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Große Sänger und Marx-Feiern

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In knapper Aufeinanderfolge gab es drei Liederabende berühmter Opernsänger. Ira Malaniuk begann mit einer Auswahl aus dem Spanischen Liederbuch Hugo Wolfs, wobei ihr die weltlichen Gesänge, insbesondere solche mit einem Schuß Humor, weitaus am besten gelangen. Die (impressionistischen) Lieder in ukrainischer Sprache zeigten ihre gefühlsmäßige Ausdrucksfähigkeit, während Gesänge von Othmar Schoeck und Hans Pfitzner mit jener Noblesse und leisen Kühle zur Geltung kamen, die der Sängerin eignet. Leider ist die große, schöne Stimme, an die Oper gewöhnt, im kleinen Saal und ebenso in den kleinen Konturen des Liedes unfrei und in der Intonation gelegentlich unklar. Da-gegeben kam auch Erik Werba als Begleiter nicht auf.

Lisa Deila Casa sang sich mit drei Schubert-Liedern ein, gab aber dann mit Robert Schumanns „Frauenliebe und Leben“ eine sehr persönliche und künstlerisch geschlossene Leistung. Bei Vermeidung aller Gestik ist ihr (sehr schönes) Gesicht von einem Nuancenreichtum, der, in Verbindung mit der Sorgfalt ihrer Textbehandlung und -ausspräche, sich zu dramatischer Wirkung zu verdichten vermag. Die Stimme ist in allen Lagen beherrscht und sicher, was auch bei den Liedern von Brahms und vor allem bei Richard Strauss zur Geltung

kam, von dem sie weniger bekannte, stimmlich äußerst anspruchsvolle Lieder wählte. Ihr Mitarbeiter am Flügel war Sebastian P e s c h k o.

Der volkstümliche Zug, det die Sing-und Darstellunigskünst von Oskar C z e r-w e n k a auszeichnet, beherrschte auch seinen Liederabend, dessen Programm demzufolge in den Balladen von Carl Löwe gipfelte Was Czerwenka aus so alten Dingen wie „Die Uhr“, „Graf Eberstein“ oder „Der heilige Franziskus“ machte, waren seit langer Zeit nicht mehr gehörte und erlebte Eindrücke, gegen die der länge Zyklus der „Kerner-Lieder“ von Schumann sowie auch die feinen, aber etwas farblosen Gesänge „Trauer und Trost“ von Peter Cornelius nicht aufkamen. Seine Stärke sind Frische, Drastik und Humor, der immer ankommt. Gustav C z e r n y sekundierte als Flügeladjutant.

Mit etupender Technik spielte Otto Z y k a n (Klavier) ein Programm von Bach bis Strawinsky. Die „Chromatische Phantasie und Fuge“ erlebte einen Geschwindigkeitsrekord, ohne blaß oder verwischt zu werden, Beethovens Sonate c-Moll, op. 111, kam in bei der Jugend des Vortragenden überraschender Fertigkeit zu Gestalt und Format, wenn auch weniger zu Tiefe; Chopins Barkarole ward mit allem Glanz tragiert. Weniger daheim schien mir Zykan

bei Schönberg (Drei Klavierstücke, op. 11) und bei Skrjabin (Sonate 9, op. 70), sehr dagegen in der „Piano Rag Music“ von Stranwinskij, wofür er, besonders von der Jugend, enthusiastisch gefeiert wurde. Zykan ist ein großer Könner. Was ihm fehlt, ist ein Tropfen Demut (oder Demus). Als besonders gelungen muß die kurze und doch umfassende Einführung^im Programmheft erwähnt werden.

Tonkünstlerorchester und Wiener Jeunesse-Chor musizierten unter der Leitung von Heinz Wallberg Josef H a y d n s Oratorium „D i e Jahreszeiten“. Das Solistenterzett Mimi C o e r t s e, Waldemar K m e n 11, Johannes K a t h o 1 (mit Josef Nebois am Cembalo) war hervorragend aufeinander abgestimmt (mit leiser Führung von Kmentt) und sichtlich persönlich beteiligt. Der eigentliche Solist dieser Aufführung aber war der J e u n e s s e - C h o r, der in seiner Frische und Unblasiertheit zum Erlebnis wurde. Intonation, Präzision, Textaussprache und Klangsubstanz machen diesen jungen Chor heute bereits unseren besten Chören ebenbürtig; das völlig unakademische, persönlich bestimmte Singen hebt ihn sogar über die meisten hinaus. Wir haben seit langem keine so lebendige Aufführung der „Jahreszeiten“ erlebt.

