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Heiterer Jux und faules Ei

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Die Kammerspiele des Linzer Landestheaters wurden unter Karl Heinz Krahl mit der heiteren Nestroy- Posse „Einen Jux will er sich machen” eröffnet. Die Regie war bei Gustav D i e f- fenbacher in besten Händen. Er versteht es, die Faden des Geschehens um den Handlungsgehilfen Weinberl und den Gewürzkrämer Zangler ohne Übertreibung, aber mit echtem Humor zu verschlingen, bis sich schließlich die richtigen Paare finden. Ganz im Sinne Nestroys schuf Leo Kliegel ein einstimmendes Bühnenbild. Mit der Rolle des Weinberl hat Gerhard Hofer, der heute zu den besten Nestroy-Dar- stellern gehört, die Zahl seiner Glanzrollen um eine weitere vermehrt. Ob er 6ingt oder spricht, jede Geste ist überlegt. Dabei ist das Spiel so natürlich, als wäre alles eine Eingebung des Augenblicks. Zum Gelingen des Abends trägt auch die gefällige Musik nach alten Motiven von Gustav Zeliuor bei, die von einem Bläserquartett mit Cembalo ausgeführt wird.

Um so problematischer ist das Stück von Felicien Marce au, „Das Ei”, das nach Wien und fast gleichzeitig mit München als zweite Aufführung in den Kammerspielen herausgebracht wurde. Dieser dramatisierte Monolog mit eingeblendeten Sketches ist eine zynische Gesellschaftskritik vom Standpunkt eines Existentia- listen. Für einen Autor, der an einer katholischen Mittelschule und Univessität studierte, ist es etwas wenig, den Zuschauer lediglich mit Verfallserscheinungen unserer Zeit zu konfrontieren, ohne Distanzierung zu einem gesellschaftlichen System, fern jeder Ethik, nur auf den Erfolg eingestellt. Die Linzer Aufführung unter der Regie von Hermann Kutscher ist eine überdurchschnittliche Leistung. Der rasante Übergang vom Monolog zum Sketch erfolgte jedesmal bruchlos. Heinz Köttel schuf dafür ein voll entsprechendes Bühnenbild, das unter Einsatz der modernen Theatermaschinerie einen flüssigen Ablauf des dynamischen Spiels ermöglichte. Alexander Wagner als Emile Magis, der die Rolle bereits in mehreren Städten, darunter an der Wiener Josefstadt, verkörperte, findet den richtigen Ton für den Außenseiter der Gesellschaft, der nicht an den Menschen, schon gar nicht an der Moral, sondern nur am erfolgreichen System interessiert ist. Er spielt die Rolle so virtuos, daß es einem zunächst kaum iu Bewußtsein kommt, es handle sich nur um einen abwegigen Einzelmenschen. Die am Rande eingesetzten Schauspieler haben, wie schon bei der Uraufführung m Paris, mehrere Rollen darzustellen. Die Darstellung fand reichen Beifall.

Das Linzer Landestheater bringt in den Kammerspielen Eugen O’Neills Komödie „O Wildnis” (1932), die des Dichters Eigenart zeigt. Sie vereint die Psychologie des europäischen Dramas aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit scharfer Beobachtung der Gesellschaft, prägnanter Charakterisierung sowie — und das ist wesentlich — mit gesundem Humor. Im Mittelpunkt der Komödie steht ein junger Mann in der Wildnis und Wirrnis der Pubertät, der viel vom Schrifttum der Jahrhundertwende in sich aufgenommen, aber nicht verarbeitet hat. Strindberg hätte daraus eine aufregende Tragödie gemacht. O’Neill, der in den verschiedensten Lebenslagen bis zu seiner schweren Erkrankung den Humor und den Glauben an die Menschheit bewahrte, gestaltet eine Komödie, nicht ohne tiefere Bedeutung, immer mit dem Unterton des Verstehens.

Ernst Schiffner arbeitet diesen Charakter der Komödie wirksam heraus und wird dabei durch das Bühnenbild Heinz Bruno Gallees bestens unterstützt. Der Regie steht ein Ensemble zur Verfügung, das den Feinheiten der Komödie gerecht zu werden vermag. Hans Dieter Gross als Richard ist ein Junge im Sturm und Drang des Pubertätsstadiums, Heribert Just als Nat Miller die personifizierte Verständnisbereitschaft. Elfriede Gollmann als Mutter Essie schwaulęt? wjscheu,I,ie e.utid Pflicht, doch erzielt W ‘Iber willens- schwacher und weinseliger Sid Davis besonderen Erfolg. Isolde Stiegler bietet als Lily Miller eine wohldurchdachte Charakterstudie. Das Premierenpublikum zollte Stück, und Aufführung starken Beifall.

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