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Heimat der Völker

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Es war ein ziemlich exklusiver Kreis, der in der Woche vom 12. zum 19. September zu einem missionsliturgischen Kongreß in Nijmegen zusammengekommen war. Unter den ungefähr 130 Teilnehmern saßen zahlreiche Afrikaner und Asiaten, die diesmal nicht mehr Repräsentationsfiguren waren, sondern tatsächlich ihr Wort mitzureden hatten. Schließlich führte ja auch der indische Kardinal Valerian Gracias den Vorsitz, der damit mehr als nur seinen Namen hergab.

Natürlich behandelte man viele Probleme. Jede Diskussion warf eigene Fragen auf. Im Grunde aber ging es um die eine große Wahrheit, daß die Kirche Christi allen Völkern Heimat geben müsse. Denn schließlich ist die „Anpassung“, von der heute soviel geredet wird, ja kein kluger Schachzug, der aus der Untergangsstimmung des Westens Kapital schlagen möchte oder westliches Christentum einer nichtwestliche'n Kultur schmackhaft machen will. Anpassung bedeutet vielmehr die Bereitschaft, die Werte anderer Kulturen zu verstehen und zu schätzen, und die Offenheit zur Aufnahme dieser Kulturwerte in das Christentum, das über jeder Kulturform steht. Es ist im Grunde um die Haltung Professor Seumois OMI. vom Missionswissenschaftlichen Institut der Propaganda in Rom führte es weiter aus, die die Kirche von den Zeiten eines heiligen Paulus bis weit in die Jahre von Reformation und Gegenreformation leitete, bis zur berühmten Instruktion an die ersten Apostolischen Vikare 1659; ähnliches hört man heute aus dem Munde Kardinal Costantinis, des ersten Apostolischen Delegaten in China und Propagandasekretärs, dessen Ansichten der neue Präfekt Kardinal Agagianian weithin zu teilen scheint.

Heute sind diese Fragen drängender als je. Immer Wieder betonte der Kongreß die Tatsache, daß die jungen Nationen Afrikas und des Fernen Ostens die katholische Kirche als Importartikel aus dem Westen ansehen. Und das nicht einmal so sehr wegen ihrer. Dogmen, sondern wegen ilAferÄSh' -sichtbgtiSite, ihres %jftes irifhp’%ligiösen ‘Manifestationen, die aHepfäJU füWWenMsenägeiTSi'B sem’weißen Marin aber anzuschließen, ist heute schon weitum verpönt. Das gilt auch, wie der Kapuzinermissiologe P. Bühlmann darlegte, für die' Missionsschule und die Caritas, die vielfach der Stolz des Missionärs sind; denn die Regierungen lassen überall merken, daß sie Schule und Gesundheitswesen verstaatlichen wollen. Für manchen Missionär wird das den Verzicht auf sein erstes Missionsmittel bedeuten, aber den Verzicht zugunsten des Kerns christlicher Glaü- bensverkündigung, den immer noch Liturgie und Sakramentenspendung bilden.

Dazu kommt die innere Not vieler Neuchristen, denen der Verlust ihrer alten Stam- mesriten zu einem seelischen Vakuum zu werden droht. Bonifaas L u y k x O.Praem. meinte sogar, daß unsere westliche Liturgie kaum für den Afrikaner mit. seinem ausgesprochenen Sinn für das Heilige und das Mysterium geeignet sei, mit seinem organischen Empfinden für den Zusammenhang zwischen Kult, religiösem Gefühl und persönlichem und sozialem Leben; für den Afrikaner, dem religiöse Ursprünglichkeit und aktive Teilnahme am großen Mysterium des Kults noch alles bedeuten.

Daher der allgemeine Wunsch nach aktiver Teilnahme und Erschließung der katechetischen Möglichkeiten der Liturgie. Der Lesegottesdienst solle wieder, wie es in der Urkirche war, zum großen Mittel christlicher Glaubensunterweisung werden. Darum die Bitte um den Gebrauch der einheimischen Sprache und der lecfio continua, wie sie im abschließenden Bericht des Kongresses an die Propagandakongregation zum Ausdruck gebracht wird. Der Sonntagsgottesdienst ist ja, wie vor allem Msgr. D u s c h a k SVD. Calapan, Philippinen ausführte, auch heute noch für viele Katholiken der einzige Kontakt, der sie mit Gott verbindet. Er ist die einzige Zeit, der einzige Ort, die einzige Gelegenheit, wo sie bereit sind, religiöse Dinge an- und aufzunehmen. So könnte eine verständnisvolle, aktive Teilnahme zum anhaltenden Religionsunterricht werden, vor allem dort, wo diese Möglichkeit in der Schule oder der Oeffentlich- keit nicht mehr besteht.

Drängender noch ist dieses Problem in Afrika, wo nach dem Urteil eines Missionsbischofs unverständliche Gebete leicht als magische Formeln betrachtet werden, da das religiöse Empfinden des Afrikaners sich nur in seiner Muttersprache und den rhythmischen Gesängen seiner eigjifen musikalischen Tradition ausdrücken könne. Und. da er die christlichen Kultformen noch kaum assimiliert hat, sucht dieses religiöse Empfinden seinen Ausdruck in der Rückkehr zu alten heidnischen Praktiken.

Natürlich ist das Problem mit der Sprache allein noch nicht gelöst. Endziel muß immer die „actuosa participatio“ sein, die Papst Pius XII. forderte. Diese Gesinnung wird sich auch äußern müssen, wie nachdrücklich betont wurde. Jedes Volk wird im Rahmen des Gegebenen seinen Weg finden müssen; seine eigene Musik, die die Texte von Proprium und Ordinarium wieder neu aufleben läßt, ja vielleicht sogar eine neue Form des sakralen Tanzes auf Flores, Indonesien, hat man bereits damit begonnen, der christliche Opferhaltung im Zusammenspiel von Seele und Körper, von Mensch und Gesang, von Rhythmus und Farbe zum großen ganzheitlichen Erlebnis werden ließe. Das wird bei der6 Sakramentenspendung und beim Rituale noch leichter sein als bei der eigentlichen Opferfeier. Rom hat hier ja bereits weitgehende Vollmachten gegeben, und so werden in absehbarer Zeit Taufe, Firmung und Ehe wirklich zum Zeichen der Con- secratio mundi werden, die auch der einfache naturverbundene Mensch verstehen kann.

Freilich, dazu wird noch viel Kleinarbeit unter Gläubigen wie Klerikern geleistet w.erden müssen von denen noch immer mancher, wie Msgr. D u s c h a k es formulierte, „von jenseits der Kommunionbank nicht gestört werden will“. Liturgische Zentren werden hier dem einzelnen zur Hand gehen müssen.

Manches aber wird noch einer längeren Diskussion bedürfen, wie die Frage des Diakonats. Manches ist von Rom bereits erlaubt, und vieles wurde angeregt, das vielleicht auf dem kommenden Konzil seine Vollendung finden wird.

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