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Gruß vom Märchenonkel

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KINDERGESCHICHTEN von Peter Bich sei, Luchterhand-V erlag, Neuwied, 91 Seiten, DM 12.80.

Die meisten Leute glauben, daß Kinder dümmer sind als Erwachsene, darum schreiben sie für Kinder in erster Linie Geschichten, die eine angestrengt phantastische Überwirk-, lichkeit beschwören, eine Welt, von der sie glauben, sie sei die Welt des Kindes.

Da gibt es Feen, Zauberer, tolpatschige Hanswurste, Hündchen, Kätzchen, die in allen möglichen fadenscheinigen Geschichten ihr Unwesen treiben, wer weiß, ob immer zum Gaudium der kleinen Leser?

Um nicht mißverstanden zu werden, es gab eine Zeit, da konnte man Märchen erzählen, diese wurden aufgeschrieben und sind alles andere als dumm. Aber die Kunst des Erzählens ist ebenso selten geworden wie die Kunst, Geschichten zu erfinden. Peter Bichsei hat solche Geschichten erfunden, sie sind kurz und in sehr großen Buchstaben gedruckt, so daß auch literarisch ambitionierte Taferl- klaßler darin lesen können, wenn gleich zugegeben werden muß, daß der literarisch ambitionierte Großpapa ein noch größeres Vergnügen daran haben könnte, nicht nur wegen der Buchstaben, die dem ermüdeten Auge ebenso entgegenkommen wie dem noch ungeübten, sondern wegen der Brillanz, mit der Bichsei das Drollige, den Spaß, den märchenhaften Klamauk stilistisch mit dem Ernst seiner Geschichten verbindet, denn auch ein echtes Märchen ist im Grunde genommen ernst. Die Sprache ist gekonnt dem kindlichen Ausdrucksvermögen angepaßt, das Unberechenbare, Sprunghafte des kindlichen Denkens, also das Unlogische wird ebenso wie im Märchen zum Gestaltungsprinzip. Die Sprache, die Bichsei hier schafft, ist, wenn man an die kitschigen Verballhornungen und süßholzraspelnden Mon sterklitterungen in der Kinderliteratur denkt, eine Meisterleistung, auf die nicht genug hingewiesen werden kann.

Natürlich fehlt die Fabel nicht (Der Nouveau-Roman ist ja bei den kindlichen und kindlich gebliebenen Leseratten kein Statussymbol), jede Fabel lebt von einem lustigen Einfall, an dem die Erzählung sich fortspännt, um zu einem meist gar nicht so lustigen Ende zu gelangen. Aus jeder Erzählung blickt ein bizarr geschminkter Clown, von dem man, wenn er seinen Mund verzieht, nicht weiß, ob er nun lacht oder weint. Aber das ist gut so. Kennt man denn so genau den Unterschied zwischen Freude und Schmerz?

Die Geschichte nachzuerzählen hat keinen Sinn. Jede einzelne muß man, so wie sie geschrieben steht, Wort für Wort lesen oder vorlesen. Und sicher ist das dann so, als würde sie der Märchenonkel höchst persönlich mit einem kleinen verschmitzten Lächeln, über seine Hornbrille hinweg, vortragen. Vielleicht als der Onkel Jodok aus einem der Märchen,, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Also Onkel Jodok läßt grüßen, Kinder, Erwachsene und solche, die beides sind. H. Busek

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UNTER PIRATEN UND KOPFJÄGERN. Von Elfi Hummel. Österreichischer Bundesverlag. 168 Seiten. 16 Seiten Photos. S 98.— .

Das Buch berichtet von einer Expedition, die die Autorin des „Logbuch einer Weltreise“ diesmal zusammen mit Ihrem Bruder unternommen hat, und zwar in offiziellem Auftrag, um über die Arbeit des J.-F.-Kennedy- Friedenskorps zu berichten. Die Geschwister waren als junge Menschen Pfadfinder und scheinen Strapazen gewohnt zu sein. Jetzt haben sie sich zu jungen Forschern entwickelt. Die abenteuerliche Reise führt durch den Urwald von Puerto Rico nach Santo

Domingo und nach Haiti. Als Schiffsköche kommen sie nach Trinidad, hierauf nach Kolumbien und in Kanus bis zum Amazonas, wo*' sie schließlich zwischen den Pfahlhütten einer Leprakolonie ihren Freund, gleichfalls einen Friedenskorpsmann, finden. Das Buch bietet jugendlichen Lesern nicht nur Unterhaltung, sondern auch geographische, naturwissenschaftliche und anthropologische Belehrung.

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NEUES LAND FÜR WILDE TIERE.

Von Eberhard. Hiob, österreichischer Bundesverlag. 264 Seiten. S 98.—.

