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Guter Rat nach altem Strickmuster

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In den USA hat Dale Carnegie vor sechs Jahrzehnten eine neue Gattung des „How-To-Buches” geschaffen: nicht nur schadhafte Wasserhähne konnten mit seiner Version des „Wie man ...” repariert werden, sondern auch menschliche Schwächen. Die Gattung blüht.

WIE MAN AUCH HEUTE KONFLIKTE ÜBERWINDET

Der Altmeister, der schon vor Jahrzehnten im zeitlosen Erfolgsbuch der dreißiger Jahre „Wie man Freunde gewinnt” genau erklärte, wie man es macht, hat wieder zugeschlagen. Beziehungsweise die Mitarbeiter seiner Werkstatt, S. R. Levi-ne und M. A. Crom, die nun in seinem Namen erklären, wie man auch in veränderten Zeitläuften über alle menschlichen und professionellen Klippen kommt. „Der Erfolg ist in dir!' sagt uns allen, „Wie man in einer sich rasch verändernden Welt mit Menschen umgeht, Probleme löst und sich durchsetzt”.

Es liegt am Genre, daß alles an diesem Ruch Optimismus ausstrahlt. Das beginnt mit Kapitelüberschriften, wie „Die Führungspersönlichkeit in sich selbst entdecken” oder „Menschen motivieren”, „Die Würde des anderen achten” und „Gemeinsam in die Zukunft”. Dazu lernt man dann noch Ziele zu setzen, erfährt wie wichtig Konzentration und Disziplin sind, kann Gleichgewicht finden, Zuhören trainieren und wird schließlich mit der Macht der Regeisterung bekannt gemacht.

Das Strickmuster des Klassikers änderte sich keinen Deut. „Verwirre den Leser nicht mit Neuem”, könnte man es beschreiben. Am Ende jeden Kapitels eine eingerahmte Rotschaft von Art: „Der wirkliche Lea-der verliert nie die Übersicht. Er behält das Wesentliche im Auge”.

Wieso es bei Abermillionen verkaufter Carnegie-Bücher noch Versager in den USA gibt? Vielleicht sind die paar Millionen Bücher für 230 Millionen Einwohner immer noch zu wenig. Wer in seiner Jugend, vom Klassiker „Wie man Freunde gewinnt” beeindruckt, mit überzeugungsgeschwellter Brust von dannen zog, um auf eine Welt zu stoßen, in der alles nicht so läuft, lächelt gerührt.

KONFLIKTLÖSUNG AUF ORIENTALISCH

Ein Buch aus alt-chinesischer Weltsicht über den konstruktiven Umgang mit modernen Konflikten schrieben keine Asiaten sondern die Amerikaner Joel Edelman und Mary Beth Crain: „Das Tao der Verhandlungskunst”. Kung Fu, gewissermaßen, statt Boxen, in Ehe und Beruf. Anders als bei Carnegie wird hier vor allem aus der persönlichen Erfahrung der Autoren gesprochen. Doch ein gelernter Amerikaner kann sich dem übermächtigen Vorbild wohl nicht ganz entziehen. Statt einer nicht endenden Reihe von Rei-spielen direkt aus dem Alltag des erfolgreichen Amerikaners, wie bei Carnegie, geben das professionelle Leben der Autoren als Berater, ihre Erfolge und Mißerfolge, die Beispiele ab. Und schon sind wir wieder beim Strickmuster Carnegie.

Die offenbar von Edelman ausgewählten und von Crain geschriebenen Beispiele werden aber weit intensiver ausgeleuchtet, als es je bei Carnegie der Fall sein kann. Wo

Carnegie präzise und knapp bei der Schilderung eines konkreten Erfolges bleibt, den man bloß nachzuahmen braucht, gehen Edelman und Crain in die letzten Einzelheiten ihrer Erfolge und Mißerfolge. So kann sich der Leser leichter mit den Fällen identifizieren. Die Konfliktwel-ten, in die sie uns einführen, wirken vertrauter.

Wo dabei die orientalische Methode bleibt, ist unklar. Zitate von Lao Tse geben immerhin als Einleitung Ur-Erkenntnisse zum besten, die darein münden, Konflikte zu vermeiden, was sicher sehr weise ist. Bei Carnegie landen wir wieder, wenn man uns sagt, daß erfolgreiche Konfliktlösung Erfolg im Leben bedeutet. Edelman und Crain zeigen, daß die Konflikte in der Ehe und auf dem Arbeitsplatz und die Möglichkeiten, sie zu lösen, ähnlicher sind, als man meint.

