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Grillparzers feste Burg

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„Warum Grillparzer in Forchtenstein?“ Diese programmatische Frage stellt Doktor Otto A m b r o s, Regisseur der B u r g-spiele Forchtenstein, der nun, im zehnten Theatersommer am Rosaliengebirge, nach dem „Treuen Diener seines Herrn“ (1961) und „Weh dem, der lügt/“ (1962) „König Ottokars Glück und Ende“ auf das Schaugerüst im Schatten von Wehrmauern und Turm bringt. Ambros gibt selbst die Antwort: Forchtenstein in seiner kulturellen und geographischen Grenzsituation erscheint ihm als „Geosymbol“ für Grillparzers Dramatik, und er hofft, daß „Grillparzer als Idee“ dort eine dauernde Heimstatt finden werde. In freier Abwandlung eines Wortes, das Ottokar spricht, könnte man hinzufügen: Grillparzer ist in Forchtenstein eine lebendig wirkende Kraft, verhüte Gott, daß er in die Erstarrung einer Festspielinstitution verfalle I

Eine andere Frage, die Otto Ambros sich selbst und mit seiner Inszenierung dem Publikum beantworten mußte, lautete: „Ottokar“ als österreichisches Bühnen-weihefestspiel, vaterländisch mit Fanfarenschall und wehenden Bannern oder als Tragödie menschlichen Machtstrebens, das, in Unduldsamkeit und Stolz befangen, den Abgrund nicht wahrnimmt. deT es von seinen kühn gesteckten Zielen trennt? In

Forchtenstein wird das Spiel zum Gleichnis, die Historie erscheint in großen, sicher gezogenen Konturen gezeichnet und gerät nur zu Beginn ein wenig an den Rand einer geschichtlichen Jubliäumsveranstal-tung. Mit viel Geschick weiß der Regisseur das Breitwandformat der Spielfläche zu nutzen, ohne die Dichte des Ablaufs zu gefährden. Weniger erfreulich allerdings, daß Ambros, der Rundfunkmann, zwischen den Szenen vom Tonband über Lautsprecher Musikbrücken aus Beethoven-Symphonien einblenden läßt; diese Anleihe beim Radiobühnenstil wäre eigentlich nicht nötig gewesen.

Die Besetzung: einige prominente Wiener Namen für die Hauptrollen, bewährte Kräfte und hoffnungsvolle junge Talente für das übrige große Personarium. Wolfgang Hebenstreith spielt den Ottokar, in seiner Interpretation ein östlicher Stammesherzog, sprunghaft und in seinen Aufschwüngen wie in seiner Gebrochenheit von einer untergründigen, vitalen Naivität beherrscht. Erik Frey, der Rudolf von Habsburg des Abends, läßt schon im Stammvater des Geschlechtes die Spätformen der Kultur vorausahnen, die mit dem Namen seines Hauses verbunden sind. Ein schlichter, zur höchsten Würde erhöhter Ritter aus dem Aargau, der bereits die österreichische Seele Hofmannsthals

in der Brust trägt. Sehr profiliert Elisabeth E p p als Margarete von Österreich, eine verstoßene Gemahlin von königlicher Haltung. In wirkungsvollem Kontrast dazu Marianne Schönauers ungarische Kunigunde, berückend, sinnlich und kaltherzig zugleich. Als Zawisch bietet Frank Dietrich darstellerisch und sprachlich eine der besten Leistungen der Aufführung, da ist vielleicht Forchtenstein der Ausgangspunkt einer beachtlichen Karriere, es würde uns nicht wundernehmen. Tino Schubert: ein aufrechter, tapferer alter Merenburg; maßvoll und menschlich Felix P f 1 i c h t e r als mahnender und warnender Kanzler Ottokars; ein getreuer Gefolgsmann seines Königs: der Füllenstein Alfred T r a x 1 e r s. Mit einer Robespierre-Perücke betritt Ernst Meister als Reimchronist Ottokar von Horneck die Szene, ein rhetorisch sehr begabter Intellektueller der Ritterzeit, zur überpersönlichen Stimme des Landes gesteigert und reichlich mit Beifall bedacht.

Karl Eugen S p u r n y s Bühnengestaltung mit den hohen Treppenaufbauten und drei wotrubesken, aus Blöcken geschichteten mächtigen Pfeilern in der Mitte erscheint einerseits zu neutral und hebt sich andererseits mit dem Mauerwerk aus bemalter Leinwand nicht sehr günstig von

der Wucht des Hintergrunds ab. Erika Thomasberger stattete die Gewappneten mit Geschmack im Stil des.„Nibelungen''-Films aus, die übrigen, Kostüme sind recht ungleichmäßig und wirken zum Teil wie historische Mehrzweckgewänder.

In der Gesamtschau: eine durchaus sehenswerte Aufführung. Forchtenstein ist GriUparzers feste Burg.

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