Helena Adlers letzte Werke: Eine tief bewegende Reflexion über Tod und Leben
Helena Adler hinterlässt mit ihren letzten Texten ein kraftvolles Vermächtnis, das tief in die Abgründe der menschlichen Seele blickt. Die kürzlich verstorbene Autorin vereint in ihrem Werk Wut, Trauer und einen Funken Hoffnung.
Helena Adler hinterlässt mit ihren letzten Texten ein kraftvolles Vermächtnis, das tief in die Abgründe der menschlichen Seele blickt. Die kürzlich verstorbene Autorin vereint in ihrem Werk Wut, Trauer und einen Funken Hoffnung.
Wie soll man die nachgelassenen Texte einer Autorin lesen, die gerade erst gestorben ist? Viel zu früh, wie man nicht umhinkommt, es auszudrücken, wenn jemand mit 40 Jahren stirbt. Wie soll man diese Texte lesen, ohne sie autobiografisch zu deuten und aufzuladen – oder zumindest ihre Schöpferin immer im Kopf zu haben? Die Antwort ist ehrlicherweise, man kann es nicht. Und auch wenn man sonst noch so überzeugt auf der Trennung von Autorin und Text beharrt, in diesem Fall macht das nichts, nicht nur, weil die traurige Nachricht vom Tod Adlers im Jänner noch nachwirkt, sondern weil sie schon vorher eine starke Präsenz in ihren Texten hatte.
Die Tragik der letzten Werke einer Autorin
Adler war nicht nur die Autorin der „Infantin“, sie war die Infantin. Spätestens seit ihrem zweiten Roman „Die Infantin trägt den Scheitel links“ hatte man das Gefühl, es mit einer Autorin zu tun zu haben, die bleiben und ein Werk erschaffen wird, eine, die irgendwann zu den Großen der österreichischen Literatur gezählt werden wird. Eine Ahnung davon zeigt sich in ihren letzten Texten, die jetzt bei Jung und Jung erschienen sind.
2023 hätte sie beim Bachmannpreis lesen sollen, doch kurz vorher wurde ein Gehirntumor diagnostiziert, und sie konnte nicht mehr nach Klagenfurt reisen. „Miserere Melancholia“ ist der Text, den Adler gelesen hätte – und er gibt dem Band in abgekürzter Form auch seinen Namen. Einen besseren Titel kann man sich kaum vorstellen, darin kulminiert noch einmal, was das Schreiben der Salzburgerin ausmacht. „Miserere“ bezeichnet medizinisch das Erbrechen von Stuhl, meist hervorgerufen durch einen Darmverschluss. Es kommt dann, die Infantin hätte sicher wenig Hemmungen, das so auszudrücken, die Scheiße beim Maul raus. Den meisten wird freilich eher die liturgische Bedeutung aus dem Agnus Dei in den Sinn kommen, der Ruf nach göttlicher Gnade: Erbarme dich. In wüstesten Beschimpfungen, sprachlich erbarmungslos um Erbarmen bitten, das tun alle Texte Adlers in irgendeiner Weise.
Splitter des eigenen Selbst
Der erste Text „Ein guter Lapp in Unterjoch“ schließt an die dörfliche Welt der „Infantin“ und Adlers letzten Roman „Fretten“ an. Doch sprachlich gibt es deutliche Unterschiede, der Erzählton ist ruhiger, keine polternde Suada und keine Aneinanderreihung origineller österreichischer Schimpfwörter. Die gezeichneten Bilder sind indes nicht weniger rabiat: Erzählt wird von einer „Gemeinde, in der zehn kleine Jägermeister auf eine einzige Cousine kommen, weil es bloß einer von zehn Frauen gelingt zu türmen, während die restlichen acht Suizid begehen, bevor oder nachdem sie von ihren Brudercousins und Cousinsbrüdern gerudelt werden“. Der Witz, der in ihren Romanen bei aller Brutalität immer da war, ist Adler hier abhandengekommen. Vom Tragisch-Komischen ist nur noch das Tragische übriggeblieben. Es ist eine Welt, in der sexuelle Gewalt normalisiert erscheint, Frauen immer noch als Freiwild gesehen werden und die Männer, wo nicht Täter, es doch geschehen lassen.
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