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Hans Karl von Zeßner-Spitzenberg

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Auf einem Grabhügel des Grinzinger Friedhofes steht ein schöne« Kreuz, das in seiner schlichten Art an die Kreuze auf den stillen Gottesäckern unserer heimatlichen Alpendörfer gemahnt. Zu seinen Füßen besagt eine Inschrift:

„Hans Karl Freiherr von Zeßner-Spitzenberg, geb. in Dobritschan «m 4. Februar 1885, gest, in der Fremde am 1. August 1938.“ Die Worte „in der Fremde" bedeuten das KZ Dachau. „Fremde“ im vollsten Sinne des Wortes; ferne der Heimat und ferne ihrem Geiste, denn nichts kann dem Österreicher fremder sein als der Ungeist, für den das Wort „Dachau" Name geworden ist.

Der Mann, den das Grab auf dem Grinzinger Friedhof deckt, ist einer der ersten Gefallenen für Österreich, der Opfer der Usurpatoren des Jahres 1938, der blutigen Terrorherrschaft, die damals einsetzte. Der erste Transport hatte unter den ersten, denen, schon lange vorher berechnet, der

Schlag der Gestapo galt, auch den Wiener Hochschulprofessor Zeßner-Spitzenberg in das Lager des Dachauer Moors gebracht. Er war ein Typus ritterlicher Mannhaftigkeit und Geradlinigkeit, ein fröhlicher Mensch, ein‘treuer Freund und ein offener, freimütiger Gegner.

Nach Erwerbung des rechtswissenschaftlichen und des philosophischen Doktorats an der Wiener Universität, war er zuerst im Ackerbauministerium und später im Verfassungsdepartement des Bundeskanzleramtes tätig gewesen und hatte dann die Lehrkanzel für Staats- und Verwaltungsrecht an der Hochschule für Bodenkultur erhalten. Als Lehrer, Freund und Berater ist er vielen tausend jungen Österreichern bekannt und lieb geworden.

Die Verhältnisse an den österreichischen Hochschulen waren damals krankhaft schwierig, kritischer als in anderen Bereichen. Soziale Notstände unter den Jungakademikern und eine geschickte unterirdi sche Propaganda hatten viele junge verwirrt und politisch irregeführt. Selbst für den Hochschullehrer war es damals nicht leicht, ein offener Bekenner des österreicher- tums und katholischer Gesinnung zu sein. Und Zeßner-Spitzenberg war ein solcher Bekenner. Jedermann kannte ihn als solchen und die Noblesse seiner Gesinnung öffneten ihm aber auch in der damaligen geistigen Atmosphäre die Herzen der Jugend, auch derjenigen, die nicht seinen Anschauungen und Überzeugungen zu folgen vermochten. Es war damals, als ein Student, der an der Universität immatrikulieren wollte, zu Zeßner kam und seine Hilfe erbat. Er hatte im Fragebogen die Rubrik „Volkszugehörigkeit“ mit “österreichisch“ ausgefüllt und war nun äufgefordert worden, „deutsch“ hinzuseb reiben, eine österreichische Volkszugehörigkeit gebe es nicht. Zeßner nahm den Kampf für ihn auf und focht ihn durch. Es hatte Mut dazu gehört. Man muß beschämt zugeben, daß die Schar, die damals treu zu Zeßner stand, recht klein war. Zeßners besondere Liebe galt dem christlichen Erziehungswesen. Seine organisatorische und beratende Tätigkeit im „Verband der katholischen Lehr- und Erziehungsanstalten", die unter seiner Mithilfe erfolgte Errichtung der heutigen Arbeitsgemeinschaft der katholischen Lehr- und Erziehungsanstalten trugen bleibende Frucht.

Von 1933 bis 1938 stand Zeßner in der vordersten Kampffront gegen den Nationalsozialismus. Über die tödlichen Gefahren dieses Kampfes gab er sich keinen Illusionen hin. Es hätte dazu nicht der wiederholten anonymen Drohbriefe bedurft. Nie, bis zum letzten Tag seiner Freiheit, hat er aufgehört in Wort und Schrift für ein freies, unabhängiges Österreich zu streiten. Eine glühende, begeisterte und alles bestimmende Liebe zu allem Guten und für seine Mitmenschen war in ihm, eine Gemütswärme, die sein ganzes Wesen durchstrahlte und da« eigentlich Bestimmende und zugleich Bezaubernde seiner Persönlichkeit ausmachte. Und dieser Mann war zugleich ein Kämpfer, wo immer es um Glaube und Vaterland ging, bedenkenlos, ohne irgendwelche Rücksicht auf persönliche Interessen, kompromißlos mit dem Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit. Ein Dachauer Kamerad Zeßners, ein Mann ganz anderer politischer Richtung, sagte nach seiner Heimkehr dem Verfasser dieser Zeilen! „Zeßner ist uns allen im KZ ohne Unterschied der Weltanschauung, ein wahrer Trost und eine Stütze gewesen. Durch ihn habe ich erst verstehen gelernt, was echter, tiefer, religiöser Glaube ist und was er vermag. Und er hat mich auch verstehen gelehrt, was die Katholiken meinen, wenn sie von ihrer Religion als Religion der Liebe sprechen.“ Dieses Urteil zeigt das tiefste Wesen in Zeßners Persönlichkeit auf.

Die Höhe seiner Lebensauffassung zeigte er, wie er, der in Dachau bald dem Tod Geweihte, sein Schicksal trug. Er blieb auch in dieser Drangsal derselbe, in • bewußter Opferbereitschaft für sein Land und Volk und seinen Glauben. Sein Tod war das Sterben eines christlichen Helden. So haben es seine Kameraden von Dachau empfunden und erlebt. In einem seiner letzten Briefe an seine Frau bezeichnet er die Leiden in Dachau als „die Krönung seines Lebens". „Den Willen Gottes in allem erkennen und vollkommen befolgen“, lautet der letzte Satz seines letzten Briefes, den seine Familie kurz vor seinem Tode aus Dachau erhielt.

Sein Beispiel bleibe immer vor unseren Augen! Sein Andenken sei verehrt und gesegnet! Erzählen wir unserer Jugend von dem Vorbild Hans Karl von Zeßner-Spit- zenberg! C. B. W aller, dzt. London

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