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Handkes Eiertanz
Peter Ilandke befand, zu seiner Erzählung von einer winterlichen Reise durch Serbien (FURCHE 13/1996) sei „jetzt, gut sechs Monate danach, vielleicht ein Nachtrag nötig”, machte sich noch einmal auf den Weg und übte sich mit dem Büchlein „Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise” in der Kunst der Schadensbegrenzung. Er lieferte einen Text ab, den jene, welche die undifferenzierte proserbische Parteinahme in der „Winterlichen Reise” empört hatte, als kleinen Rückzieher und die kritiklosen Verehrer als Präzisierung mißverstandener Äußerungen lesen können: 84 Druckseiten betulicher Reisebeschreibung, heftiger Medienschelte und bemühter Wiedergabe serbischer Befindlichkeit.
Immerhin hat sich Ilandke den Hinweis auf den „Jahrestag des mutmaßlichen (im Augenblick, Mitte Juli 1996, immer noch das richtige und rechtliche Beiwort) Genozids von S.” abgerungen. Doch der Satz, in dem expressis verbis vom Genozid von Srebrenica die Rede ist, ist Teil der Anklage, die Zeitungen würden die Vorgeschichte des Genozids vernachlässigen, und der Ton, in dem Handke davon spricht, legt die Vermutung nahe, daß er an diesem Genozid noch immer zweifelt, sonst schriebe er ja nicht vom mutmaßlichen Genozid („immer noch das richtige und rechtliche Beiwort”: also bis zum Beweis, daß das Ganze doch ein Schwindel war?).
Auch seine Ausfälle gegen die Bildberichte über die Exhumierungen erinnern, leider muß es gesagt werden, an alle wohlbekannten Beispiele für das Wegschieben unbequemer Fakten und für das Relativieren dessen, was sich nicht wegschieben läßt: „Und was sagt das Gedächtnis jetzt, im nachhinein, von-den Stunden in S.? - Gewiß haben sich dort auch Kinder gezeigt, aber das Gedächtnis hat weder Bilder noch Worte für sie ... Und keine Bilder so auch von den mutmaßlichen Massakerstätten weiter unten im Tal und in den Nachbartälern (doch davon gibt es ja nicht zu wenige andere und andersartige Bilder, jene Totenschädel auf freiem Feld, die Augen-, Nasen- und Mundhöhlen von gar malerischen Blumen durchwachsen - während das Feld sonst ganz ohne Blumen ist! -, mit den passenden Gestrüppzweigen kombiniert, angepeilt von oben von einem gut gewählten Kamerahochsitz, desgleichen kadriert und noch trefflicher ausgeleuchtet, hochglanzbereit und farbraffiniert...”
Handke hat Schwierigkeiten, die schockierenden Fakten des Krieges in Bosnien zur Kenntnis zu nehmen. Dies ist begreiflich und nur zu menschlich. Er hat recht, wenn er einem Teil der Massenmedien Einäugigkeit vorwirft und auf die in der Nazizeit und früher an Serben begangenen Verbrechen erinnert. Leider hindert ihn seine notorische Überheblichkeit daran, zu erkennen, daß er damit nachvollzieht, was viele Journalisten, auf die er so verächtlich herabblickt, lang vorher geschrieben haben. Da er kein den Fakten verpflichteter Journalist, sondern - im Verhältnis zu den Fakten: nur - ein Dichter ist, kann er es sich leisten, für glaubwürdig zu halten, die Serben hätten eine Moschee zerstört, weil die Bosnier darin Waffen versteckt hätten, statt dem auf den Grund zu gehen, kann er die Lesart vom „mutmaßlichen Rachemassaker” als Reaktion auf vergleichbare bosnische Verbrechen übernehmen und sich Übertreibungen wie diese leisten: „Wird man einmal, bald, wer?, die Serben von Bosnien auch als solche Indianer entdecken?”
Was hat ihn wirklich zur zweiten, sommerlichen Reise veranlaßt? Der Verdacht, er könnte mit dem ersten Buch über das Ziel hinausgeschossen haben? Oder die Erkenntnis, daß ihn die einseitige Parteinahme in einem grauenhaften Bruderkrieg Leser seiner anderen ßücher kosten kann? Sein Verhalten bei den nächsten öffentlichen Auftritten wird es möglicherweise zeigen. Der Schöngeist Handke neigt ja bekanntlich dazu, Gesprächspartner, die nicht seiner Ansicht sind, grob zu beschimpfen. Bei solchen Gelegenheiten zeigt sich, wie er wirklich denkt.
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