KONFLIKTLÖSUNG AUS KALIFORNIEN

Noch weiter im Bemühen, unserer Wirklichkeit auf die Schliche zu kommen, gehen Aaron Kipnis und Elizabeth Herron in „Wilder Frieden - Das Experiment einer neuen Partnerschaft zwischen Frauen und Männern”. Dieses Experiment ist ein typisch kalifornischer Versuch, ein menschliches Dauerproblem ein für allemal zu lösen. Die Methode erweist sich bereits traditionell, die konkrete Durchführung als höchst originell.

Zwölf Männer und Frauen ziehen unter Führung der Seelenmasseure Kipnis und Herron los, um in den Wäldern um den erloschenen Vulkan Mount Shasta im nördlichen Kalifornien eine Woche lang einen Workshop durchzuführen. Sie reden über ihre persönlichen und geschlechtlichen Erfahrungen und Probleme, während Aaron Kipnis bei den Männern und Elizabeth Herron bei den Frauen den Recorder laufen lassen. Mit dem, was da herauskommt, hat sich wohl schon jeder auseinandersetzen müssen.

Nach erster Definition der Problematik - locker erzählerische Aufbereitung der Abläufe des Workshops, beginnend mit den Wirren der Abfahrt und der ersten kollektiven Konfrontation zwischen der Männer- und der Frauengruppe. Jeder sagt, was ihm beim Zusammenleben mit dem anderen Geschlecht Schwierigkeiten bereitet. Das ist so gut erzählt, daß man den fremden Erfahrungen Gesichter aus dem eigenen Leben zuordnen kann. Dann trennen sich die Gruppen und versuchen, mit dem Gesagten unter sich fertigzuwerden. In der letzten Zusammenkunft werden die Schlußfolgerung gezogen.

Eigentliches Ziel war die Überwindung der oft ins Negative abgleitenden Selbstbesinnung von Frau und Mann, um zu einer entspannten Reziehung zu gelangen, in der wir „in unserer vollen Würde zu unserem Anderssein stehen können, während wir Mitgefühl und Verständnis für das andere Geschlecht entwickeln”. Die Teilnehmer haben es (lesen wir) geschafft, die Leser können es, das How-to-Buch auf dem Nachtkastel, versuchen.

KONFLIKTLÖSUNG AUS HARVARD

Um etliches näher dem Altmeister, in der Form wenigstens, steht „Jenseits von Machiavelli” von Roger Fisher, Ko-Autorinnen sind Eliza-

beth Kopelman und Andrea Kupfer Schneider. Ein „Kleines Handbuch der Konfliktlösung” haben wir da, geschrieben von einem Emeritus der Harvard Law School, Mitbegründer des Harvard Negotiation Project. Kopelmann arbeitet am Stanford Center of Conflict and Negotiation, A. Kupfer Schneider ist Rechtsanwältin in Washington.

Machiavellis „II Principe” war, über die Analyse des Herrschaftsprinzips hinaus, ein jahrhundertelang eifrig benutztes How-to-Buch für gewissenlose Fürsten. Im allgemeinen Bestreben, der neuen Weltordnung mit besseren Methoden eine Chance zur letztendlichen Durchsetzung zu geben, können die Autoren kaum auf positive Beispiele verweisen. Also entwickeln sie grundsätzliche Methoden der sanften Konfliktlc'iung, um zu zeigen, wo in den anstehenden Konflikten Lösungen ansetzen können. Es geht ihnen um das Überwinden eingefahrener Reaktionen auf Konfliktsituationen. Alle betroffenen Instanzen sind angesprochen, vom Journalisten über den Politologen bis zum Staatsmann, doch wird schnell klar, daß diese Methoden auch im täglichen Leben anwendbar sind:

„Im Mittelpunkt steht die Entwicklung eines intelligenten Prozesses für den Umgang mit Konflikten - unabhängig davon, ob diese auf internationaler Ebene, in örtlich begrenztem Umfeld oder im persönlichen Bereich angesiedelt sind.”

Die Methode scheint wirkungsvoll, man wünschte sich, daß Leute wie der Bosnien-Vermittler David Owen das Buch lesen. Immerhin haben auch Fisher & Co. nicht nur positive Beispiele, sondern auch Erfolge bei der Anwendung vorzuweisen: „Dieses Buch enthält die Ideen, die uns geholfen haben, uns ere Interessenkonflikte auf dem Verhandlungsweg zu lösen”, schreiben die Chef-unterhändler Ramaphosa vom ANC und Mayer von der südafrikanischen Regierung. Anscheinend hat auch Jimmy Carter die Methode in Nord-Korea, Haiti und Bosnien benützt, sonst würde er wohl das Buch nicht gar so warm empfehlen.

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