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Grillparzer, Moliėre, Kotzebue

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Grillparzer soll die Geschichte gefaßt haben, und doch hörte er nie iiuf, in ihr zu leben, und las dauernd n Chroniken, deren einer er die Jnterlagen für sein Trauerspiel König Ottokars Glück und Ende” ntnommen hat. Den Umriß lieferten lie eigene Vision und die von wei- em an Sheakespeare gemahnende Historische Situation des Böhmen- :önis. Ein zielbewußter, tatkröfti- ;er Emporkömmling, lechzt er auf Lern Gipfel seines allzu mühelosen llücks nach Macht. Der Untergang st in seinem zwiespältigen Wesen gründet, „in dem ein Zug gewalt- amen Willens, unbändiger, über jeles Hindernis hinwegschreitender lerrschsucht mit angeborener Güte m Kampfe liegt”. So paßt die slawische Problematik dieser Gestalt zu Grillparzers tiefem Mißtrauen gegen lie Tatwelt als solche, gegen die Täter und die furchtbaren Wirkun- ;en ihres Handelns. Wie Steigen und Tallen des Mächtigen gegeneinander lusbalanciert sind, so wird das Gleichgewicht der großartig konzentrierten, über weite Zeiträume sich •streckende Handlung hindurch gewahrt. Der braven, würdigen Margarethe, von Ottokar im Glück ver- itoßen, steht die wilde, hoffärtige Kunigunde gegenüber, die ihn im Unglück verläßt. In der entscheidenden Szene begegnen sich zwei Herrscher von annähernd gleichem Gewicht: der glänzende, dämonisch-kraftvolle, aber doch unsichere Böhme und der Ritter des Gesetzes und der Ordnung, der schlichte, tüchtige Rudolf von Habsburg. Noch herrscht hier optimistische Verherrlichung, ehe Rudolfs des Zweiten (in „Ein Bruderzwist in Habsburg”) tiefe Einsicht in den Grund der Welt die Kräfte der Herrshaft lähmt.

Als Vorgriff auf die Feiern anläßlich des 175. Geburtstages Grillparzers (geboren am 15. Jänner 1791) im kommenden Jahr brachte das Burgtheater eine Neuinszenierung des „Ottokar”. Regisseur Kurt Meisel hat keinen eigenen Stil entwickelt. Weder gelang eine Synthese zwischen der Darstellungsmanier der jüngeren und der älteren Schauspieler, noh klang das dichterische Wort immer vernehmbar und in einer vollen Kraft. Walther Reyer war zunähst ein leidenschaftlicher Ottokar, doch der in die Tragik abstürzende Bogen der Gestalt verflachte merklich. .Überhaupt gemahnte Reyer eher an Dimitri Karamasow als an den böhmischen Condottiere des Interregnums. Fred Liewehr gab den Habsburger würdig, bieder und im herkömmlichen Burgtheaterstil. Josef Meinrad wurde für seine Lobeshymne auf Österreich mit Sonderbeifall bedaht. Eva Zilcher war eine blasse Margarethe, Eva Kerbler eine viel zu mondäne Kunigunde. Besonders daneben gelang auch der Za- wisch von Wolf gang Gasser. Die Bühnenbilder von Lois Egg wirkten, wenn sie das ehern Lastende des Schicksals demonstrierten. Alles in allem eine Vorstellung von mittelmäßigem Niveau, Beifall für den vor dem Vorhang erschienen Regisseur, aber leider kein großer Theaterabend, wie man ihn hätte erwarten dürfen.

