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Autobiografische Erzählungen von Helmuth A. Niederle.

Helmuth Niederle ist in den letzten Jahren vor allem als unermüdlicher, mitunter wohl auch etwas zu hastiger Anthologist für den Wieser Verlag tätig gewesen. Der Band "Nicht nach Ithaka" versammelt nun autobiografische Erzählungen des Autors von sehr unterschiedlicher Länge und auch nicht ganz gleicher Qualität.

Am stimmigsten sind zweifellos die gut zwei Drittel des Bandes ausmachenden Erinnerungen an die Kindheit in einem Mietshaus am Währinger Gürtel. Niederle ist Jahrgang 1949, und wenn er hier locker und plaudernd von seinen Kindheitsspielen am Gürtel erzählt, dann kann man ermessen, dass hier von einer Zeit gesprochen wird, die von uns heute viel weiter entfernt ist als es der Zahl der Jahre entspricht.

Da läuft der kleine Helmuth täglich viele Male über die Fahrbahn um in den diversen Werkstätten in den Stadtbahnbögen zuzuschauen, Materialabfälle zu kassieren und für irgendwelche Bastelarbeiten zu verwerten. Das florierende Kleingewerbe mit ausgeprägter Toleranz für kindliche Kiebitze ist heute ebenso undenkbar wie die unfallfreie Bewältigung der Gürtelüberquerung durch einen Dreikäsehoch. Auf den Bänken in der Gürtelallee sitzen inzwischen die Mütter und Kriegerwitwen und wetzen ihre Münder zu effizienten Instrumenten der Sozialkontrolle. Was der kleine Junge damals davon aufschnappte, gibt heute ein lebendiges Bild der drückenden Lebensrealität der Nachkriegszeit. Unbeschreiblich die Beengtheit der Wohnverhältnisse, die mit all den notwendigen Provisorien und Dauerarrangements aus der Sicht des Kindes freilich auch einigen Abenteuer- und Unterhaltungswert haben. Die Eltern werden wohl viel mit Arbeit und Lebensmittelbeschaffung beschäftigt gewesen sein, sie kommen vergleichsweise wenig in den Blick. Dafür ist ein langes Kapitel eine wunderbare Hommage an die Großmutter, die den Enkel umhegt und verwöhnt wie es besser nicht sein kann.

Durchaus zum vorangehenden passend ist auch der Livebericht aus der Klosterschule in den frühen 1960er Jahren. Und wohl nur aus dieser Atmosphäre heraus ist es verständlich, wie aus den biederen deutschen Schlagerbarden "die Lunte" werden konnte, die aus der im Kloster gelehrten "femininen Dreifaltigkeit" - Madonna, Mutter, hübsche Lärvchen - das Feuer der erotischen Latenz zündete. Die letzten drei kurzen Erzählungen - darunter auch die titelgebende - aus dem Erwachsenenleben, passen nicht ganz rund zum Rest des Buches. Bedauerlich ist aber vor allem, dass die Ausstattung des Bandes dem Leser das Leben so schwer wie möglich macht: Der Buchrücken will sich einfach nicht ausreichend öffnen lassen, ein innerer Seitenrand ist fast nicht vorhanden.

Buchtechnisch sehr hübsch ist hingegen der kleine Band mit zehn nächtigen, überwiegend traumhaften Miniaturen des Autors, den der junge Vier-Viertel-Verlag mit hübschen Bildern von Hermann Härtel herausgebracht hat. Vielleicht ist es Zufall, dass als bester Text der erste scheint. Da geht es um ein Kind und um einen vorbeifahrenden Nachtzug - es könnte auch die Stadtbahn sein -, und man kann sich gut vorstellen, dass auch diese Geschichte in Kindheitserinnerungen aus der Währinger Gürtel-Welt wurzelt.

Nicht nach Ithaka

Erzählungen von Helmuth A. Niederle

Wieser Verlag, Klagenfurt 2003

242 Seiten, geb., e 20,40

Im Treibhaus der Nacht

Zehn Notturni von Helmuth A. Niederle Zeichnungen von Hermann Härtel

Vier-Viertel-Verlag, Strasshof 2003

103 Seiten, kart., e 16,-

Verlagstel.: 0 2287 54872

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