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Heiliger Vater, schauen Sie in die Kamera!

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Der Vatikan beherbergt nicht nur eine berühmte Bibliothek, sondern auch eine eher unbekannte Filmothek mit mehreren tausend Filmbeiträgen zum Thema Religion. Ein Bericht.

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Der Vatikan beherbergt nicht nur eine berühmte Bibliothek, sondern auch eine eher unbekannte Filmothek mit mehreren tausend Filmbeiträgen zum Thema Religion. Ein Bericht.

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Das Archiv befindet sich in einer Abteilung des Päpstlichen Medienrats und arbeitet seit acht Jahren miteiner Mini-Mannschaft an einem Mammutprojekt: Aus aller Welt sollen Film- und Fernsehbeiträge zum Thema Religion gesammelt werden. Nach anfänglich 600 Titeln gibt es mittlerweile rund 5000, und das Archiv wächst täglich. Auf einem eigenen Studioplatz werden etwa die Berichte von Direktübertragungen aus dem Petersdom für das Archiv zusammengestellt - in enger Zusammenarbeit mit CTV, dem Fernsehsender des Vatikan.

Oberster Hüter der Film- und Vi-deothek ist Direktor Monsignore Enrique Planas. Er hatte für die Konservierung der alten Filme einen Spezialisten der italienischen Fernsehanstalt BAI engagiert, just mit dem Namen „Papa”, zu deutsch „Papst”. Er hütet auch das älteste Material im Filmarchiv des Vatikan. Es handelt sich um eine Rolle aus dem Jahr 1896 - aus jenen Jahren, als die Bilder laufen lernten: Der Streifen der Gebrüder Louis und Auguste Lumiere zeigt Leo XIII. in seiner Kutsche in den Gärten des Vatikan. Der Papst, bereits 86jährig, wird von einer Leibgarde -Herren in Frack und Zylinder - begleitet. Anschließend segnet er - der Sekretär deutet heftig Richtung Kamera - die künftigen Zuschauer des Films. Dann kehrt er überraschend nochmals auf seinen Sitzplatz zurück, entweder auf Anraten seines Sekretärs oder weil ihn der Cinemato-graph darum gebeten hatte: das Vertrauen in die neue Technik ist noch gering. Also wird die Szene und sicherheitshalber auch der Segen wiederholt. Von Leo XIII. (1878-1903) stammt die 1891 verfaßte Sozialenzyklika „Rerum novarum”.

Das Filmarchiv des Vatikans befindet sich im Palazzo San Carlo, unmittelbar neben dem Petersdom. Der Präsident des Päpstlichen Medienrats, Erzbischof John P. Foley aus Philadelphia sitzt stilecht in seinem Büro hinter einem Computer: „Es hat bereits unter Pius XII. Vorarbeiten für eine Vatikanische Filmothek gegeben, um die Schätze religiöser Filme ebenso aufzubewahren wie es die Vatikanische Bibliothek mit den historischen Schätzen der Christenheit tut.” Foley bedauert, daß nicht alle Päpste seit 1896 auf Filmen zu sehen sind: „Von Pius X. (1903-1914), einem kanonisierten Heiligen, haben wir die Stimme, aber keine Bilder. Und wir haben unglücklicherweise nichts über Benedikt XV. (1914 -1922) - er war ein so großer Friedensapostel.”

Auf Film gebannt wurde indes ein anderes historisches Ereignis: Am 12. Februar 1931 eröffnet Papst Pius XI. mit Guglielmo Marconi den Sender Radio Vatikan. Bei seiner Ankunft wird Pius XI. von dem Erfinder mit dem damals immer noch üblichen Kniefall begrüßt. Marconi hatte bereits 1896 die drahtlose Telegrafie entwickelt und gilt auch als Erfinder des Radios. Die neue Kurzwellenantenne von Radio Vatikan war damals die modernste ihrer Art; die Sendung von der Eröffnung ist die erste weltweite Live-Sendung und gleicht einem Experiment. Sie wird auch noch in Chicago gehört. Rund acht Millionen Menschen verfolgen dieses Zeremoniell an den Rundfunkgeräten.