Nein, dieser Moliere ist eben kein „todsicherer Klassiker” und „Der eingebildete Kranke” (in der deutschen Übertragung von Baudissin ist schon der Titel völlig mißverständlich) kein Schwank voll Jux und Gaudi, sondern ein Stück wider die egoistische Hypochondrie und die ärztlichen Scharlatane. Freilich gab Moliere der trüben Überheblichkeit der einen und der Torheit der anderen diie glänzende Fassung des Esprits, um „sich mit den lächerlichen Zügen der Menschheit zu befassen und die Gebrechen, die alle Welt hat, auf dem Theater angenehm zu machen”. Eben darum ist diese Komödie ein „Comėdie-Ballett” das den Sachverhalt weitgehend entpersönlicht und die Satire und Tragik darin in einen Tanzvorgang umsetzt. Übersieht man das Janusgesicht dieser letzten Komödie Moliėres, dann entartet sie nur zu leicht zu einer mit vielen Klistieren und Abführmitteln garnierten Posse. Man soll in diesem im Zeitalter nervöser Komplexe und steigender Pillensucht gar nicht so unaktuellen Stück durchaus den Urgrund alles Komödiantischen auffleudhten lassen. Aber zumindest in dem großen Augenblick, da der Hypochonder Argan die Rückkehr ins Leben aus gespieltem Tode mimt, muß uns aus aller heiteren Verzerrung ein Hauch der Tragikomik anwehen; sollen die Vertreter der verlästerten Ärzteschaft nicht bloß auf Schwankwirkung aus sein, sondern, wie Puppen auf den Draht der Gelehrten-Arroganz aufgefädelt, die ätzende Karrikatur gegen die Auswüchse ihrer Wissenschaft sichtbar machen.

In der Neuinszenierung des Akademietheaters unter der seltsamen Doppelregie von Leopold Lindtberg und Ewald Baiser beschränkte man sich darauf, auf einer naturalistisch vollgepfropften Bühne (Theo Otto) das pure Sprechstück aufzuführen, indem man auf die allegorischen Zwischenspiele verzichtete und mit dem Nachspiel als läppische Farce endete, statt die Promotion als „Einbildung” ins Grotesk-Unwirkliche hinüberzuspielen. Ewald Baiser war ein halb boshafter, halb gutmütiger „Eingebildeter”, alle Register einer Kamödiantik ausspielend, Inge Kon- radi eine urwüchsige, aber nicht von Moliere herkommende Toinette. Helma Gautier mußte beide Töchterrollen, die 18jährige Angėliąue wie die achtjährige Lousion, verkörpern mit dem Ergebnis, daß diese unleidlich manieriert geriet. Judith Holzmeister als Argans zweite Frau machte gute Figur, während sich Hanns Obonya als Argans Bruder bemühte, dem Stück die Balance des gesunden Menschenverstandes zu verleihen. Heinz Ehrenfreund spielte einen geschmeidigen Clėanthe, indes Hans Thimig, Bruno Dallansky, besonders aber Michael Janisch und Richard Eybner als Ärzte und Apotheker doch stark outrierten. Es war alles andere als ein buntes Vergnügen — diesen Abend. Auffallend mäßiger Beifall.

Zwar hatte Goethe dem vielgelästerten und -gespielten August von Kotzebue die „Nullität seines Wesens” bescheinigt, womit er die oberflächliche, als schleuderhaft be- zeichnete Arbeitsweise dieses Vielschreibers treffen wollte. Gleichzeitig aber mußte er ihm doch gewisse Vorzüge zugestehen. Tatsächlich war Kotzebue ein ausgezeichneter Stückebauer, der zwar nur die Szene und nichts weiter sah, aber durch Spannung und Effekt, kurze, sprühende Dialoge und dankbare Rollen sich großer Beliebtheit erfreute. Das Volkstheater bringt unter der Regie von Leon Epp eine Neuinszenierung des Lustspiels „Die beiden Klingsberg” von den zwei Wiener Playboys am Ende des 18. Jahrhunderts. Das Stück, in Wien entstanden, wurde im Burgtheater uraufgeführt und hielt sich seither in den Spielplänen, vor allem wegen der berühmten Paraderolle des alten Klingsberg. Nach Roul Aslan spielt ihn jetzt einnehmend wenn auch etwas einseitig, Egon Jordan, während sein Sohn (Heinz Petters) die Wandlung vom Windhund zum leidenschaftlich Liebenden nicht ganz glaubhaft macht. Recht gut Albert Rolant als adeliger Kavalier und Erika Mottl als seine tugendhafte Schwester. Nobel Margarete Fries als gräfliche Schwester. Etwas blaß wirkt Gudrun Erfurth als die standhafte Madame Amalie. Else Rambousek tobt sich als komische Zimmerwirtin aus. Reizend die Bühnenbilder und Kostüme von Maxi Tschunko. Das Publikum schien sein helles Vergnügen an der Aufführung zu haben.

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