentat an Miß Austria und an Miß Germany wurde unterdessen eingestellt, da sich nirgends Spuren eines Giftes fanden

Dienst am Kunden

Die amerikanische Zigarettenindustrie hat sich von dem Schock erholt, den der Ärztereport bei einigen Konsumenten auslöste. Der Zigarettenverbrauch steigt wieder. Einen besonders hohen Absatz verzeichnet ein Drugstore in Miles City, Montana. Er bietet seinen Kunden für den Kauf von 52 Stangen Zigaretten eine kostenlose Röntgenaufnahmen der Lunge.

Traumfabrik

Vor einigen Wochen wurde in Hamburg ein Werbefilm für das Fernsehen gedreht, der die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Wachgesellschaften demonstrieren soll.

Kurz danach wurden in einer Hamburger Brotfabrik, in der über längere Zeit hinweg größere Mengen von Backwaren verschwanden, zwei Wachmänner beim Diebstahl überrascht. Sie hatten in dem Werbefilm als Hauptdarsteller mitgewirkt.

Zum Thema „Michelangelo“

Die Weltpremiere des Filmes „Michelangelo“ (The Agony and the Ecstasy), mit Charlton Heston in der Titelrolle, wird zwischen dem 25. März und dem 2. April 1965 auf der Jungfernfahrt des neuen italienischen Schiffes „Michelangelo“ zwischen Genua und New York stattfinden. Dieses neue Passagierschiff wird derzeit in der Schiffswerft in Genua gebaut und fast 2000 Personen Platz bieten. Zum Zeitvertreib der Reisenden sorgen sechs Schwimmbäder, 30 Gesellschaftsräume, drei Tanzsäle, ein Geschäftszentrum und ein 70-mm- Kinosaal, wo die Weltpremiere des Centfoxfilmes „Michelangelo“ veranstaltet wird

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