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Gluck, Mozart — und die Jüngeren

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In der Staatsoper hat Glucks „A 1 k e s t e“ geteilte Aufnahme gefunden. Die großen Schwächen des Textbuches, das von Sterbelied zu Sterbelied taumelt, sind durch mimische Chöre und Tänze kaum zu überbrücken. Welch ein Genie aber war Gluck, der auch zu diesem Buche eine erschütternde und großartige Musik schreiben konnte, selbst wenn sie nicht zu seinen inspiriertesten zähltI „Alkeste“ ist die Oper des großen Schreitens, des echten edlen Pathos, der antiken Szene — der das Bühnenbild (gleichfalls nicht zu den inspiriertesten zählend) im großen ganzen, die Alkeste Hilde Z a d e k s jedoch in jeder Geste und jedem Ton gerecht wurde. Anton Dermota als Admet und Alfred Poell als Oberpriester konnten neben ihr würdig bestehen, alle andern traten dagegen in den Bühnenschatten, aus dem sich szenenweise der schön singende Chor agierend löste. Der umsichtigen Leitung Heinrich Hollreisers gelang eine einwandfreie Einheit von Orchester und Singstimmen sowie der stilistisch imponierende gedämpfte Prunk der großen Barockoper. —

Das Mozart-Spiel von Lili Krau, an drei Abenden vorgeführt, hatte männlichen Impetus und stark persönliches Profil. Die Künstlerin versucht mit Glück (und sehr viel Intelligenz) ein Kompromiß zwischen der spiegelklaren, allem Persönlichen entrückten, klassischen Wiedergab und iner subjektiven Ausdruckskunst, und steht deswegen im ständigen Licht- und Schattenspiel eines solchen Versuches. Daß sie sehr viel Licht zu erspielen vermochte, spricht unbedingt für sie, obgleich vor der Nachahmung derartiger Mischungen gewarnt werden muß.

Dagegen konnte der jung italienische Pianist Gino Brandl dl große Propaganda, die seinem Klavierabend vorausging, nur zum geringen Teil unter Beweis stellen. Eine zweifellos stnpende Technik und ein gutes Gedächtnis kamen ihm zugute, doch die geistige Profilierung des Programms ist er uns in wesentlichen Teilen schuldig geblieben. Am besten gelangen seiner Wiedergabe die substanzloseren, salonmäßigeren Stücke, die er denn auch bedenkenlos in den Vordergrund stellte. In Brandi präsentiert sich eine erwiesene Begabung, die sich aber noch formen muß, besonders nach innen. —

Ebenfalls an der Oberfläche haften blieb das Wiener Kammerkonzert unter Franz K r a u ß, soweit nicht di Mitwirkenden Erika R o k y t a (Sopran) und Ing J o a n 11 i (Klavier) das Niveau in die Bezirke künstlerischer Profilierung hoben. Die helle, klare und sehr präzise Stimme Erika Rokytas ist schön wie je und von sehr verhaltenem echtem Ausdruck. Inge Joanelli spielte Mozarts B-dur-Konzert mit jener Leichtigkeit, die so schwer zu erreichen ist, soll sie nicht in leere Spielerei entarten. Die seelische Ueberglänzthit, besonders im Larghetto, war echtester Mozart. —

Daß die elfjährige Sissy Weißhaar (Kammerorchesterkonzert der Akademie für Musik) da innerlich sehr komplizierte Klavierkonzert d-mo)l, KV 466, wählte, hat ihr manche Bedenken der Kritik eingetragen. Man hat dieses Meisterwerk zuletzt von Clara Haskill gehört. Von dieser nicht sehr geschickten Wahl jedoch abgesehen, ist über die kleine Pianistin wahrhaftig nur Gutes zu sagen. Die gläserne Sauberkeit, mit der sie (was man kopfschüttelnd feststellte) mit den für sie enormen physischen Anforderungen fertig wurde, die rhythmische Exaktheit, durch die sie gelegentlich sogar das Orchester mitriß, stempeln sie eindeutig zum Wunderkind — was natürlich eine ungeheure Verantwortung für alle bedeutet, denen ie anvertraut ist. Der Dirigent Richard D u n n, unfertig und noch unfrei, aber keineswegs ungeschickt, wußte Erstaufführungen von Joseph

Haydn und C. M. v. Weber (!) zu bringen (kleine freundliche Gelegenheitsarbeiten geübter Meisterhände), gab sein Bestes in einer Wiedergabe von Wagners „Siegfried-Idyll“ und hatte in der „Pul-cinella-Suite“ Strawinskys alle Hände voll zu tun, um seine Musiker an den tausend Fußangeln der Partitur vorbeizusteuern. Es gelang ihm mit Mühe und Not. Aber jeder Anfang ist schwer und verdient wohl ein Wort der Ermunterung. —

Unfertig — im Sinne von Am-Beginn-Stehen — waren begreiflicherweise auch die kompositorischen Darbietungen der Klasse Dr. Karl Schiske (Akademie für Musik); doch ist diese Unfertigkeit zum größten Teil von den besten Aussichten begleitet. Man spürt die Hand des Lehrers, die weniger bessert als weiterführt; die zu straffster Disziplin zwingt in allen, auch den jeweils persönlich feindlichen Stilen, und erst aus der Kenntnis des Ganzen zum Persönlichen leitet. So war denn auch in allen interpretierten Kompositionen irgendwo dieses Persönliche spüren, in der Frische der Erfindung, in der Unmittelbarkeit des Ansprechens. Wenn aus der Fülle zwei Namen für alle anderen angeführt seien, ist dies keineswegs eine Zurücksetzung der anderen, sondern eher ein Aufzeigen des großen Spannbogens in der Klasse des Lehrers. Wir meinen das Streichtrio von Kurt Schwertsik, das sich fast in traditionellen Bahnen bewegt, und die Suite und Sonate von Erich Urbanner, der sich in Neutönung und Dodekaphonie auszusprechen versucht. Gewiß, alles Versuche; aber Versuche, um deretwillen man von einer Jugend begeistert sein kann, weil sie Willen und Bereitschaft zur Verantwortung beweist.

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