Der Musikverlag Doblinger veranstaltete in seinem Barocksaal ein Hauskonzert mit Werken von Norbert S p r o n g 1 zu dessen 70. Geburtstag. Es spielten Prof. Hans Weber (Klavier), Karl Stierhof (Viola), die Professoren Edith Steinbauer (Violine) und Senta Benesch (Cello), Dr. Werner Tripp (Flöte). Daß, durch Anlaß und Programm bestimmt, der Jubilar der eigentliche Solist war, versteht sich von selbst. Ohne auf die einzelnen Werke näher einzugehen, kann gesagt werden, daß Sprongl bestrebt ist, innerhalb der Tradition mit kleinen Freiheiten sich ein persönliches Profil zu schaffen, sowie daß ihm dieses Bestreben geglückt ist, wenn auch seine Musik, auf derbere Kost verzichtend, in der Zeit der überdissonanten Spannungen nicht als „aktuell“ im modernen Sinn bezeichnet werden kann. Die Feier nahm einen würdigen Verlauf, durch die Qualität der Darbietungen mitbestimmt.

Das vergangene Wochenende stand im Zeichen von Joseph-Marx-Ehrungen, der seinen 80. Geburtstag, wie man zu sagen pflegt, „in voller geistiger und körperlicher Frische“ begehen konnte. Sogar an den Konzertflügel ließ «ich der Jubilar hörigen, an dem er eine Akädemie-sehfllerin begleitet;'die sein bekanntes „Wiegenlied“ vortrug... Unmöglich, alle diese Feiern und Konzerte zu besprechen. Wir registrieren die wichtigsten: eine Matinee der Gesellschaft der Musikfreunde, ein musikalischer Empfang des Österreichischen Kulturzentrums, ein über den Sender II übertragene« Vormittags-konzert des Österreichischen Rundfunks aus dem großen Sendesaal mit Festfanfaren, Geburtstagsrede von Prof. Heinrich Kralik, OrchestcTliedem (Irmgard Seefried) und ;;den „Castelli Romani“ (mit Frida Valenzi s-am Soloklavier). Dirigent war Argeo Qua-dri, es spielten die Wiener Symphoniker. — Es folgen noch (am 18. Mai) ein Festakt im Akademietheater und ein weiterer Festakt in der Akademie der Wissenschaften (am 22. Mai). — Ein von der Mozart-Gemeinde gemeinsam mit der Musikakademie veranstaltetes Festkonzert im Mozart-Saal sei besonders hervorgehoben, weil man hier einige bemerkenswerte junge Talente kennenlernen konnte. Da war zunächst das wohlstudierte und sauber intonierende Thomas-Quartett, das die zweite Fassung des „Quartetto chromatico“ von Joseph Marx spielte, dessen knapp und plastisch geformtes Scherzo besonders anspricht. Hierauf sang die Japanerin Mihoko A 0 y a m a eine Gruppe Lieder. Diese Weiche, kräftige und ausdrucksvolle Stimme ist eine Entdeckung Prof Erik W e r b a s, der das umfangreiche Programm dieses Festabends einstudiert hatte und mit Virtuosität und kammermusikalischer Feinheit am Flügel begleitete. Von den Liedern hat „Schlafend trägt man mich in mein Heimatland“ den schönsten Text (von Mombert, der übrigens auch von dem hierzulande viel zuwenig beachteten Conrad Ansorge vertont wurde). Rudolf Buchbinder spielte zwei Klavierstücke, von denen das erste (Präludium) sehr an ein gleichnamige« Klavierstück von Szymanowski erinnert. — Ihren beiden männlichen Partnern war Annemarie Steffens im „Italienischen Liederbuch“ glatt überlegen. (Hier weist nicht nur der Titel auf Hugo Wolf.) Besonders intensiv und reif war ihr Vortrag der letzten vier, gleichfalls von Dr. Werba begleiteten Lieder. Zum Schluß des ein wenig überdimensionierten Programms kam die „Frühlingssonate“ von Joseph Marx für Violine und Klavier. Die beiden jungen Künstler — Michael Schnitzler, sauber intonierend, mit vollem, schönem Ton und beachtlicher Technik, und der junge Brasilianer Harold Martin am Flügel versuchten offensichtlich, den Überschwang zu dämpfen, das allzu Klangsinnliche ein wenig zu unterkühlen — was ihnen in den beiden ersten Sätzen auch gut gelang. — Es gab langanhaltenden Beifall für die jungen Künstler und den Jubilar, für letzteren auch viel Blumen

Helmut A. Fiechtner

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