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Heimat in Böhmen

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Heimat In Böhmen. Von Bruno Brehm. Pilgram-Verlag, Salzburg 1951. 114 Seiten.

Zwei Farben sind es, die diesem Buch den schönen, matten Glanz ausgekämpfter, abgeklärter Erinnerungen geben: die Empfindungen des altö6terreichischen Offiziers und die des Grenzlanddeutschen, Beide münden notgedrungen In eine stille, echte Trauer über das vorläufig letzte Ergebnis einer jahrhundertealten, an verhängnisvollen Fehden und fruchtbaren Annäherungen reichen Nachbarschaft zweier kulturell hochstehender, schöpferischer Völker. Und doch liegt bei aller verständlichen Bitterkeit im einzelnen über dem Buch etwas wunderbar Versöhnliches. Eine „Szene“ etwa wie die Begegnung des „Heimkehrers“ (das Buch ist eine Rückschau des Dichters auf seine Jugend- und Studentenjahre in Bärringen, Chiesch, Znaim, Prag und andere) in einem Prager Studentenheim mit der x einfachen böhmischen Bedienerin, trägt die Züge einer dichterischen, klassischen Simplizität und darf als tief geschautes Symbol für die Tragik dieses geschichtlichen Vorganges genommen werden. „Heimat in Böhmen“ ist nicht Brehms größtes, aber schlackenlosestes, reifstes und innerlich empfundenstes Werk. Der einzigartige Bilderschmuck schmiegt sich sinnvoll der elegischen Grundstimmung des* Buches an.

Dr. Roman Herle

Die Deutschen in Böhmen und Mähren. Ein

historischer Rückblick. Herausgegeben von Helmut P r e i d e 1. Verlag Edmund Gans, Gräfelfing bei München, 1950. 384 Seiten.

Sudetendeutsches Jugendbuch. Gestaltet von Franz Lorenz. Verlag „Christ unterwegs“, München 1950. 200 Seiten.

„Ich gehe nach einem großen Schicksal...“ Adalbert Stifter legt diese Worte Witiko in den Mund, der — man schreibt das Jahr 1138 — au6 dem Tal der Donau gegen Norden reitet, nadi Böhmen. Und es ist wahrlich ein „großes Schicksal“, das der böhmische Kessel und sein Vorraum Mähren erleben sollte, Grenzland mit allen daraus entspringenden Vor- und Nachteilen, Kreuzungspunkt -wischen Süd und Nord, Mitte und Mittler zwischen West und Ö6t, Nahtstelle zwischen Germanentum und Slawen, Schauplatz religiöser und sozialer Spannungen — Europas Herzland durch acht Jahrhunderte.

Seit es in das Licht der Geschichte trat bi6 in unsere Tage hinein war Böhmen Glied, Baustein, Kristallisation6punkt überstaatlicher und übernationaler Reiche, die Hälfte seiner Geschichte Bestandteil, „kostbarste Perle“ der Donaumonarchie. Seine HerauslÖ6ung au6 diesen geschichtlichen Bindungen war von 6ehr kurzer Dauer und leitete, nur zu jenem Stadium seiner Geschichte über, das durch das Verschwinden hinter dem „Eisernen Vorhang“ gekennzeichnet wird.

Die tschechisch-deutsche Spannung, die füi die Geschichte der Länder Böhmen und Mähren — keinewegs nur negativ, wie es oft scheinen mag, sondern auch durchaus im Sinne eines edlen Wettstreites der besten

Kräfte charakterisiert ist —, ist durch die gewaltsame Austreibung der Deutschen „gelöst“ worden. Wenn heute sudetendeutsche Forscher und Gelehrte darangehen, in einem Sammelband rückschauend den Anteil der Deutschen an Kun6t und Wirtschaft, Recht und Glaubensleben dieses Landes festzuhalten, ihr Schrifttum und ihre Musikpflege überblicken, Vorgeschichte und Besiedlung darstellen, dann fällt zunächst wohltuend auf, daß dieser Uberblick nicht aus der verengten nationalistischen Perspektive erfolgt, die als Reaktion gegen die Vertreibung und Beraubung verständlich wäre. Wenn wir Beiträge über den deutschen Anteil am Erwachen des tschechischen Volkes oder über die volksbiologischen Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen finden (der auch über Wien manches Aufschlußreiche enthält), wenn wir von der ersprießlichen Zusammenarbeit von sudetendeutscher und tschechischer volkskundlicher Forschung hören, wenn wir Sätze lesen, wie .daß der Untergang des einen Nachbarvolkes dem anderen nur scheinbar und für kurze Frist nützt, dann aber es unweigerlich mit ins gleiche Verderben zieht“, so müssen wir bestätigen, daß hier der Versuch geglückt ist, den in den letzten Jahrzehnten auf beiden Seiten gewohnten, eine von Haus aus bestehende Gegnerschaft des anderen Volkes voraussetzenden Darstellun-

gen eine europäische Konzeption entgegenzustellen.

