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Gestern oder doch heute?
Mehr noch als in seinen größeren Werken zeigt Ödön von Horvath in der kleinen Form seiner Dramoletts, welche Meisterschaft ihm in der feinnervigen Aufnahme und in der gleichsam stenographischen Wiedergabe seiner Zeit und Umwelt eigen war. „Glaube, Liebe Hoffnung“, das ist die Melodie der großen Krise mit allen ihren Ober- und lintertönen. Die Geschichte von dem jungen Mädchen, das sich im Paragraphenwerk der bürokratischen Gesellschaft verfängt, weil es durch einen kühnen Vorgriff sich selbst eine legale Existenzgrundlage in eben dieser Gesellschaft — den ambulanten Gewerbeschein — verschaffen wollte, ist so zugespitzt, so sentimental, so melancholisch, so flackernd auf die Bühne gebracht, wie diese ganze Zeit gewesen ist. fiebrige Hoffnung, samtenes Mitleid (zu Chopins Trauermarsch), überscharfe und überdeutliche Gesellschaftssatire: Edwin Z b o n e k inszenierte das alles durchaus richtig und so vordergründig, wie man damals zuweilen Theater spielte. Auch das Bühnenbild Theodor Harischs hat penetrante Wirklichkeitsnähe und spätexpressionistische Überdeutlichkeit. Ganz zur sanft-traurigen Schicksalsmelodie geworden Lucie Neudecker als Elisabeth, gut im Zwielicht von Treuherzigkeit und brutaler Feigheit Alfred Böhm (Polizist Klostermeyer), in der unheimlichen Anfangsszene besser als im Schlußatisbruch Herbert K e r s t e n (Oberpräparator). Sehr gute Farbtupfen setzen Curt -E i 1 e r s (Oberinspektor) und Klaus Lö witsch (Polizist). Welt von gestern: nahe bis unter die Haut, denn keines der damals aufgeworfenen Probleme ist, trotz allen sozialen Fortschritts, seither wirklich ganz gelöst worden.
Welt von gestern auch die „T e e-stunde“ Rudolf B a y r s, die das Kleine Theater der Josefstadt dem Horvath-Drama nachfolgen ließ. In diesen Dialogen voll billigen Parfüms, Talmiphilosophie und gestelzten Getues leben die Gestalten der Moderomane Wassermanns weiter, die geschwätzigen Selbstbespiegler und sich mafilos wichtig nehmenden Charakterschwächlinge. Wir wissen nicht, ob Bayr das alles parodieren wollte oder ob er am Ende selbst mit diesen Halbwahrheiten von Liebe, Leidenschaft und Revolver (samt Teerose und Teekanne) kokettiert. C. W. Fernbach und Nina S a n d t waren als das sinnlich enthemmte, tragisch umflorte Liebespaar einige Nuancen zu bemüht, zu verkrampft, zuwenig selbstverständlich mondän. Theodor H a r i i c h s Bühnenbild war frappierend hypermodern, die Dienerßgur Martin C o s t a s dagegen eine (vom Dichter verschuldete) Klischeegestalt aus der Nachfolge Wildes. Als Sitten- und Bewußtseinsbild von gestern recht interessant. Aber wir wurden den Eindruck nicht los, daß ein gewisses wirtschaftswunderliches Heute gar nicht soviel anders aussieht.
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