Pius XI. spricht seine Eröffnungsrede aus dem Stegreif, ringt sichtlich nach Worten, wohl auch, um dem neuen, ungewohnten Medium gerecht zu werden: „Der menschliche Verstand sieht Dinge und erkennt sie, kann sie messen, Dinge, die wir mit den Augen nicht wahrnehmen. Wir gratulieren Ihnen ganz herzlich zu dem, was die göttliche Güte und Kraft Ihnen zu tun erlaubt und die göttliche Weisheit Ihnen eingegeben hat zum Dienste an der Menschheit, einer Menschheit, die sich immer weiterentwickelt.”

Pius XI. (1922-1939) hat übrigens die Katholische Aktion gegründet und die Soziallehre von Leo XIII. mit seiner Enzyklika „Quadragesimo anno” erweitert.

Am 2. März 1939 trifft der Vatikan Vorbereitungen für ein neues Konklave: Kardinal Theodor Innitzer aus Wien trifft in Rom ein. Auf dem Do-kumentarstreifen ist auch der junge Giovanni Battista Montini zu sehen -24 Jahre später Paul VI. Der Zugang zur ”Sixtinischen Kapelle wird abgemauert, um die Kardinäle von der Umwelt abzuschirmen. In der Kapelle montieren Arbeiter die Baldachine über den 72 Sitzplätzen. Einem alten Zeremoniell zufolge signalisieren heruntergeklappte Baldachine Zustimmung für einen Kandidaten. Zuletzt bleibt nur der Baldachin des neuen Papstes sichtbar.

In einer kleinen Seitengasse Borns befindet sich die Talarsch neiderei des künftigen Pontifex maximus. Hier herrscht Hochbetrieb: Die Kleidung wird in verschiedenen Größen genäht, auch Schuhe unterschiedlicher Größen stehen bereit. Noch kennt ja niemand die tatsächlichen Maße des künftigen Papstes.

Auf dem Petersplatz nimmt die wartende Menschenmenge immer mehr zu. Allgemein wird ein kurzes Konklave erwartet, nicht zuletzt wegen der politischen Situation in Europa - gewissermaßen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. An diesem 3. März 1939, nur einen Tag nach Beginn des Konklave, warten rund 200.000 Menschen auf dem Petersplatz auf den weißen Rauch als Zeichen der Papstwahl.

In den Abendstunden schließlich tönt das „Habemus papam” aus Lautsprechern über den Platz. Die Kameras erfassen in der Dunkelheit nur noch schemenhaft die asketische Gestalt Pius XII. (1939-1958) - ein symbolhaftes Bild für den obersten Hirten der katholischen Kirche in einer der schwierigsten Epochen des 20. Jahrhunderts.

Der 63jährige Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli war bis 1929 Nuntius für das Deutsche Reich.

Die Krönung Pius XII. wird für den 12. März angesetzt. Das Teleobjektiv zeigt trotz der Feierlichkeit des Augenblicks auch die menschliche Seite oben am Balkon: Die Nervosität des Zeremoniärs und Pacellis. Die schwere, dreiteilige Tiara auf dem - Zeichen für das Lehramt der Kirche, die Leitung und das Hirtenamt - beginnt Pius XII. den lateinischen Segen aus dem Buch offensichtlich viel zu schnell zu lesen. Neben ihm hebt der Zeremoniär beschwichtigend die Hände und senkt sie mehrmals, um Pacelli zu bremsen.

Die Filmothek des Vatikan enthält freilich nicht nur Dokumente des obersten Chefs. Der Papst hat hier einen eigenen Vorführsaal auch für Filmklassiker wie etwa „Citizen Kane”, „Ben Hur” oder „Don Camil-lo”.

Erzbischof Foley, der Leiter des Medienrats, würde sich künftig einen größeren Bahmen für dieses Filmmaterial wünschen: „Wir haben in der ganzen Welt kein Filmfestival, das speziell religiöse Themen behandelt. Ich glaube, das wäre hier ein wunderbarer Platz unter der Schirmherrschaft der Vatikanischen Filmothek.” Historisch gesehen habe die Kirche Jahrhunderte hindurch die Patronanz der Kunst gepflegt: der Musik, schönen Künste, Bildhauerei, Malerei, Architektur.

Foley: „Es ist äußerst wichtig, diesen Kontakt zur kreativen Gesellschaft zu haben - zu jenen, die schreiben, produzieren, zu den Direktoren, Akteuren in Film und Fernsehen. Denn die Kirche kann heute nicht abwesend sein - in einem der wichtigsten Aufgabengebiete des menschlichen Lebens.”

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