Ist der Sammelband .Die Deutschen tn Böhmen und Mähren“ ein von Fachleuten mit wissenschaftlicher Zielsetzung zusammengetragenes Werk — die einzelnen Beiträge, durchwegs von kompetenten Fachleuten verfaßt, stehen fachlich auf voller Höhe —, so ist besonders begrüßenswert, daß gleichzeitig das „Sudetendeutsche Jugendbuch“ als-Lesebuch für die Jugend erschien, das in anschaulicher und leicht faßlicher Form, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Systematik, aber um so farbiger und abwechslungsreicher dieses Bild ergänzt. Die Landschaft des böhmisch-mährischen Raumes und ihre Menschen erstehen vor dem Leser. Bilder aus der Geschichte, Sagen, Schwanke, Mundartliches, Gereimtes. Dichter, Historiker, Priester sprechen, schlichte Zeichnungen unterstreichen das gesprochene Wort.

Nach dem Verlust eines reichen Bücherschatzes, nach der Vernichtung fa6t sämtlichen Heimatschrifttums der Sudetendeutschen, versuchen die beiden Werke — jedes mit anderen Mitteln und mit anderer Zielsetzung — einen Ersatz für das Verlorene zu geben. Daß der Geist de6 Größten aus diesem Räume, Adalbert Stifters, aus ihnen spricht, erheben beide Sammlungen über das bloß Darstellende, Sammelnde, Erhaltende hinaus zu zukunftsweisender Bedeutung.

Dr. Helmut S 1 a p n i c k a

Heimat an der Eger. Roman. Von Herbert Schober. Hellbrunn-Verlag, Salzburg. 691 Seiten.

Das Land zwischen Eger und Reichenberg war das einzige Gebiet des alten Österreich, in dem weder Bauern noch Aristokraten, sondern eine bürgerliche Schicht das tragende Element waren. Innerhalb der es nicht nur Kleinbürger, nicht nur mittelständisches Bürgertum, sondern — ein besonderes Unikum für die Habsburgermonarchie — „grand-bourgeois“ gab. Enorm reich, halb feudal, fleißig, begabt, kulturell sehr hochstehend, Mäzene großen Stils (fast jede kleine sudetendeutsche Stadt hatte ihre Theater, die von Privatsubventionen lebten), bildeten diese Ringhoffer, Schicht, Liebieg, Ginzkey, 'Mallmann, Leitenberger usw. eine Kaste besonderer Art. Die bis in die letzten Dörfer des Erzgebirges vorgetriebene Industrialisierung, die starke Verstädterung dieses Gebietes — die Strecke Tetschen, Bodenbach, Aussig, Turn, Teplitz, Dux, Brüx, Komotau bildete eigentlich eine einzige große Stadt — hatten dieses Bürgertum geschaffen Das in der oberen Schicht großösterreichisch, in der mittleren und unteren stark deutschnational dachte, durchwegs liberal gesinnt war und zur anderen Nation des Landes — den Tschechen — keine irgendwie positive Beziehung besaß.

In diesem Milieu spielt der Roman von Herbert Schober. Er schildert das Schicksal einer Karlsbadei Fabrikantenfamilie zwischen 1910 und 1950. Gesichertes Leben im alten östereich, Weltkrieg, die Zeit der Republik, die furchtbare Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre, der Anschluß ans Dritte Reich, zweiter Weltkrieg, Austreibung aus der alten Heimat ziehen an dem Leser vorüber. Doch leider, die Mängel, die das erste Werk des Verfassers („Jenseits der Grenze“) aufwies, haften auch diesem Buch an. Es ist weder eine Reportage noch eine Dichtung. Die dichterischen Kräfte sind zu gering. Sein Stil diesmal etwas gepflegter. Kein Vergleich zu ■ Gheorgius „25 Uhr“, der das gleiche Thema behandelt. Die große Tragödie dieses Volkes wartet noch immer der dichterischen Gestaltung. Als Teil der großen böhmischen Tragödie.

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