Dieses spannende Buch berichtet von einer dramatischen Episode, einer von Schweden, Russen, Engländern, Deutschen, Amerikanern, Franzosen und Dänen gemeinsam unternommenen Expedition zur Rettung ganzer Herden wilder Tiere, die infolge der Aufhebung eines afrikanischen Naturschutzgebietes heimatlos geworden sind und nun in ein weiter im Norden gelegenes Gelände, den Amuri-Park, umgesiedelt werden. — Das ist so lebendig und sachkundig geschildert, daß man ein wenig enttäuscht ist, wenn man nach der Lektüre durch eine Aussendung des Verlages erfährt, daß es sich bei dem Ganzen um eine Fiktion handelt. Doch bleibt der Wert des Buches bestehen, das ein großes Wort von Doktor Albert Schweitzer illustriert: „Leben erhalten ist immer gut.“

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JAKOBUS NIMMERSATT ODER: DER MILLIONENWALD VON POG- GENBÜTTEL. Von Boy Lornsen. österreichischer Bundesverlag. 100 Seiten. S 59.50.

Die Poggenbüttler wollen ihren Wald abholzen, aber die hier wohnenden Tiere setzen sich unter der Führung eines riesigen schwarzen Raben zur Wehr. Allerlei Bosheiten der Waldbewohner wollen das Unternehmen vereiteln. Aber als die Menschen hart bleiben, tauschen die Waldtiere mit den Haustieren des Dorfes ihre Plätze, und als die Poggenbüttler eines Tages in der Früh aufwachen, finden sie in ihren Ställen Rehe, Wildschweine, Hirsche,

Waldmäuse und Frösche, und erst als der Waldbestand gesichert ist, ejffolgt die Heimkehr der Wald- und Haustiere. Viele hübsche Zeichnungen von Karlheinz Gross illustrieren diese lustige Geschichte.

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TRIX KNÖPFCHEN UND HEINZ HÖLZCHEN. Von Karl Heinz Gie s. österreichischer Bundesverlag. 88 Seiten und zahlreiche Zeichnungen im Text. S 59.50.

Das ist ein von Jutta Kirsch-Horn ganz besonders hübsch ausgestattetes Buch für die Kleinsten. An Hand von acht Geschichten werden die Kinder angeleitet, aus Stäbchen und Knöpfen die dazugehörigen Bilder selbst zusammenzustellen. Der Laie staunt, was man mit Hilfe dieser einfachen Dinge alles machen kann. Sogar einen Zug mit Lokomotive und das Wort ENDE.

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NACHT DER HIRTEN, LÄMMER UND STERNE. Von Ernst S c h n y d- rig. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main. 39 Seiten. DM 4.80.

WEIHNACHTSERZÄHLUNGEN.

Von Charles Dickens. Übertragen von Carl Kolb und Julius Seybt. Sonderausgabe des Winkler-Verlags, München. 573 Seiten. DM 9.80.

Bedenkt man, was in der Heiligen Schrift über die Geburt Christi als kulturgeschichtlicher Bericht steht, so ist nicht daran zu zweifeln, daß es bei diesem Ereignis auch allerhand Komik gab. Im der Weihnachtskrippe und im Krippenspiel hatte der Humor immer seinen Platz. Heutzutage ist es freilich eine Frage, ob Felix Timmermans noch zeitgemäß ist und ob man mit dem Floh in der Krippe nicht den ganzen Advent verwaggerlt. Wo das Wesentliche bedroht ist, dort endet der Anspruch des Unwesentlichen, Weihnachtsgeschichten in unseren Tagen sind daher durchaus ein Fall für die Literatursoziologie. Eine mit ein wenig Aktualität adaptierte Idylle wird dem Gegenstand nicht gerecht. Ein Transparent und der Lokalreporter der „Jerusalem- Nachrichten“ in einer Weihnachtsgeschichte sind zuwenig überzeugend. Ernst Schnydrig berichtet sönsf fjodh:*„Die Hirten zündeten mit den Lampen hinter jedes Gebüsch...“ Das zündet bei uns nicht. Eher schon: „Die Hirten waren doch zu allen Zeiten immer ein bißchen Trottel.“ Und: „Alles haut ab, sobald Herodes sich bloß schneuzt.“ Das haste mal defte himgewaggerlt. Einige — aber nicht alle — Zeichnungen des Autors sind das Schönste an dem Buch.

Charles Dickens’ Weihnachtserzäh- lungen verwenden das Milieu der zeitgenössischen Gesellschaft als Hintergrund für irgendeine phantastische Verwandlung, die zu dem Weihnachtsereigniis in Parallele gesetzt wird.

Peter Rirdl: Macht aus den Mündungen der Gewehre

Wollzeilen-Verlag, 300 Seiten,

16 Porträts, S 169.—.

Rindl, langjähriger Korrespondent in Ostasien, geht dem „mörderischen Pas de deux“ der Zwangsehe von kommunistischer Rebellion und nationalem Erwachen überall dort nach, wo weltpolitische Entscheidungen gefallen sdncf drfQ* -ftoClf fallen werden. Analyse der Zeitgeschichte und vielfältige persönliche Erlebnisse befähigen Rindl, die Tendenzen der Entwicklung zu zeigen. Sowohl Marxismus als auch Nationalismus sind hier von anderer Substanz als in Europa. Die Übernahme politischer Begriffe westlicher Prägung in das östliche Vokabular, ihre „Umfunk- tionderung“, wird als Ursache der widersprüchlichen Beurteilung der gegenwärtigen Ereignisse durch europäische Betrachter deutlich erkennbar.

Ein Buch, das man zumindest besitzen sollte!

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